Mi 01.09.2004
Markus Beyrer, neuer Generalsekretär der Industriellenvereinigung und jahrelanger wirtschaftspolitischer Berater Wolfgang Schüssels, spricht sich für eine Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit bei gleichbleibendem Gehalt aus. Umgesetzt werden soll das durch die Abschaffung von Fenster- und Feiertagen. Auch der neue Chef der Industriellenvereingung Veit Sorger meint: "Das Thema Mehrarbeit darf kein Tabu sein, wenn es darum geht, Unternehmen und Jobs in Österreich zu halten". Sein nächstes Ziel: Ab Herbst soll die tägliche Normalarbeitszeit wieder zehn Stunden betragen können. Frech behauptete Sorger sogar, dass dies bei den ArbeitnehmerInnen auf Verständnis stoßen würde. Tatsächlich arbeiten schon jetzt 43 Prozent der Beschäftigten länger als 40 Stunden pro Woche. Eine AK-Studie stellte nun – entgegen Sorgers Behauptung – bei diesen ArbeitnehmerInnen fest, dass mit steigender Stundenanzahl die Arbeitszufriedenheit massiv sinkt. (vgl.: Standard 25.8.2004; www.arbeiterkammer.com)
Warum sollen wir länger arbeiten?
In Gang gesetzt wurde die Diskussion um längere Arbeitszeiten von Siemens in Deutschland durch die dortige Verlängerung der Arbeitswoche von 38 auf 40 Stunden. Mehr Geld erhalten die Siemens Mitarbeiter jetzt allerdings nicht – sie müssen für das selbe Geld länger arbeiten. Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich ist für die Unternehmen ein Mittel um Personalkosten zu sparen. Seit Beginn des Kapitalismus versuchen die Unternehmen auf der einen und die ArbeitnehmerInnen auf der anderen Seite die Arbeitszeiten zu ihren Gunsten zu verändern. Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich war und ist eine traditionelle Forderung der ArbeiterInnenbewegung. Indem die vorhandene Arbeit auf alle aufgeteilt wird, kann Arbeitslosigkeit bekämpft und verhindert werden, dass nur die Chefs der großen Konzerne vom technischen Fortschritt und der Steigerung der Produktivität profitieren. Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich hingegen bedeutet ein Zurück ins 19. Jahrhundert: Wenn wir 10 Stunden für weniger Lohn arbeiten “können”, warum nicht auch 12, 14 oder 16 Stunden pro Tag?
Was wollen ArbeitnehmerInnen?
Eine andere Strategie der Unternehmen um Lohnkosten zu drücken ist es, ArbeitnehmerInnen, vor allem Frauen, in Teilzeitjobs zu drängen. Unter dem Vorwand “Beruf und Familie vereinbaren” wird mit der Teilzeitfalle gelockt: Überstundenzuschläge fallen hier meist ebenso weg, wie Arztbesuche während der Dienstzeit etc... Für die Betroffenen bedeutet das Armut trotz Arbeit, Abhängigkeit vom Partner, niedrige Pensionen. Das Problem “Beruf und Familie vereinbaren” ließe sich allerdings aus Sicht der Beschäftigten wesentlich besser durch Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich sowie entsprechende Kinderbetreuungsmöglichkeiten lösen. Wir fordern darüber hinaus das Recht auf einen Vollzeitarbeitsplatz für jede/n
Wie die Angriffe abwehren?
Die Angriffe auf die Arbeitszeiten in Deutschland fanden unter der Drohung der Standortverlagerung statt. Europaweite Kollektivverträge, Mindestlöhne und gesicherte Sozialstandards könnten demgegenüber Lohndumping verhindern. Dazu ist eine internationale Kampfstrategie der Gewerkschaften nötig die eine Spaltung von Belegschaften in Ost- und West bzw. entlang nationaler Linien verhindert. Nötig ist aber auch ein ÖGB der bereit und imstande ist, Kämpfe erfolgreich zu führen anstatt immer neuen Flexibilisierungsmaßnahmen zuzustimmen. Mit entschlossenen Streiks, die demokratisch organisiert werden, wo die Belegschaft durch Streikkomitees eingebunden wird und mit einer Führung die keine faulen Kompromisse eingeht, können Angriffe abgewehrt und Zugeständnisse erkämpft werden.
Woher nehmen wenn nicht stehlen?
Radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn würde bedeuten, dass die Banken und Konzerne auf große Teile ihrer Profite, die ohnehin von der ArbeiterInnenklasse erwirtschaftet werden, verzichten müssten. Das werden sie nicht freiwillig tun – wir müssen es uns schon erkämpfen. Dazu benötigen wir aber eine Systemalternative um nicht selbst klein beigeben zu müssen. Während die Arbeiter von Daimler Chrysler ein Sparpaket aufs Auge gedrückt bekommen, verdienen ihre Manager dort Millionengagen! Eine sozialistische Gesellschaft mit demokratisch geplanter Wirtschaft unter Kontrolle und Verwaltung der ArbeitnehmerInnen könnte bedeuten, dass der Arbeitstag radikal verkürzt wird, eine gesicherte Existenz aber dennoch möglich ist.