Interview mit "teachers4palestine"

einer von vielen Briefen von Schüler*innen
an die Kinder in Gaza

Wie wird der Genozid in Gaza bei euch in den Schulen behandelt? 

Das ist sehr unterschiedlich. In vielen Schulen wird das Thema totgeschwiegen, insbesondere durch Lehrpersonen und Direktionen. Gleichzeitig gibt es viele Schüler:innen, die direkt von der Situation betroffen sind: Weil sie aus palästinensischen Familien kommen oder aus anderen Ländern der Region, weil sie von antimuslimischem Rassismus betroffen sind oder auch, weil sie über soziale Medien das Leid mitbekommen und Mitgefühl empfinden. Es gibt auch Schulen, an denen Schüler:innen Repressionen erfahren, wenn sie beispielsweise eine Palästina-Fahne mitbringen.

 

Wie konkret sieht Repression gegen Erzählungen, die der Doktrin von Staat/Regierung und Medien widerspricht, aus?

Schüler:innen und Lehrpersonen, die Palästina-solidarisch sind, wird oft unterstellt, antisemitisch zu sein. Antisemitismus und Kritik am israelischen Staat werden gleichgesetzt. Außerdem werden besonders muslimisch (gelesene) Burschen unter Generalverdacht des Terrorismus gestellt. An einer Schule wurde beispielsweise Schüler:innen eine Palästina-Fahne weggenommen mit der Behauptung, das sei eine Fahne der Hamas.

 

Wie erlebt ihr die aktuelle Welle an antimuslimischen Rassismus?

Betroffene Schüler:innen und Lehrpersonen sind oft eingeschüchtert und verängstigt. Das Gefühl, dass es vielen Menschen hierzulande egal scheint, was in Palästina passiert mischt sich mit der Wut darüber, dass muslimisches Leben offenbar weniger Wert ist. Die mediale Debatte über das Bildungssystem ist durchweg rassistisch aufgeladen. Anstatt die Verantwortung bei der Politik zu suchen wird so getan, als seien muslimische oder migrantisierte Kinder und Jugendliche das Problem. Im Schulkontext sind die Auswirkungen besonders fatal. Rassismus macht nachweislich psychisch krank und erschwert Schüler:innen das Lernen. Denn mit Angst und Scham kann niemand sorgenfrei lernen. Oft richtet sich der Rassismus von Lehrpersonen gegen Schüler:innen: Hier spielt das Machtgefälle eine große Rolle und kann nachhaltig Schäden bei Kindern und Jugendlichen verursachen. Das alles hat systemische und strukturelle Ursachen, es ist nachweislich Fakt, dass Ungleichheit im Bildungsbereich oft auf Diskriminierung aufgrund von Herkunft, Religion, Hautfarbe und/oder Klasse zurückzuführen ist.

 

Wie ist eure Gruppe entstanden und wie ist die Zusammensetzung eurer Gruppe?

Viele von uns sind schon länger in Solidarität mit Palästina aktiv. Wir haben gespürt, dass das Thema stärker in unsere Schulen gehört und wir haben uns auch alleingelassen gefühlt, als es darum ging, wie wir im Unterricht das Thema Palästina adäquat aufgreifen können. Aus diesem Bedürfnis nach Austausch unter Kolleg:innen ist diese Gruppe entstanden.

 

Warum denkt ihr, dass es wichtig ist, dass sich speziell Lehrer*innen für Gaza-Solidarität organisieren? 

Der Genozid in Palästina ist ein beispielloser Krieg gegen Kinder. Unter den Ermordeten und von Hunger, Kälte und Folter Betroffenen sind überproportional viele Kinder und Jugendliche. Schulen und Universitäten sind systemisch Zielscheibe der israelischen Angriffe, ebenso wie Gesundheitsversorgung und Krankenhäuser. Das ist das Wesen eines Genozids - die systematische Auslöschung eines Volkes inklusive seiner Zukunft, was die Kinder repräsentieren. Es ist die Pflicht von allen Lehrpersonen der Welt, in dieser Situation aufzustehen, weil unser Beruf darin besteht, Kindern und Jugendlichen eine Zukunft zu ermöglichen.

 

Wie reagieren Kolleg*innen auf das Projekt und wie viel Unterstützung habt ihr unter Kolleg*innen?

Viele scheinen auf so ein Projekt gewartet zu haben. In den ersten Tagen schon haben wir sehr viel positive Rückmeldung erhalten und neue Kolleg:innen sind zu uns gestoßen. Aktuell sind wir noch auf Wien beschränkt, aber wir sind sicher, dass es auch darüber hinaus Potential gibt.

 

Habt ihr konkrete nächste Schritte geplant? 

Aktuell planen wir einen Aktionstag, an dem wir alle Lehrpersonen aufrufen werden, mit Palästina-Symbolen in ihre Schulen zu gehen. Außerdem organisieren wir am 26. Februar eine öffentliche Veranstaltung in der bibliobox in Wien. Darüber hinaus arbeiten wir an kreativen Projekten wie beispielsweise an einem Poesie-Workshop mit Schüler:innen zum Thema Palästina. Wir sammeln und erstellen Unterrichtsmaterial zum Thema, um eine direkte Unterstützung für Kolleg:innen zu sein und Aufklärungsarbeit zu leisten.

 

Danke für das Interview und eure wichtige Arbeit! 

 

Du findest die Initiative auf Instagram unter teachers4palestine_austria.