Di 06.11.2018
Häufig wird das Argument gebracht, Migration schade den ArbeiterInnen, da sie verschärfte Konkurrenz am Arbeitsmarkt bedeute. Ähnliches wird auch von deklariert Rechten vertreten. So meint FA-Gewerkschafter Michael Koschat etwa, es müsse „ein Schutzschirm über den österreichischen Arbeitsmarkt gespannt werden“.
Weil oft unwidersprochen, hält sich so auch bei ArbeiterInnen, was bereits Marx am Beispiel der irischen Migration nach England beschrieb: »Der gewöhnliche englische Arbeiter hasst den irischen als einen Konkurrenten, der die Löhne und den standard of life herabdrückt. Dieser Antagonismus zwischen den Proletariern in England selbst wird von der Bourgeoisie künstlich geschürt und wach gehalten. Sie weiß, dass diese Spaltung das wahre Geheimnis der Erhaltung ihrer Macht ist.« (Der Generalrat an den Föderalrat der romanischen Schweiz, 1870)
Die aktuelle Debatte ist im Wesentlichen eine Fortführung der Richtungsdebatte in der frühen Sozialdemokratie. ReformistInnen forderten im späten 19. Jahrhundert ein Arbeitsverbot für Frauen und argumentierten, so könne man Lohnerhöhungen erzwingen. Als von KapitalistInnen der imperialistischen Staaten vermehrt Arbeitskräfte aus den Kolonien geholt wurden (die unter weit schlechteren Bedingungen im Vergleich zu „Einheimischen“ arbeiteten), beschlossen zahlreiche Gewerkschaften (u.a. in Nordamerika), MigrantInnen auszuschließen und aus dem Arbeitsmarkt zu verdrängen, um Billigkonkurrenz zu vermeiden. Doch sobald es zu Streiks kam, wurden ebenjene gewerkschaftlich nicht erschlossenen Schichten zum Streikbrechen eingesetzt.
Beim Amsterdamer Kongress der 2. („Sozialistischen“) Internationale 1904 wurde von ReformistInnen ein Einreiseverbot für „Arbeiter rückständiger Rassen“ aus Angst vor sozialen Verschlechterungen für „heimische“ Beschäftigte gefordert. Mangels Einigung wurde die Debatte auf den Stuttgarter Kongress 1907 verlegt. Dort setzte sich der revolutionäre Flügel um Karl Liebknecht durch. Er meinte: „Fort mit dem Damoklesschwert der Ausweisung! Das ist die erste Voraussetzung dafür, dass die Ausländer aufhören, die prädestinierten Lohndrücker und Streikbrecher zu sein!“ Folglich beschloss der Kongress die Forderung nach „Abschaffung aller Beschränkungen, welche bestimmte Nationalitäten oder Rassen vom Aufenthalte im Lande und den sozialen, politischen und ökonomischen Rechten der Einheimischen ausschließen“.
Revolutionäre SozialistInnen betonten damals wie heute die gemeinsamen Interessen von ArbeiterInnen, egal woher sie kommen, und setzen sich für einen kollektiven Kampf ein – gleichzeitig wird eine klare Distanz zu Bürgerlichen gehalten, die Migration zur Unterwanderung sozialer Standards nutzen.
Was ist linke Migrationspolitik? Erschienen im Manifest Verlag
Texte, die den Äußerungen von Sahra Wagenknecht die prinzipielle Verteidigung der Rechte von MigrantInnen und einen Klassenstandpunkt entgegenstellen und die gemeinsamen Interessen einheimischer und migrantischer Lohnabhängiger und Erwerbsloser in den Mittelpunkt rücken.