Mo 01.02.1999
Will man diversen Medikamentenwerbungen und Ärzteserien Glauben schenken, so würde der Schluß auf der Hand liegen: Medizin und Pharmaindustrie streben ausschließlich unser Wohl an. „Doch Geld regiert (auch hier) die Welt: Rentabilität bzw. unverhohlenes Profitstreben sind die bestimmenden Faktoren in Gesundheitssystem und medizinischer Forschung.
Aber gerade das Profitstreben in der Forschung ist keineswegs eine Ausgeburt der 90er; nur werden in aller Regel nur besonders spektakuläre Fälle bekannt. Wie z. B. der noch aus den Fünfzigern datierende Fall einer amerikanischen Krebspatientin, der – wie in solchen Fällen üblich – Tumorzellen zur weiteren Untersuchung entnommen wurden. Die Zellen erwiesen sich auch außerhalb des Körpers außergewöhnlich widerstandsfähig, überlebten und vermehrten sich weiter. Ohne die Patientin zu informieren, wurden die gewonnenen Kulturen dieser „HeLa“-Zellen (die Bezeichnung stammt vom Namen der Patientin) an die Pharmaindustrie verkauft. Durch Forschung an den „HeLa“-Zellen (die bis heute existieren) konnten sog. „Zytostatika“ (Medikamente, die das Wachstum von Krebsgeschwulsten hemmen) entwickelt werden, die heute unverzichtbarer Bestandteil nahezu jeder Krebstherapie sind und ihren Erzeugern satte Gewinne einbringen. Die Angehörigen der Patientin haben von diesem Geld keinen Groschen bekommen. Waren solche Vorfälle schon schlimm genug, so treibt die Profitgier der Pharmahersteller mittlerweile schon perverse Blüten.
Forschung – gegen- statt miteinander
Einzelnen Konzerne betreiben nebeneinander Aids-Forschung, ohne jemals die Forschungsergebnisse untereinander auszutauschen bzw. drosseln die Investitionen in diesem Bereich, weil Aids-Heilmittel oder -Impfstoffe nicht genug Profit versprechen. Andererseits wird bei gewinnträchtigen Projekten keine Sekunde gezögert, sie möglichst rasch zu „verwursten“. So geschehen im August 1998, als am Institut für Mikrobiologie und Genetik der Uni Wien
die Möglichkeit einer „Impfung“ gegen Krebs in greifbare Nähe rückte. Über Jahre hinweg war an dieser Impfung – durch Steuergelder finanziert – geforscht worden. Kaum waren konkrete Ergebnisse da, wurde vom Institutsvorstand Prof. Alexander von Gabain sowie vom Vorstand des Instituts für molekulare Pathologie (ein Forschungsinstitut des Pharmakonzerns Boehringer-Ingelheim), Max Birnstiel, die Firma „Intercell“ gegründet. Diese wird nun quasi den Rahm der universitären Forschung abschöpfen. Daß den Firmengründern ausschließlich am Wohl der Menschheit gelegen ist, darf bezweifelt werden.
Ein weiterer Grund, um an den salbungsvollen Worten der Pharmaerzeugern zu zweifeln, ist die auch in Österreich wachsende Zahl der sog. OTC („Over the Counter“)-Medikamente, die in Zusammenarbeit mit ÄrztInnen und Kassen rezeptfrei gegeben werden. Das neoliberale Schlagwort „Eigenverantwortung“ taucht auch in diesem Zusammenhang wieder auf – mit „Selbstmedikation“ sollen die Menschen ihre Alltagsleiden kurieren. Das dadurch entstehende hohe Risiko des massiven Medikamentenmißbrauchs wird in den Broschüren und Fachblättern verschwiegen. Doch ist auch dies nur ein Mosaiksteinchen im Gesamtbild „Abbau des öffentlichen Gesundheitssystems/ Festigung der Klassenmedizin“. Klassenmedizin bedeutet konkret: (schlechter werdende) medizinische Basisversorgung für die breite Masse, Spitzenmedizin mit allen Finessen nur für Privilegierte (d. h. PatientInnen mit Zusatzversicherung, PrivatpatientInnen etc.). Eine Ungerechtigkeit, der zu allem Überdruß auch Teile der ÄrztInnenschaft unverhohlen Beifall spenden – kein Wunder, können doch auch sie sich ein großes Stück vom Privatversicherungshonorarskuchen abschneiden.
Ärzte „schneiden“ mit
Bekannt werden auch hier nur die wirklich spektakulären Fälle, z. B. wenn ein Primararzt Patienten aus seiner Privatordination in einem öffentlichen Spital behandeln läßt und gleichzeitig die vollen Privathonorare kassiert. Diesem von Profitgier und Zynismus geprägten „Gesundheitssystem“, in dem anscheinend manche PatientInnen gleicher sind als andere, erteilt die SOV eine klare Absage. Wir fordern eine einheitliche Krankenversicherung, die allen PatientInnen die gleiche bestmögliche Versorgung garantiert. Sämtliche Hersteller von Medikamenten und medizinischen Bedarfsartikeln müssen vergesellschaftet sowie alle Privatkliniken und Arztpraxen in das öffentliche Gesundheitssystem integriert werden. So könnte auch die Medizin endlich auf ihren eigentlichen Zweck – den Kampf gegen Krankheit und Tod – zurückgeführt werden.