So 05.04.2020
Er macht sich Sorgen, wer denn „die Zeche zahlen wird“ und dass womöglich eine Vermögenssteuer eingeführt werden könnte. Herr Schellhorn kann beruhigt werden: Die Gesellschaft ist längst gespalten in jene die kassieren und jene, die zahlen. Die Profiteur*innen haben logischerweise Interesse daran, das zu leugnen. Sonst könnten ja die Zahlenden (die in der Mehrheit sind) draufkommen, dass da was nicht stimmt und das zu ändern versuchen. Herr Schellhorn kann auch in anderer Hinsicht beruhigt werden: Er hat die Gewerkschaftsführung auf seiner Seite. Die tut alles in Zusammenarbeit mit der Regierung, dass auch die Corona-Krise von den „Richtigen“ (also von den Arbeitnehmer*innen) bezahlt wird und dass genau das gleichzeitig geleugnet wird („Team Österreich“).
Wie es denen geht, die die Profite erarbeiten
In wenigen Tagen sind zusätzlich 200.000 Menschen arbeitslos geworden – weitere werden folgen. Die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordhöchststand. Unternehmen sind nicht verpflichtet, Kurzarbeit für ihre Beschäftigten zu beantragen. Dort, wo dies dennoch geschieht, kostet das die Unternehmer*innen keinen Cent, die Arbeitnehmer*innen verlieren hingegen 10% ihres Einkommens (https://www.slp.at/artikel/mogelpackung-kurzarbeit-9988)
Prekär Beschäftigte haben gar kein Einkommen mehr. Wie sie die nächste Miete zahlen sollen, bleibt unbeantwortet, während für Unternehmen schon Erleichterungen für Mietzahlungen geschaffen wurden. Eine Stundung auf „nach Corona“ ist hier nur eine Scheinlösung, da ja völlig unklar ist, woher die Betroffenen „danach“ das Geld nehmen sollen, wenn sie kein Einkommen haben!
Beschäftigte müssen – Unternehmen können: Zweierlei Maß!
Für Unternehmen gibt es keine ausdrückliche Verpflichtung, für Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz zu sorgen. Ebensowenig gibt es eine Verpflichtung zur Freistellung, wenn Schutz nicht möglich ist. Im Gegenteil: Wer Angst hat und nicht kommt, riskiert, wegen angeblich unentschuldigten Fernbleibens entlassen zu werden oder unbezahlt zu bleiben. Die Regelung für Risikogruppen ist unklar und schiebt die Verantwortung auf die Beschäftigten – überhaupt unklar ist es, wenn Beschäftigte mit Menschen im gleichen Haushalt leben, die zur Risikogruppe gehören. Wo im Homeoffice gearbeitet wird, steigt die Ausbeutung, weil die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit zerfließt und ständige Erreichbarkeit erwartet wird. Unternehmen können damit den gesamten Aufwand der Arbeitsmittel wie Kosten für Software, Hardware, Telekommunikation inklusive Datenschutz und IT-Sicherheit sowie damit verbundene Risiken auf Beschäftigte abwälzen. Wenn das Homeoffice nicht funktioniert, könnten Unternehmen auch einen Stillstand des Betriebes aufgrund höherer Gewalt behaupten und nach der neuen Regelung Zwangsurlaub anordnen.
Wo die Arbeit auf Grund höherer Gewalt in neutraler Sphäre (also die Allgemeinheit betreffend) stillsteht, müssten Firmen keine Löhne mehr zahlen. Das wurde vermeintlich geändert, de facto aber einzementiert: Nun muss Urlaub konsumiert werden. Das Ergebnis ist das Selbe. Der Stillstand geht zu 100% auf Kosten der Beschäftigten, die mit ihrem Erholungsurlaub zahlen. Unternehmen kostet das keinen Cent. Was passiert, wenn jemand keinen Urlaubsanspruch mehr hat, blieb unbeantwortet.
Für die Held*innen nur ein „feuchter Händedruck“
Die bis zur Erschöpfung arbeitenden Held*innen der Corona-Krise in Lebensmittelhandel, Infrastruktur und Gesundheitswesen bekommen Applaus. Kaufen können sie sich davon nichts. Von Lohnerhöhung oder Arbeitszeitverkürzung ist keine Rede. Die meisten bekommen weiterhin Hungerlöhne.
Im privaten Sozialbereich werden ebenfalls bis zur Erschöpfung weiter Wohnungslose, Jugendliche, Geflüchtete, Hochbetagte und Menschen mit besonderen Bedürfnissen betreut – unter extremen Bedingungen. Die Beschäftigten waren schon vor der Corona-Krise am Ende ihrer Kräfte und kämpfen deshalb auch und insbesondere im Interesse ihrer Klient*innen für eine Arbeitszeitverkürzung. Der geplante Streik für die Arbeitszeitverkürzung wird nun selbst von Gewerkschaftsführung und Betriebsräten empört zurückgewiesen. Wie praktisch für die Arbeitgeber*innen….
Den Klient*innen der ausgebrannten Beschäftigten hilft das freilich nichts: Die von Schellhorn und Co. eingeforderte „Solidarität“ unter dem Titel „Team Österreich“ gilt nicht für sie. Oder hat jemand schon von Regierungsseite etwas gehört von Wohnungen für Obdachlose? Wo sollen diejenigen zu Hause bleiben, die keines haben?
Zu Hause bleiben, aber wo?
Die verheerende Wohnsituation vor allem in Wien wird gekonnt übergangen. Aus schönen Dachterrassenwohnungen und Häusern mit Garten dringen Videobotschaften in die Welt, während Bauarbeiter*innen in Massenunterkünften, Migrant*innen in verschmutzten, unbetreuten Spekulationsobjekten, Armutsbetroffene in schimmligen winzigen Wohnungen, Geflüchtete in engen Unterkünften und Frauen in Gewaltbeziehungen leben müssen. Das ist gefährlich. Abstand und zu Hause bleiben sind momentan entscheidend im Kampf gegen die Verbreitung des Corona-Virus. Damit wird Wohnen zur zentralen Frage. Kein Bild, kein Ton über Wohnungen von der Regierung. Schon längst müsste Wohnen leistbar gemacht werden, erst recht in der Corona-Krise. Jetzt ist es höchste Zeit, leerstehende Wohnungen zu enteignen sowie Hotels als Wohnraum zur Verfügung zu stellen und nicht genutzte Gebäude als Wohnraum zu adaptieren. Sämtliche Befristungen bei Wohnungsmieten müssen sofort ersatzlos weg und Mieten müssen gerade jetzt, sofort und für alle Wohnungen gesenkt und gedeckelt werden. Bei erwiesener Bedürftigkeit muss die Mietzahlung ausgesetzt werden!
Wer hat, dem wird gegeben, auch in Zeiten von Corona
Unternehmen bekommen Geld für Härtefälle, um ihre Zahlungen tätigen zu können. Wie viele Menschen aus ihren Wohnungen delogiert werden, weil sie jetzt keine Miete zahlen können, werden wir erst später wissen. Wie viele von der Außenwelt abgeschnitten sind, weil sie ihre Rechnung für Telekommunikation nicht zahlen können, ist auch offen. Sicher ist eines: Es wird überdurchschnittlich Migrant*innen und Frauen treffen, die weniger Einkommen haben.
Unternehmen bekommen 38 Milliarden. Für die arbeitenden Menschen war bis jetzt nicht von einem einzigen Cent zu hören. Für Arbeitslose, Einkommensschwache, Armutsbetroffene und Menschen in ohnehin schwacher sozialer und prekärer Lebenssituation, die jetzt verschärft ist, hat die Regierung nichts übrig. So lautet derzeit die Antwort, wer die Zeche zahlt, Herr Schellhorn. Aber vielleicht ist Ihre Sorge ja doch nicht ganz unberechtigt: Es ist nicht auszuschließen, dass die Zahlenden gerade in oder nach der Corona-Krise sich zusammentun und draufkommen, dass mit dieser Rechnung was nicht stimmt und wer da auf ihre Kosten konsumiert.
Wir fordern:
- Wohnen sofort leistbar machen: Bei erwiesener Bedürftigkeit sofortige Befreiung von der Wohnungs-Mietzahlung. Sofortiger Mietdeckel und sofortige automatische gesetzliche Verlängerung aller Befristungen von Wohnungsmietverträgen um die Dauer der Covid-19-Maßnahmen
- Wo Wohnraum aus Spekulationsgründen leersteht, muss dieser sofort geöffnet werden für Wohnungslose, für Menschen die in Massenquartieren und in überfüllten Wohnungen leben müssen. Nutzung von leerstehenden Hotels für den selben Zweck. Ersatz nur bei erwiesener Bedürftigkeit und nur im Ausmaß von tatsächlich anfallenden Kosten (für Wasser und Strom z.B.) – keine Profite mit Corona!
Wir stellen seit Jahrzehnten alle unsere Artikel, Zeitungen und Broschüren kostenlos zur Verfügung und werden das auch in Zukunft nicht ändern. Der Zugang zu Information darf nicht am Geld scheitern. Um all das aber weiter produzieren zu können ersuchen wir unsere Leser*innen darum, uns “Lesespenden” zu überweisen.
Unser Konto IBAN: AT256000000008812733 BIC: OPSKATWW
Oder direkt hier: https://www.slp.at/corona-spenden