Do 01.07.1999
„Briefe in Wien eine Woche lang unterwegs.” Und: „Bilanz des Wandels: Rekordergebnis der Post und Telekom AG”. 1+1=?
Rechnen ist nicht jedermans Sache, vor allem nicht wenn es nicht ins Konzept paßt. Dieses ist: Privatisierungen sind eine tolle Sache, weil der freie Markt alles so gut reguliert. Verschuldete Staatsbetriebe werden zu modernen, profitablen Unternehmen. Das Service wird besser, alles billiger, die KonsumentInnen freuen sich.
Die ersten Auswirkungen der „Postreform“ waren die Erhöhung der Telefongebühren für Privatverbraucher und jetzt Probleme in der Postzustellung. Grundkonzept ist die Aufteilung der alten Post in verschiedene Einzelbereiche – jeder bekommt seine „individuelle Lösung”. Die Telekom ist schon mittendrin im freien Markt. Wir KundInnen schlagen uns glücklich durch den Gebührendschungel, bis wir draufkommen, daß es irgendwie nicht billiger geworden ist.
Bei der Gelben Post wird es mit dem freien Markt schon schwieriger – wer könnte schon einen paralellen Zustelldienst in den selben Ausmaßen aufbauen? Wahrscheinlich werden wir bald ein „neues Produkt” beworben sehen: die „gleich-morgen-Briefzustellung” innerhalb Wiens, die dann natürlich etwas teurer ist als die Gewöhnliche (die ja jetzt nicht mehr gleich morgen erfolgt)... Auch die Schließung kleinerer, weniger frequentierter Postämter wurde schon überlegt, weil eben Profit das zentrale Interesse sein muß.
3.000 weniger = mehr Service?
„Rationalisierungsmaßnahmen im Personalbereich” heißt die Zauberformel. Die Gewerkschaft beruhigt: „sozial verträglich” weil mittels Vorruhestandsmodellen u.ä. Seit der Ausgliederung wurden mehr als 3.000 „MitarbeiterInnen abgebaut”. Die Arbeitsbelastung der Einzelnen ist natürlich dementsprechend gestiegen. Wo nicht beinhart abgebaut werden kann, wird anders gespart: Zuschläge (z.B. der Weihnachtszuschlag für Paketdienst) wurden gestrichen oder gekürzt, fest Angestellte durch billigere Aushilfskräfte mit 3-Monatsverträgen ersetzt. Überstunden sind keine freiwillige, außerordentliche Mehrleistung mehr, sondern fixer Bestandteil in der Personalplanung. Jobunsicherheit wirkt ja bekanntlich Wunder bei der Bereitschaft, nach Bedarf zur Verfügung zu stehen. Und das „zusätzliche“ Geld haben die meisten auch dringend nötig. Detail am Rande: Auf Managementebene wurde ausgebaut und Gehälter erhöht...
Wie schaut’s aus am Postamt?
Ich habe einige Monate in einem Postamt gearbeitet. 40 Stden/Wo, 9.000 netto, Arbeitsbeginn 6 Uhr. Eine ganze Reihe von KollegInnen mußten fast täglich um 4 Uhr beginnen – Personalmangel beim Vorsortieren. Ein Gewerkschafter hat errechnet, daß das vorhandene Aushilfspersonal genau ausreicht, um alle Urlaube abzudecken. Jeder Krankenstand bedeutet daher „Engpaß”. Wochenlang mußten ZustellerInnen täglich noch Häuser kranker KollegInnen mitbetreuen. Der Druck der Amtsleitung auf Mehrleistung war enorm, das Arbeitsklima war dementsprechend unerträglich. KollegInnen die einen Tag Pflegefreistellung genommen haben, Arztbesuche oder Amtswege zu erledigen hatten, mußten sich gegen den Zorn der Überstundenzwangsbeglückten wehren. Außerdem wurden sie zur Amtsleitung zitiert und nach allen Regeln der Kunst bearbeitet, es sich doch anders zu überlegen. Reihenweise standen die die eigentlich im (Pflege-) Urlaub und sogar im Krankenstand waren, frühmorgens im Postamt, um zumindest die Vorarbeit zu erledigen! Weil der/die Kollege/-in doch sicher nicht will, daß ihre (!) KundInnen die Post nicht pünktlich kriegen.
Die Gewerkschaft schaut zu?
Die Postgewerkschaft spielte schon bei den Umstrukturierungen eine wichtige Rolle darin, die Verschlechterungen den KollegInnen zu verkaufen. Jetzt macht der Vorsitzende schon Vorschläge für neue Aufgaben für Postler, wie Strom ablesen, Medikamente besorgen, etc, „Effizienzsteigerung” nennen sie das. Bald werden Modelle vorgestellt werden, wie das aus Japan, wo Briefträger offiziell als Altenbetreuer nebenbei Einkäufe erledigen und Regale montieren (wo sie doch eh vorbeischauen...)
Erste Reaktion der KollegInnen: Sie treten in Gruppen aus der Gewerkschaft aus. Wenn es aber Gerüchte gab, daß sich KollegInnen zur Wehr setzen, wurde das allgemein begrüßt: In einem Postamt sollen sich am Tag der Umstellung rund 15 KollegInnen krank gemeldet haben. Es wäre notwendig, die Gewerkschaft dazu zu zwingen, Proteste zu organisieren, zu unterstützen und für den Stop bzw. die Rücknahme der Rationalisierungen und in letzter Konsequenz der Privatisierung zu kämpfen.