Fr 01.09.2000
Bis zu 300 Milliarden Schilling will die Bundesregierung in den nächsten drei Jahren einsparen, Doch wer vom “Nulldefizit” spricht, meint in Wirklichkeit Nulllohnrunden und die weitere Zerschlagung des Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesens. Privatisierung wird zum Dogma erklärt: Selbst Wald, Wiesen und Wasser sollen in Zukunft der unmittelbaren Verwertung privater Unternehmen unterstellt werden. Und während die Bundesregierung und die EU einen Eiertanz um die Aufhebung der “Sanktionen” aufführen, droht die Regierung ihren GegnerInnen. Klagen und Polizeibespitzelungen sollen die wöchentlichen Demonstrationen gegen Blau-Schwarz verhindern.
Die Stärke dieser Regierung besteht in erster Linie aus der Unfähigkeit und Schwäche der Opposition. Sowohl die SPÖ wie auch die Grünen bekennen sich in den Leitlinien zur Regierungspolitik: Budgetsanierung, Sparpolitik und Privatisierung.
ÖGB-Führung kapituliert vor den „Sachzwängen“ der Budgetpolitik
Bei der ÖGB - Führung ist nach dem Aktionstag im Juni nicht nur “die Luft draussen” – es herrscht auch Chaos und Sprachlosigkeit. Wesentliche Teile der Gewerkschaftsspitze scheinen noch immer nicht verstanden zu haben, dass die Zeit der alten Sozialpartnerschaft endgültig vorbei ist. Wie ein Symbol für dieses Unvermögen steht das Verhalten des Vorsitzenden der sozialdemokratischen Gewerkschafter Rudolf Nürnberger während des ÖGB-Aktionstages.
Anstatt mit den betroffenen KollegInnen gegen die Bundesregierung zu demonstieren frühstückte FSG und „Metaller“-Vorsitzende Nürnberger lieber öffentlich mit dem Chef der Industriellenvereinigung Peter Mitterbauer (siehe format 28/2000). Doch im Dialog ist mit den Unternehmervertretern, die hinter dieser Regierung stehen, überhaupt nichts im Sinne der ArbeitnehmerInnen zu lösen.
“Armensteuer” statt “Reichensteuer”
Die Versprechen von Kanzler Schüssel und Vizekanzlerin Riess-Passer vom Belastungsstop sind von dieser Regierung schon längst gebrochen worden: Ein großer Teil des heurigen (50 Milliarden) Sparpakets ist durch Gebührenerhöhungen (z.B. Rezept- und Reisepassgebühren) zustande gekommen. In dieser Tonart soll es auch weiter gehen. Beim Besuch einer Ambulanz werden in Zukunft öS 250,- zu bezahlen sein. Sogar bei Überweisung durch den Arzt greift uns die Regierung mit öS 150,- in die Tasche.
Doch damit nicht genug: ÖVP-Jugendsprecher Amon fordert Studiengebühren, die sich auch Bildungsministerin Gehrer vorstellen kann. Eines wird es von dieser Regierung sicher nicht geben: Eine Reichensteuer. Sie war auch nie geplant: Die Finanzminister Grasser und Jörg Haider in den Mund gelegte Forderung nach der Erhöhung des Spitzensteuersatzes um drei Prozent macht gerade 3 Milliarden Schilling aus. Das wäre – angesichts der geplanten Sparmaßnahmen - nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein.
Steht eine Erhöhung der Mehrwertsteuer vor der Tür?
Tatsächlich kristallisiert sich aus den Studien die “objektive” Wirtschaftsforscher für die Regierung erstellt haben, eine ganz andere Maßnahme heraus: Gefordert wird hier nämlich die Erhöhung der Mehrwertssteuer. Diese Maßnahme wäre aus Regierungssicht logisch: Sie träfe – genauso wie die geplanten, bzw. bereits umgesetzten Gebührenerhöhungen – Menschen mit niedrigem Einkommen unverhältnismäßig stärker.
Massive Leistungsverschlechterungen
Die ebenfalls vorgesehenen Einsparungen bedeuten zur selben Zeit sinkende Lebensqualität für den Großteil der Bevölkerung. 13.000 Beamte weniger werden zusammen mit den geplanten Privatisierungen in der Höhe von bis zu 400 Milliarden nicht nur eine Verschlechterung der Arbeitssituation der dort Beschäftigten ergeben.
Es sind damit auch massive Leistungskürzungen für die Allgemeinheit – sprich für die arbeitende Bevölkerung – verbunden: Sechs Milliarden sollen alleine bei der Bildung gespart werden. Die 30 Milliarden Sparvolumen bei den Ländern und Gemeinden bedeuten in der Realität: Ebenfalls weniger Bildung (Landeslehrer). weniger Kultur (Theatersuventionen) und schlechtere Krankenhäuser (Landeskrankenanstalten). Ein großer Schlag wäre die Zerschlagung des Sozialversicherungssystem: Die sogenannte Wahlfreiheit bringt mit sich, dass einige junge Gesunde sich günstig privat versichern, während ältere und kranke Menschen keine Chance auf eine angemessene Versorgung mehr haben. Ähnliches gilt für die geplante “Privatisierung” des Pensionssystems: Wer im Arbeitsleben schon wenig verdient, droht im Ruhestand unter die Armutsgrenze zu fallen. Übertrieben sind solche Prognosen angesichts von bis zu 1.5 Millionen Menschen die in Österreich unmittelbar an oder unter der Armutsgrenze leben sicher nicht. Das Problem dabei ist nur, dass nicht einmal die Versicherungen ein reges Interesse an einer Abkehr von der Pflichtversicherung zur Versicherungspflicht haben. Sie machen mehr Geschäft mit den Zusatzversicherungen als mit den Pflichtversicherungen.
Kampfmaßnahmen sind die Antwort!
Die Regierung weiss, welcher Zündstoff in den geplanten Maßnahmen liegt. Derzeit bekommt den Unmut nur die FPÖ direkt zu spüren. Ihnen laufen die WählerInnen in Scharen davon. Genau hier liegt im Moment auch der Sprengsatz in dieser Regierung. Durch das Beharren auf einer Volksbefragung und durch Scheinkritik an einzelnen Regierungsmitgliedern wollen Teile der FPÖ punkten und selbst die Oppositionsrolle zur eigenen Regierung spielen. Auch Rassismus – siehe Haiders Anspielungen auf die angeblich tschechische Herkunft Erhard Buseks - wird wie die Hetze gegen RegierungsgegnerInnen eine stärkere Rolle in der FPÖ-Propaganda spielen. Ob diese Rechnung aufgeht, liegt an der Qualität der Widerstandsbewegung gegen Blau-Schwarz. Die Demonstrationen alleine werden diese Regierung ebenso wenig zu Fall bringen, wie Widerstand, der nur auf einzelne Bereiche beschränkt bleibt. Notwendig wäre ein heisser Herbst durch Kampfmaßnahmen aller Gewerkschaften.