Gesundheitsreform: ein kleiner Wurf… Richtung Privatisierung

Jan Millonig, Pfleger

Die Zwei-Klassen-Medizin ist in Österreich längst Realität. Das Kaputtsparen des öffentlichen Gesundheitssystems bringt immer mehr Menschen - die es sich leisten können - dazu, sich privat zu versichern, um im Krankheitsfall besser oder überhaupt behandelt zu werden. Aber auch das Wahlärzt*innensystem, wo der Staat Ärzt*innen und Privatpatient*innen de facto dafür belohnt, privat auszuweichen, und die Flucht von immer mehr Ärzt*innen aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen in den Spitälern hungert das öffentliche Gesundheitswesen zugunsten des privaten Sektors immer mehr aus. Dieses ganz offizielle System von „warte oder zahle“ öffnet natürlich auch inoffizieller Korruption Tür und Tor. So brachte jüngst eine Studie hervor, dass es durchaus verbreitete Praxis ist, Patient*innen für Geld-Zuwendungen vorzureihen. 

Privatisierung in Österreich

Direkte Privatisierung auf struktureller Ebene steckt in Österreich da noch (!) in den Kinderschuhen. Auch wenn fast die Hälfte aller Krankenanstalten privat (geistliche Orden, pro mente usw.) sind, arbeiten die allermeisten gemeinnützig. Doch es ist gang und gäbe, einzelne Aufgaben wie die Reinigung an private Firmen zu vergeben. Ein besonders perfides Beispiel ist die Beauftragung externer Radiologie-Befunde in der Klinik Ottakring aufgrund von Personalmangel, wo der Anbieter 200-350 Euro pro Stunde bekommt, anstatt dieses Geld zur Verbesserung der Bedingungen der angestellten Ärzt*innen zu verwenden. Das wurde VORWÄRTS-Redakteur*innen so auf dem Protest der Wiener Spitalsärzt*innen von Beschäftigten erzählt. So fand nicht zufällig genau in diesem Spital letztes Jahr ein wilder Streik der Ärzt*innen statt. 

Deutschland ist hier schon „weiter“ und zeigt uns, was uns noch blühen könnte: Großkonzerne haben hier vielerorts den Betrieb von öffentlichen Spitälern übernommen, kassieren Krankenkassenpauschalen und schlagen aus der Differenz zum tatsächlichen Aufwand Profit, selbstredend auf Kosten der Behandlungsqualität, Löhne und Arbeitsbedingungen des Personals. 

Rauch wirft den ersten Stein

Einen ersten Schritt in diese Richtung hat jetzt der grüne Gesundheitsminister Rauch mit der aktuellen Gesundheits„reform“ gesetzt. Nun können private Anbieter selbst Ambulatorien eröffnen - eine weitere Maßnahme, dem Defizit im niedergelassenen Bereich mit privatwirtschaftlichen Lösungen zu begegnen. Bablers (SPÖ) eigentlich recht zahme Forderung nach der Verpflichtung eines kleinen Teils (!) der Leistung von Wahlärzt*innen für Kassenpatient*innen und einer Terminpflicht lässt aufhorchen. Doch wie so oft bleibt er uns leider eine Erklärung, wie das umgesetzt werden soll, schuldig.

Symptombekämpfung durch gesetzliche „Garantien“ wird ein System, das aufgrund seiner Struktur Ungleichheit und Personalnotstand erzeugt, nicht ändern. Es braucht dringend einen Kampf für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen für alle Berufsgruppen und mehr Mittel für einen Bereich, der seit Jahrzehnten ausgeblutet wird. Gleichzeitig dürfen wir profitorientierten Anbietern nicht erlauben, mit unserer Gesundheit Geschäfte zu machen. Wir wollen ein kostenloses Gesundheitssystem, das allen die notwendige Behandlung anbieten kann!

All das ist leicht finanzierbar - mit dem Geld der Superreichen und Konzerne, die sogar während der Corona-Pandemie noch reicher geworden sind, während die Kolleg*innen im Gesundheits- und Pflegebereich nicht mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht.

 

INFO: 

Der Anteil von privat versicherten Patient*innen stieg seit 2023 von 31 auf aktuell 38 %. Durch die Rückerstattung eines – wenn auch kleinen – Teils der Wahlärzt*innenkosten durch die Krankenkassa fördert der Staat so den Privatsektor – ein Widerspruch zur Idee der solidarischen Krankenversicherung. Die ISA kämpft hingegen für ein kostenfreies Gesundheitssystem ohne die Notwendigkeit von Sozialversicherungen.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: