Fr 29.11.2024
Die Wahlen in der Steiermark sind ein weiterer Schock. Nach Wahlerfolgen von Rechten auf allen Ebenen, schockierenden Meldungen über das Ausmaß antimuslimischen Rassismus und immer mehr rassistischer Hetze von allen etablierten Parteien gelingt rückt in der Steiermark die politische Landschaft noch weiter nach rechts. Und das obwohl es in der Steiermark die bundesweit stärkste KPÖ gibt. Wir können davon ausgehen, dass dieses Wahlergebnis den Rechtsruck - vor allem auch im Zusammenhang mit den Regierungsverhandlungen und dem kommenden Regierungsprogramm - weiter beschleunigen wird und zu einer noch rassistischeren Regierungspolitik führen wird. Umso wichtiger ist es jetzt nicht zu resignieren, sondern eine Perspektive für eine Alternative zum Rechtsruck zu finden. Hier 5 Gedanken dazu:
1. Rechtsruck geht weiter
Nach den EU-Wahlen, zahlreichen Landtagswahlen und den Nationalratswahlen geht der politische Rechtsruck mit den Wahlen in der Steiermark weiter und nimmt sogar an Fahrt auf - genauso wie international mit dem Wahlsieg von Donald Trump. Das Wahlergebnis der FPÖ in der Steiermark war nochmal stärker als bei den Nationalratswahlen. Und das obwohl die steirische FPÖ inklusive des Spitzenkandidaten Mario Kunasek in einen massiven Korruptionsskandal verwickelt ist. Im Gegensatz zu den Nationalratswahlen, wo zumindest die SPÖ ihre Stimmen halten und KPÖ und andere außerparlamentarische Linke geringfügig gewinnen konnten, rückt in der Steiermark die gesamte politische Landschaft deutlich nach rechts. Dieser fortschreitende Rechtsruck stellt eine massive Bedrohung dar und schafft einerseits die Grundlage für weitere politische Angriffe auf migrantisierte Personen, Frauen und Beschäftigte und wird andererseits Alltagsrassismus weiter motivieren.
2. Droht Blau-Schwarz im Bund?
In der Steiermark steht jetzt die fünfte FPÖ-Regierungsbeteiligung auf Landesebene und der erste FPÖ-Landeshauptmann seit Jörg Haider bevor. Dieser Erfolg erhöht auch den Druck auf die Bundesebene und die Wahrscheinlichkeit für ein Scheitern der ÖVP-SPÖ-NEOS-Koalitionsverhandlungen und damit einer FPÖ-ÖVP-Koalition. In der ZIB 2 vom 25.11. zeigte sich ÖVP-Generalsekretär Stocker deutlich pessimistischer bezüglich erfolgreicher Koalitionsverhandlungen als noch vor der Wahl. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass nach dieser Wahl die Stimmen in der ÖVP lauter werden, die sich für ein Ende von Nehammers-Kurs und eine Koalition mit der FPÖ aussprechen. Zusätzlich angetrieben könnte dieser Trend durch die Bosse in der Industrie und Wirtschaft werden, die sich angesichts der wirtschaftlichen und budgetären Situation offensive Angriffe auf die Arbeiter*innenklasse wünschen, um ihre Profite zu sichern. Massive Lohnnebenkostensenkungen (die dann im Sozialsystem fehlen), Kürzungen im Sozialbereich und Steuererleichterungen für Konzerne kombiniert mit scharfen Angriffen auf Migrant*innen, um von dieser unsozialen Politik abzulenken, gehen mit der FPÖ leichter. Aber unabhängig davon, ob die Wahl zu einem Scheitern der Koalitionsverhandlungen führen, kann man davon ausgehen, dass die ÖVP und NEOS das Ergebnis in der Steiermark nutzen werden, um noch mehr rassistische und unsoziale Zugeständnisse durchzusetzen und sonst mit einer Sprengung der Verhandlungen zu drohen. Auch bei einer ÖVP-SPÖ-NEOS-Regierung werden wir also wahrscheinlich mit einer der rechtesten und unsozialsten Regierungen der 2. Republik und massiven Angriffen auf Migrant*innen, Geflüchtete, queere Personen und alle Beschäftigten konfrontiert sein.
3. Unmut wird rassistisch aufgeladen
Die Wahlen waren eine Abrechnung mit der Politik des Establishments auf Landes- und Bundesebene. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, die Ergebnisse der 3 Gemeinden die von Spitalsschließungen und der Errichtung eines neuen Leitspitals betroffen wären: in Rottenmann erhält die FPÖ ihr bestes Ergebnis und kommt auf 63%, in der Nachbargemeinde Trieben mit 53 Prozent und auch in Schladming erreichten sie 51 Prozent der Stimmen. Aber der Unmut über Missstände wie das Ausdünnen der Gesundheitsversorgung wird rassistisch aufgeladen. Insgesamt waren die wichtigsten Themen bei den Wahlen: Teuerung, Gesundheit und Pflege und Zuwanderung. Gerade die KPÖ in der Steiermark ist eine glaubwürdige Kraft bei Gesundheit und gegen Teuerung. Trotzdem hat die KPÖ Stimmen verloren und die FPÖ massiv gewonnen. Das zeigt, dass es sich bei den FPÖ-Stimmen nicht nur um Protest handelt, sondern hinter diesem Protest ein immer stärkere explizit rassistische Erzählung als Grundlage der Probleme steckt. Gerade im ländlichen Raum in der Steiermark ist das besonders zynisch (wo teilweise über 50% die FPÖ gewählt haben) deren größter Bezugspunkt zu migrantisierten Menschen 24-Stundenpfleger*innen und Erntehelfer*innen sind, die die lokalen Gemeinschaften unter ausbeuterischen Arbeitsbedingungen am Laufen halten. Offensichtlich wird Migration komplett entkoppelt von der eigenen Lebensrealität zum Sündenbock für sämtlichen Probleme und allein die Existenz einer sozialen Alternative ist nicht ausreichend. Ein wachsender Teil der Bevölkerung hat weitgehend rassistische Einstellungen. Das bestätigt auch das neue Rechtsextremismus-Barometer des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, in dem 50% der Aussage, “Umfassende Remigration ist dringend notwendig”, eher oder sehr zustimmen.
4. KPÖ-Steiermark stößt an Grenzen
2005 flog die FPÖ aus dem steirischen Landtag, während die KPÖ erstmals einzog. Ein Meilenstein im Erfolgskurs der KPÖ-Steiermark, der auch zum bundesweiten Vorbild für die KPÖ geworden ist. Erst in den letzten Jahren hat der Fokus auf niederschwellige soziale Themen und konkrete Hilfe zu regionalen Wahlerfolgen in Graz, Salzburg und Innsbruck geführt. Jetzt zeigt, das Wahlergebnis in der Steiermark leider auch die Grenzen, dieses Kurses auf - in der gesamten Steiermark verliert die KPÖ 1,5% und in der Hochburg Graz sogar 2,5% und kommt nur auf 10,3% (bei den Bürger*innenmeister*innenwahlen 2021 kam die KPÖ noch auf 28%). Und das obwohl, wie beschrieben, die Themen Teuerung und Gesundheit in Befragungen die dominantesten waren. Dieses Ergebnis zeigt, dass die niederschwelligen sozialen Themen und konkrete Hilfe kombiniert mit einem Vermeiden von Antirassismus und der Systemfrage angesichts einer enorm polarisierten politischen Situation nicht ausreicht, um dem Rechtsruck etwas entgegenzusetzen.
5. Alternative/Gegenmacht von unten aufbauen
Angesichts der letzten Wahlergebnisse bleibt nichts anderes übrig, als die Realität eines gesellschaftlichen Rechtsruckes vor allem in ländlichen Regionen in Österreich anzuerkennen. Es gibt leider eine stabile Mehrheit für die rassistische Migrationspolitik, ein entscheidendes Wahlmotiv ist. Die Wahlen in der Steiermark zeigen gleichzeitig, dass eine gute soziale Alternative nicht ausreicht, um diese Stimmung zu durchbrechen. Aber gerade weil massive Angriffe auf unsere Rechte drohen, können wir es uns nicht leisten zu resignieren. Auch wenn es keine unmittelbare Perspektive für linke Mehrheiten gibt: Es gibt Ansatzpunkte für den Aufbau einer Alternative zum Rechtsruck und sie liegen vor allem dort, wo Menschen selbst aktiv werden und damit auch klarmachen, dass man auch nach oben und nicht nur nach unten treten kann.
Ein paar Ansatzpunkte dafür können sein:
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Aufbau von Widerstand gegen Rassismus und migrantischer Selbstorganisation: Statt das Thema Rassismus zu verschweigen, müssen rassistische Angriffe und Erzählungen offensiv zurückgedrängt werden. Gerade Arbeitskämpfe in migrantisierten Branchen und perspektivisch migrantische Streiks können gleichzeitig auch zeigen wer die Gesellschaft eigentlich am Laufen hält
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Feministische und queere Proteste: die den “Frauenschutz” der Rechten entlarven und zeigen, dass sie selbst die größten Frauenfeinde sind und der Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt, queere Unterdrückung und Rassismus zusammengehört.
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Gewerkschaftliche Proteste insbesondere im Care-Bereich (Gesundheit, Bildung, Soziales) zeigen, dass tatsächliche Verbesserungen durch gemeinsame Organisierung und Widerstand erkämpft werden müssen. Arbeitskämpfe in dem Bereich machen außerdem klar, dass die Probleme der Bereiche an Unterfinanzierung liegen und können dadurch rassistische Problemanalysen zurückweisen (die z.B. gerade im Bildungsbereich die öffentliche Diskussion dominieren). Gleichzeitig sind diese systemrelevanten Branchen besonders von Menschen dominiert - migrantisierte Personen und Frauen - die zu den wichtigsten Opfern rechter Politik zählen und allein dadurch stellen ihre Arbeitskämpfe rechte Erzählungen in Frage.
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Die Systemfrage stellen: die internationale Krise des kapitalistischen Systems wird auch in Österreich immer deutlicher spürbar. Die FPÖ beantwortet diese Systemfrage mit der “guten alten Zeit”. Obwohl wir als sozialistische Linke gesellschaftlich in einer starken Minderheitenposition sind, dürfen wir nicht darauf verzichten, dieser reaktionären Illusion eine sozialistische Antwort auf die multiplen Krisen des Systems gegenüberzustellen.