Beschäftigte mit Behinderung: „Lohn statt Taschengeld!“

von Jan Millonig, ISA Linz

Bild: Österreichischer Behindertenrat

28.000 Menschen arbeiten zur Zeit in sogenannten „Behinderten-Werkstätten“, bekommen ein Taschengeld von 35-100 Euro, sind weder sozial- noch pensionsversichert und hauptsächlich von Sozialleistungen abhängig. Ein Artikel in einfacher Sprache auf der Website des Parlaments bringt’s auf den Punkt: „Die Menschen mit Behinderungen leben also auf ewig wie Kinder.“

Das alles, obwohl sie produktive Arbeit leisten. Deshalb lautet eine jahrzehntealte Forderung von Behindertenorganisationen, Gewerkschaften sowie auch der ISA gegen diese Ausbeutung: „Lohn statt Taschengeld!“ - nicht nur, um ein Einkommen zu schaffen, von dem man selbstbestimmt leben kann, sondern auch, um vom Arbeitsrecht geschützt zu werden. Wolfgang, ISA-Aktivist und Beschäftigter in einer „Werkstätte“ in OÖ berichtet z.B.: „Ja, es gibt einen Betriebsrat, aber von dem fühle ich mich nicht gut vertreten.“

Mitte des Jahres hat die schwarz-grüne Bundesregierung endlich einen Schritt in diese Richtung gemacht. Doch die Zahlen sind ernüchternd: die bereitgestellten 54 Mio. Euro reichen gerade mal für 1 Jahr, um nur 10 % der Beschäftigten ein halbwegs passables Gehalt zu zahlen.

Was bedeutet „Arbeit“ im Kapitalismus?

Der reguläre Arbeitsmarkt ist jetzt für Betroffene unter 25 freigegeben - bringt aber auch wenig, wenn dann das AMS auf Anfrage einer (der Redaktion bekannten) Unternehmensberaterin empfiehlt, Einstellung nicht vorzunehmen, weil “zu schwierig”. Alleine die Tatsache, dass Menschen mit Behinderung dies zuvor wegen „Arbeitsunfähigkeit“ verwehrt war, wirft die Frage auf wie „Arbeit“ in unserem System definiert wird.

Arbeit bezeichnet im Kapitalismus die entlohnte Tätigkeit eines Menschen, die aus einem Produkt ein wertvolleres Produkt macht (Stahl -> Auto) oder durch seine Dienstleistung hilft dies zu verkaufen. Die Differenz zwischen Lohn und abgeworfenen Profit nennen Marxist*innen „Mehrwert“. 

Einige Beschäftigte mit Behinderung können aufgrund von Einschränkungen bzw. Barrieren diesen Mehrwert möglicherweise nur bedingt erarbeiten, was aber nicht heißt, dass sie nicht etwas produzieren / arbeiten können. Das heißt, Menschen mit Behinderung (und das gilt auch für Menschen mit chronischen Erkrankungen) sind nur unter kapitalistischen Verhältnissen „nicht arbeitsfähig“. Weil in diesem System nur gewinnbringende Arbeit genug Geld abwirft, um wirtschaftlich zu überleben. So sind sie auf Sozialhilfen bzw. Almosen angewiesen.

In einer Gesellschaft, wo Profite keine Rolle spielen würden, sondern nur das Ziel, einfach ausreichend zu produzieren, damit alle Menschen gut leben können, würde jede Arbeit, die in welcher Form auch immer dazu beiträgt, geschätzt werden und ihren Platz haben können. Das wäre schon mit aktuellem Stand der Technik und Produktivität leicht möglich.

Inklusion wäre also nicht der Versuch Menschen mit Behinderung irgendwie in ein System, das eine gewisse „Leistung“ abverlangt, zu pressen, sondern tatsächlich nach dem Motto „Jede*r nach seinen Fähigkeiten – Jede*r nach seinen Bedürfnissen” (Karl Marx) möglich. 

 

Wer arbeiten kann, kann auch demonstrieren!

Neben Metaller*innen und Elementarpädagog*innen, gehören mittlerweile auch Menschen mit Behinderung zu jenen, die jährlich für ihre Arbeitsbedingungen auf die Straße gehen: Selbstvertretungsnetzwerke rufen regelmäßig zu Protesten für „Lohn statt Taschengeld!“ auf. 

ISA-Aktivist Patrick Pinner hat 2015 einen Werkstättenrat in seiner Einrichtung erkämpft und betonte damals schon, dass ein gemeinsamer Kampf von “Klient*innen” und Betreuer*innen - auch für deren Löhne (siehe Seite 6 & 8) - wichtig ist.

 

 

 

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