Fr 04.10.2024
Die Wahlen waren ein Schlag ins Gesicht für alle, die unter Rassismus, Sexismus und Queerfeindlichkeit leiden. Rechtsextreme fühlen sich bestärkt - nachdem erst vor kurzem ein Brand in einem Asylheim gelegt wurde.
Der rechten Bedrohung unserer Rechte und unserer Leben müssen wir gemeinsam entgegentreten. Die nächste Regierung - ob mit FPÖ oder nicht - wird für eine Fortsetzung des rassistischen Rechtsrucks, für massiven Sozialkahlschlag zugunsten der Superreichen und für noch mehr Klimakiller-Politik stehen. Nur eine massive Bewegung von unten kann sie stoppen!
Was steckt hinter dem Rechtsruck?
Das schockierende Ergebnis der Nationalratswahlen 2024 zeigt, wie weit der Rechtsruck fortgeschritten ist. Die FPÖ konnte 28,9% der Stimmen gewinnen und gemeinsam mit der immer weiter nach rechts gehenden ÖVP (26,3%) einen stabilen rechten Mehrheitsblock bilden. Gleichzeitig konnten beide “linken” Alternativen kaum überzeugen. Obwohl Teuerung und Pflege und Gesundheit wichtige Wahlthemen waren, stagniert die SPÖ trotz Babler bei 21% und die KPÖ kann trotz Durchbrüchen in den Bundesländern, stark erhöhter Medienpräsenz und deutlich intensiverem Wahlkampf nur 1,7% dazugewinnen.
Natürlich liegt das auch an Schwächen dieser beiden Parteien. Das Ergebnis und Umfragen offenbaren aber auch, dass “Zuwanderung” (d.h. rassistische Vorurteile) ein zentrales Wahlmotiv für einen großen Teil der Bevölkerung waren. Es gab die letzten Jahre z.B. kaum Bewegungen gegen Abschiebungen und in Solidarität mit Geflüchteten, kaum Streiks die tatsächlich selbständig organisiert Verbesserungen erkämpft haben, um Spaltung am Arbeitsplatz zu überwinden und keine politische Alternative, die Fragen von Diskriminierung und Rassismus aufgegriffen hat; alles das führt dazu, dass ein wachsender Teil der Bevölkerung die Logik der FPÖ und ÖVP angenommen hat, dass Geflüchtete und migrantisierte Menschen für die Probleme, die durch die Krise des Kapitalismus ausgelöst werden, verantwortlich sind. Die anderen etablierten Parteien und Medien gehen hier mit.
Gegen den Strom schwimmen
Diese Ausgangslage macht es grundsätzlich schwierig für linke Parteien, die auch mit begrenzten linken Reformvorschlägen gegen den Strom der etablierten Politik schwimmen. Das war in den Wahldiskussionen deutlich sichtbar, wo Bablers Forderungen nach Vermögenssteuern und Ähnlichem auf eine konsequente Mauer durch ÖVP, FPÖ, NEOS und Co. getroffen ist. Gleichzeitig sieht man an dem Wahlergebnis die Grenzen der Strategie von Babler und KPÖ: Beide haben den rassistischen Rechtsruck nicht offensiv herausgefordert. Babler machte zwar am Ende des Wahlkampfes ein paar antifaschistische Ansagen, aber auf welcher Basis soll Babler ernst genommen werden, wenn seine Partei Verschärfungen des Asylrechts mitträgt und selbst fordert? Die KPÖ verzichtete fast vollständig darauf, die Themen Rechtsruck und Rassismus anzusprechen und setzte auf “Sozialpolitik gegen Rechts”. Doch es gelang dadurch weder, FPÖ-Wähler*innen zurückzugewinnen noch sonst signifikant dazugewinnen. Dadurch fehlte eine sichtbare Opposition zu Rassismus, dem Genozid in Gaza und dem Rechtsruck insgesamt, die vielen Menschen, die sich dagegen stellen wollen, ein Angebot machen hätte können.
Dazu kommt die reine Wahlorientierung beider Parteien - und das obwohl 1,5 Millionen Menschen in Österreich leben und nicht wählen dürfen. Babler spricht zwar von “unseren Rechten”, für die wir kämpfen müssen, sitzt aber gleichzeitig mit der Gewerkschaftsbürokratie im selben Boot, die ihrerseits jede selbstständige Aktivität von Beschäftigten unterbindet. Die KPÖ gibt sich mit Sozialberatungen und der Verteilung von gratis Mahlzeiten, Hundefutter, Schulsachen usw. zwar bevölkerungsnah, aber sie spielt kaum eine Rolle im Aufbau von Bewegungen. Gerade in einer Situation wo die etablierte Politik nach Rechts geht, reicht es nicht, notwendige Forderungen (Vermögenssteuern, Mietpreisbremse usw.) aufzustellen, wenn die Perspektive fehlt, wie diese gewonnen werden können. Vielmehr muss es der Linken darum gehen, real Gegenmacht - durch Organisierung an Arbeitplätzen, in Nachbarschaften, Schulen und Unis - aufzubauen, um gegen Rechts und für soziale Verbesserungen kämpfen zu können. Ansätze dafür wären die Arbeitskämpfe im Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich, Proteste gegen Abschiebungen oder der Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt.
Die Systemfrage stellen
Es gelingt Kickl, sich als radikale Opposition darzustellen - obwohl er und seine Politik fester Bestandteil des politischen Mainstreams sind. KPÖ und Babler gaben sich weitgehend angepasst: Ihre Wahlkämpfe kopierten großteils in Form und Inhalt etablierte Politik, KPÖ-Sprecher*innen beschränkten sich bewusst auf kleinteilige Forderungen. Wenn Menschen durch Klimakrise, Hochwasser, Flucht, Krieg, Rassismus, Diskriminierung, Teuerung und Wirtschaftskrise in allen Lebensbereichen bedroht werden, reicht es nicht, nur über Fragen von Wohnen und Sozialpolitik zu sprechen. Die KPÖ steht in der Verantwortung, alle diese Fragen aufzugreifen und Menschen eine Perspektive für politischen Widerstand anzubieten - im Parlament sowie am Arbeitsplatz, in Nachbarschaften und an Schulen. Viele Menschen verstehen schon lange, dass Krieg, Rassismus und Sexismus mit dem Kapitalismus zusammenhängen - die KPÖ müsste jede Möglichkeit nutzen, um zu betonen, dass echte Lösungen nur durch einen grundlegenden Systemwandel erreicht werden können. Dafür würden sich nicht nur mehr als 4% der Wähler*innenstimmen finden, sondern auch darüber hinaus tausende kämpferische Unterstützer*innen.
Rechtsruck bekämpfen durch Bewegungen von unten!
Die reale Möglichkeit einer FPÖ-geführten Regierung ist eine enorme Gefahr für Millionen Menschen, die von Rassismus, Sexismus, Queerfeindlichkeit betroffen sind. Vergangene Erfahrungen zeigen auch, dass die FPÖ in der Regierung die rechte Hetze mit allgemeinem Sozialkahlschlag im Dienste der Superreichen verbindet. Aber auch eine Koalitionsvariante ohne FPÖ wird die vom Kapital geforderten Angriffe, etwa massive Kürzungen im Sozial- und Gesundheitssystem, auf gezielt rassistische Weise durchführen (z.B. Streichung von Sozialleistungen für Nicht-Staatsbürger*innen). Unter diesen Umständen kann es keinen echten Widerstand gegen solche “allgemeinen” Kürzungspakete ohne konsequenten Kampf gegen jede Form “spezifische” Unterdrückung wie Rassismus geben. Deswegen müssen wir jetzt schon gegen kommende Angriffe auf die Rechte von Migrant*innen, Frauen, queeren Menschen, Menschen mit Behinderung, Arbeitslose und Armutsbetroffene mobilisieren. Es geht jetzt darum, das zu organisieren, was auf der Wahlebene gefehlt hat: Konsequenter Widerstand gegen den Rechtsruck auf allen Ebenen, insbesondere von jenen, die davon am schlimmsten bedroht sind - wie die 1,5 Millionen Menschen, die mangels österreichischem Pass von der Wahl ausgeschlossen waren.
Wie kann eine Bewegung rechte Politik zurückdrängen?
-
Eine Bewegung, die es mit dem Kampf gegen Rassismus und andere Diskriminierungen ernst meint, muss von jenen, die davon betroffen sind, getragen werden. Das kann nur funktionieren, wenn ihre Stimmen und Anliegen gehört und an erste Stelle gestellt werden. Die Involvierung der migrantischen, queeren und anderen Communities muss sich also in konkreten Forderungen widerspiegeln, die einen Gegenpol zur herrschenden Ignoranz und Unterdrückung setzen.
-
Dazu gehört auch der Kampf gegen die Entmenschlichung von Geflüchteten - gerade angesichts des Mordens in Gaza, der Westbank und im Libanon. Denn die Regierung ist mit ihrer Unterstützung des israelischen Regimes mitverantwortlich dafür, dass Zehntausende getötet werden und Hunderttausende flüchten müssen. Diese Entmenschlichung der palästinensischen Bevölkerung und die Verunglimpfung jeder Solidarität mit ihr ist Teil einer jahrzehntealten Offensive von antimuslimischen Rassismus, die die Diskriminierung von migrantisierten Menschen rechtfertigen soll und damit auch eine Grundlage des Rechtsrucks darstellt. Eine Widerstandsbewegung gegen Rechts muss sich auch dagegen stellen.
-
Die Proteste gegen Angriffe auf queeres/transidentes Leben und geschlechtsspezifische Gewalt müssen Teil einer Widerstandsbewegung gegen Rechts werden - wie z.B. der Tag gegen geschlechterspezifische Gewalt am 25.11. Die Bewegung muss aufzeigen, wie Fragen von Rassismus und Sexismus/Queerfeindlichkeit verbunden sind: Unter dem Vorwand, “Frauen zu schützen”, wird rassistische Politik rechtfertigt - gleichzeitig sollen Hormontherapien für Jugendliche abgeschafft werden und verstärkte konservative Rollenbilder fördern geschlechtsspezifische Gewalt. Wir brauchen eine starke feministische Bewegung, um sexistische, rechte Ideologien am Arbeitsplatz, in der Ausbildung und in privaten Räumen zurückzudrängen.
-
Auch die Probleme im Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich nutzen die Rechten für ihre rassistische Hetze und behaupten, dass Geflüchtete Schuld daran sein. Tatsächlich hat die jahrzehntelange Unterfinanzierung (durch alle Parteien) zu den katastrophalen Zuständen geführt. Hier - aber auch in anderen betrieblichen Bereichen - müssen wir auch die Gewerkschaften in die Pflicht nehmen. Die ÖGB-Führung ist mitschuld am Rechtsruck - sie hat in ihren Kernbereichen wie dem Produktionssektor nichts gegen den Vormarsch der FPÖ unternommen, und sie hat weiblich und migrantisch geprägte Bereiche jahrzehntelang ignoriert. Gleichzeitig gibt es in diesen Bereichen aber auch viel Selbstorganisierung und Widerstand von unten. Kämpfe in dieser Branche sind eine Chance, die rassistische Erzählung der Rechten zu kontern - und zu zeigen, dass die einzige Lösung ein Kampf um mehr Ressourcen ist. Verbesserungen in diesen Branchen sind auch zentral für alle marginalisierten Gruppen die von rechten Politik an den Rand gedrängt werden. Die Beschäftigten sind vor allem Frauen und migrantisierte Menschen - d.h. es sind genau diejenigen, die von den Rechten angegriffen werden; diejenigen die Gesellschaft eigentlich am laufen halten.
-
Wir dürfen KPÖ und andere Linke nicht aus der Verantwortung nehmen: Wenn wir jemals eine Linke ins Parlament bringen wollen - aber vor allem, wenn wir eine Partei aufbauen wollen, die tatsächlich dazu in der Lage ist, den Kampf für unsere Interessen zu organisieren - braucht es zusätzlich zu einer klaren Ansage gegen Rassismus, Seximus und Queerfeindlichkeit, auch eine Beteiligung an den realen Kämpfen, die stattfinden (im Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich oder gegen geschlechterspezifische Gewalt), um als linke Kraft ernst genommen zu werden. Das müssen wir von der KPÖ (und anderen) einfordern - bei Wahlen und abseits davon.
Bauen wir Strukturen auf!
Wir können jetzt die Mobilisierungen und Proteste nutzen, um uns besser zu organisieren und in den verschiedenen Bereichen Strukturen aufzubauen, die Widerstand leisten können: Bilden wir Aktionsgruppen in den Schulen, an den Unis, am Arbeitsplatz, in den Betrieben, verschiedenen Communities usw., die darüber diskutieren können, wie sie gegen den Rechtsruck aktiv werden und sich gegen Angriffe in ihren Bereichen wehren können. Ein konkreter Schritt könnte eine große Aktionskonferenz gegen den Rechtsruck mit Aktivist*innen aus feministischen und anti-rassistischen Bewegungen, der Klimabewegung, Gewerkschafter*innen, Wähler*innen und Mitgliederln der KPÖ und anderen Organisationen sein.
Hier kannst du aktiv werden:
-> Wir sind sozial, aber nicht blöd!
“sozial aber nicht blöd” ist eine Basisgruppe von Beschäftigten und Betriebsrät*innen v.a. des privaten Sozial- und Pflegebereichs, die sich schon seit Jahren für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen einsetzt. Viele Streikaktionen im Rahmen der SWÖ-KV-Verhandlungen wurden von diesen Aktivist*innen an der Basis organisiert. So machen sie auch dieses Jahr Druck für einen bestmöglichen Abschluss.
Informiere dich über nächste Treffen und Aktionen auf Facebook unter “Wir sind sozial, aber nicht blöd.” und Instagram @sozialabernichtbloed
-> Unterbau
Beschäftigte an den Unis - unterstützt von Betriebsrät*innen - organisieren sich bundesweit selbst, um gegen prekäre Arbeitsbedingungen und Einsparungen zu kämpfen.
Instagram: @unterbauuniwien
-> schule brennt
Hier bauen Pflichtschullehrer*innen den Kampf gegen die Zustände an den Schulen von unten auf. U.a. machen sie auf die zuständige Gewerkschaft des öffentl. Dienstes (GÖD) Druck, damit diese endlich einen breit angelegten Bildungsstreik organisiert.
Instagram: @schulebrennt_
-> bessere schule jetzt
Schon 2021 haben sich Eltern(vereine) zusammengeschlossen, um die Kürzungen bei der Inklusion in Wiener Pflichtschulen zu verhindern und haben bereits einige Demos organisiert. Weitere Aktionen - auch im Bündnis mit Lehrkräften - sind geplant.
-> ROSA - Internationale Sozialistische Feminist*innen
Die sozialistisch-feministsiche Initiative ROSA ist international aktiv gegen Sexismus, Queerfeindlichkeit und Rassismus. Die Bedingungen im Care-Sektor betrifft Frauen besonders und das Vorhandensein von Kinderbetreuung, aber auch Erziehung spielen eine wesentliche Rolle im Kampf gegen Gewalt und für ein selbstbestimmtes Leben. Deshalb mobilisiert ROSA mit diesen Forderungen auch für eine Demonstration am internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und LGBTQI+ am 25.11. Komm zu den nächsten Treffen und Aktionen und mach mit!
Instagram: @rosa_oesterreich
-> ISA - Internationale Sozialistische Alternative
Aktivist*innen der Internationalen Sozialistischen Alternative (ISA) sind als Beschäftigte und Betroffene in all diesen Initiativen und Basisstrukturen aktiv. Wir versuchen Kämpfe zu unterstützen und zu verbinden und nehmen dabei immer eine konsequente Haltung gegen Diskriminierung und Unterdrückung ein. Wir finden, es braucht eine sozialistische Alternative, in der die Ressourcen der Gesellschaft verwendet werden, um allen Menschen eine gute Gesundheitsversorgung, Bildung und soziales Netz zur Verfügung zu stellen und nicht für die Profite der Superreichen.
Instagram: @isa_oesterreich / www.slp.at