Do 01.07.1999
Nicht jede oder jeder, der/die arbeitslos ist, wird vom Arbeitsmarktservice (AMS) betreut. Gerade Frauen verlieren oft nach der Karenzzeit ihren Job, melden sich aber nicht arbeitslos, weil sie sich entscheiden, doch „zu Hause“ zu bleiben. Wie sieht nun die Situation jener Menschen aus, die diese „Betreuung genießen” und darum Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bekommen? Die Bundesregierung rühmt sich, daß die Arbeitslosenzahlen zurückgehen. Stimmt das wirklich? Und warum? Ein Blick auf die Realität hinter den Zeitungsmeldungen.
Auf dem Rücken der Arbeitslosen wurden in diesem Jahrzehnt zwei Sparpakete geschnürt. Beim Arbeitslosengeld (in den ersten 6 Monaten der Arbeitslosigkeit) wurde der Berechnungszeitraum ausgedehnt und verschlechtert. Dienten früher die letzten 6 Monate der Erwerbstätigkeit als Grundlage, so wird jetzt das Vorjahr oder das Vorvorjahr zur Berechnung herangezogen. Meistens finden Lohnerhöhungen, Biennalsprünge oder ähnliches aber zum Jahreswechsel statt. Diese fallen dann aus der Berechnungsgrundlage, was sich negativ auf die Höhe des Arbeitslosengeldes auswirkt.
Von der Hand in den Mund leben ...
Mehr als 10% der Bezieher und fast die Hälfte der Bezieherinnen des Arbeitslosengeldes erhalten mittlerweile weniger als 7.000,- öS. Die Zahlen bei der Notstandshilfe sind noch krasser: 30% der männlichen und 60% der weiblichen Betroffenen fallen unter diese Grenze. Durch die Berechnungsmethode wird die Notstandshilfe auch bei jeder der jährlichen Neuberechnungen kleiner, vor allem BezieherInnen, die einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen sind davon stark betroffen.
Frauen besonders betroffen
Auffallend sind die Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Ursachen dafür: Frauen haben oft die schlechteren Jobs und arbeiten oftmals Teilzeit. Dazu kommt, daß bei der Notstandshilfe das „Partnereinkommen“ in die Berechnung einbezogen wird. Verdient der/die PartnerIn mehr als 6.000,- öS, so wird die Notstandshilfe gekürzt. Gibt es unterhaltspflichtige Kinder, so wird der Betrag geringfügig erhöht. Oft fällt durch diese Berechnungsmethode die Notstandshilfe sogar ganz aus, was sich zusätzlich noch negativ auf die Pension auswirkt.
Nach dem „großen“ Sparpaket ´96 gibt es jetzt tägliche „kleine Sparpakete“, vor allem durch die Verschärfung der „Zumutbarkeitsbestimmungen“. Rund 30.000 Frauen wurde im Vorjahr die Arbeitslose verwehrt. Beispiele: Eine Frau hatte „überhöhte Gehaltsforderungen“ (Zitat aus einem ablehnenden Bescheid) – sie forderte beim Vorstellungsgespräch 9.000,- öS anstelle von 7.000,- öS. Frau M. wurde die Notstandshilfe entzogen, weil sie ein schwerkrankes Kind zu versorgen hat und daher dem „Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht“. Sie lebt heute von der Sozialhilfe. Frau K. wurde die Abmeldung von der Notstandshilfe empfohlen, weil sie dann „dem Druck der Arbeitsvermittlung nicht mehr ausgesetzt“ ist. Der Alleinerzieherin Frau H. wurde die Notstandshilfe von 3.000,- öS gestrichen, da keine „Notlage“ vorlag – sie bekam nämlich noch 3.000,- öS Unterhaltszahlung von ihrem Ex-Mann. Sie lebt heute, mit 48 Jahren, von Ersparnissen und muß von ihren Eltern unterstützt werden!
(Alle Beispiele stammen von der Arbeitsgemeinschaft Frauen und Armut)
Kein Herz für Mütter und Kinder
Auf Mütter mit Betreuungspflichten wird nur mehr in den ersten 6 Monaten der Arbeitslosigkeit Rücksicht genommen, legt die Dienstanweisung 6/7 der Sozialministerin vom Frühjahr 1998 fest. Danach muß auch ein Job angenommen werden, wenn keine Kinderbetreuung zu Verfügung steht.
Michael T. war bis Juli 98 bei AMS-Wien/Geschäftsstelle Bekleidung, Druck und Papier tätig. Er schreibt in seinem Kündigungsschreiben: „Die Dienstanweisung 6/7 schreibt mir vor, alle Mütter mit Betreuungspflichten aus dem Arbeitsmarkt wegzudrängen. Sie sollen zur Abmeldung des Arbeitslosenbezugs überredet, oder über Sanktionen in die Sozialhilfe gedrängt werden.“ Und weiter: „380 Mütter hätte ich in den folgenden 6 Monaten aus dem Bezug drängen sollen“. Er kündigte bei AMS, weil er dies mit seinem Gewissen nicht vereinbaren konnte.
Keine Trendwende in Sicht
Auch zur Annahme von Teilzeit-jobs mit sehr geringem Verdienst werden immer mehr Menschen gezwungen. Ginge es nach der FPÖ, wäre nach 6 Monaten sowieso Schluß mit der Arbeitslosenunterstützung (siehe täglich Alles vom 10.8.97).
Zynisch ist es auch, wenn Regierungspolitiker von einem Rückgang der Arbeitslosenzahlen oder gar von einer „Trendwende am Arbeitsmarkt“ sprechen. Diese Trendwende ist wahrscheinlich reine Statistikfälschung zu Wahlkampfzwecken. Geht man davon aus, daß im Jahresdurchschnitt ca. 250.000 Menschen beim AMS als arbeitsuchend gemeldet sind, so verschwinden ab Mai 99 schrittweise 43.000 Menschen in „Schulungsmaßnahmen“ (siehe Vorwärts 94 – Juni/Juli 1999), das sind im Schnitt 7.200 Menschen monatlich. Sie scheinen dann nicht mehr in der Statistik auf. Die zweite Frage: Was passiert mit denjenigen, die aufgrund der Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen die Unterstützung verloren haben?
Geschönte Statistik
AMS-Wien war zu keiner Stellungnahme fähig, ob die mehr als 30.000 Verweigerungen bzw. Sperrungen in die Arbeitslosenstatistik eingehen oder nicht. Anneliese Erdemgil-Brandstätter von der „Arbeitsgemeinschaft Frauen und Armut“: „Seitdem Betreuungspflichten von Frauen mit Kindern nicht länger als Grund für die Nichtannahme eines Arbeitsplatzes akzeptiert werden, verlieren viele Mütter den Anspruch auf Arbeitslose oder Notstand und verschwinden somit aus der Statistik“.
Addiert man die Leute in Kursen und die Sperrungen zu den offiziellen Arbeitslosenzahlen, so erkennt man, daß hier nur das Wählervolk für blöd verkauft werden soll. Welche Qualität allfällige neue Jobs heute haben ist dann natürlich eine andere Frage.