Patriarchat und kapitalistische Klassengesellschaft: Zwei wie Pech und Schwefel

von Anja Riegler

Der 25. November, an dem der internationale Tag gegen geschlechterspezifische Gewalt begangen wird, wirft Licht auf die Frage, wie diese bekämpft werden kann. Eine sozialistisch-feministische Perspektive rückt die Notwendigkeit eines Bruchs mit der gesamten kapitalistischen Klassengesellschaft ins Zentrum. Um diese Schlussfolgerung zu verstehen, müssen wir zu den Wurzeln geschlechtsbasierter Unterdrückung gehen.

Sexismus und Männer-Gewalt werden allzu oft normalisiert: Während uns Geschlechterrollen weismachen wollen, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts sanftmütiger seien, würden Männer zu aggressiven Verhaltensweisen neigen. Hinzu kommt, dass männliche Gewalt, insbesondere von rechter Seite, zu einem Problem migrantisierter Männer umgedeutet wird. Bei Fällen von geschlechtsspezifischer Gewalt, verübt von weißen Männern, handele es sich nur um Einzelfälle. Dies ist ein Versuch, zu spalten und rassistische Forderungen voranzutreiben. Gleichzeitig gaukelt uns der bürgerliche Staat vor, durch eine rechtliche Gleichstellung der Geschlechter echte Gleichheit erreicht zu haben. Dabei sind die Familie und die Intimbeziehung die gefährlichsten Orte für Frauen und Mädchen.

Eine marxistische Analyse lehnt biologistische Deutungsmuster für männliche Gewalt ab. Stattdessen wird das Verhältnis zwischen patriarchaler Unterdrückung und Klassengesellschaft untersucht. Historisch gehen beide miteinander einher: Mit der Sesshaftwerdung des Menschen vor tausenden Jahren konnte ein Überschuss in der Produktion, das gesellschaftliche Mehrprodukt, gelagert werden. Erste Klassengesellschaften entstanden in Folge dieses AnhäufungsAkkumulationsprozesses. Die Ehe als Institution gewann an Bedeutung, um für klare Erbschaftsverhältnisse zu sorgen. Frauen und Mädchen wurden im Zuge dessen zum Eigentum des Mannes, dem Familienoberhaupt, degradiert. 

Die kapitalistische Produktionsweise, wie wir sie heute kennen, ist davon abhängig, dass Frauen ihre Arbeitskraft einerseits als Lohnarbeiterinnen zur Verfügung stellen und andererseits auch unbezahlte “reproduktive Arbeit” leisten. Hierzu zählen zum Beispiel Kochen, Haushalt, Kinderbetreuung, sowie Pflege von Angehörigen. Davon profitiert der kapitalistische Staat insofern, dass die Arbeitskraft der Frau nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch im häuslichen Kontext ausgebeutet werden kann. Hierdurch muss der Staat zum Beispiel weniger Geld in Kinderbetreuung investieren. 

Patriarchale Geschlechterrollen machen sich dabei zum Handlanger des Kapitals, indem sie vermitteln, dass Haus- und Familienarbeit einer vermeintlich weiblichen Natur innewohnt und damit nicht wie sonstige Lohnarbeit finanziell abgegolten werden müsse. Daneben wird ein starres Bild von Geschlechterbinarität, wonach es nur Frau und Mann gäbe, vermittelt. Wir sehen im Zuge dessen, wie die Unterdrückung von queeren Menschen und allen, die nicht in dieses binäre Schema von Geschlecht hineinpassen, eine weitere Konsequenz dieses engen Korsetts an Geschlechterrollen darstellt. 

Unterordnung einer Gruppe unter die andere und Gewalt zur Aufrechterhaltung der Hierarchien stellen den gemeinsamen Charakter der kapitalistischen Klassengesellschaft und dem Patriarchat dar. Im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt müssen wir erkennen, dass beide untrennbar miteinander verwoben sind und in unserem Kampf nur gemeinsam besiegt werden können. 

 

 

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