Mi 01.11.2000
Traditionell wurden die diesjährigen Lohnverhandlungen wieder mit der "Metallerlohnrunde" eröffnet. Das Ergebnis war eine Istlohnerhöhung um 3,4% (und KV - also Mindestgehälter 3,7%) mindestens jedoch ATS 650,-. Im Bereich Handel ist der derzeitige Stand der Verhandlungen eine Forderung von 3,4%, aber mindestens ATS 600,-, die Arbeitgeberseite will jedoch nur eine Steigerung von 1,9% bzw. mindestens ATS 300,- bieten.
Ein weiterer sehr strittiger Punkt sind hier auch die arbeitsrechtlichen Bedingungen für die Handelsangestell-ten, die durch die neue Regierung noch einschneidender verschlechtert wurden (Vorwärts berichtete). Bei Redaktionsschluß lag noch kein Ver-handlungsergebnis vor.
Insgesamt war die Ausgangsbedingung eine momentan sehr gute Konjunktur. Die Gewerkschaft kündigte an, Verschlechterungen der Regierung in den KV-Verhandlungen zurückzuholen oder zumindest zu berücksichtigen. Denn die zusätzlichen Gebühren und Steuererhö-hungen belasten die unteren Einkom-mensschichten massiv und wirken sich zusätzlich bereits in Form einer gestiegenen Inflationsrate aus. Auch der gestiegene Rohölpreis treibt die Inflation in die Höhe.
Der neue Trick: Kerninflation
Diesen Umstand bringt die Arbeitgeber-seite zu einem verqueren Argument für Lohnabschlüsse unter der Inflationsrate: Denn es sollte nur die "inländische" Inflationsrate - bereinigt um die gestiegenen Energiepreise berücksichtigt werden, weil - nach ihrer Ansicht nicht die Preise der in Österreich hergestellten Produkte so gestiegen sind, sondern "nur" das Benzin, und daher keine Lohnerhöhungen weitergegeben werden können. Von einer tatsächlichen Lohn-erhöhung kann man/frau aber eigentlich nur dann sprechen, wenn die Inflation plus die Produktivitätssteigerung abgegolten wird, und es außerdem Mindest-beträge gibt, um die sich der Lohn auf jeden Fall erhöht.
Denn eine Inflationsagbeltung von ca. 3% kann eine Preissteigerung in einem Haushalt mit Durchnittsverdienst wettmachen. Wenn das Einkommen aber nur ATS 10.000,- brutto beträgt und damit eine 3%ige Erhöhung ATS 300,- ausmacht, klafft eine große Lücke auf. Weil einerseits die Preiserhöhungen absolut höher ins Gewicht fallen und die Mehrbelas-tungen durch die Regierung (Heizöl, höhere Rezeptgebühren und Selbst-behalte sowie eine generelle Abgaben-erhöhung) mehr ausmachen.
Die soziale Abwärtsspirale dreht sich weiter nach unten
Wenn Löhne nicht um die Inflation und die Produktivitätssteigerung wachsen, verschiebt sich die Einkommensvertei-lung zugunsten der Gewinneinkommen und die Lohnquote wird weiterhin sinken. Die bereits erwähnte tatsächliche Lohnerhöhung ist nicht einmal bei den Metallern erreicht worden, wo zwar die Inflationsrate abgegolten wurde, aber die Produktivitätssteigerung kaum beachtet wurde. Hinsichtlich der guten Konjunktur ist dieser Abschluss zwar immer noch besser als so manche andere, aber dennoch kein Erfolg. Auf die Spitze getrieben hat es da der Verhandlungsführer der Arbeitgeberseite der Agrar-Nahrungs- und Genußmittel-industrie Schlumberger. Er hat eine Einkommenserhöhung völlig verweigert, trotz einer Produktivitätssteigerung von 15%, einer positiven Branchenbilanz und einem Jahresüberschuß von 46%. Während der Produktion des Vorwärts wurde gerade über Kampfmaßnahmen bei einer Betriebsrätekonferenz verhandelt. Sollte die Arbeitgeberseite mit ihren Forderungen durchkommen, würde das bei 90% der Beschäftigten Realeinkommensverluste bedeuten.
Die niedrigen Einkommensgewinne beziehungsweise extremen Einkommens-verluste lassen das Realeinkommen sinken, was vor dem Hintergrund einer kletternden Inflation und eines Steigens der Benzinpreise und der rollenden Belastungen auch einen Haushalt mit Durchschnittseinkommen immer mehr ausbluten läßt.