Kollektivverträge verhandeln, aber wie?

von Michael Gehmacher, Betriebsrat beim Samariterbund Wien - Wohnen & Soziale Dienste, aktiv bei “sozial aber nicht blöd”

Im Oktober starten die Lohn- und Gehaltsverhandlungen im Sozialbereich. Den Auftakt macht der Kollektivvertrag für die Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ-KV). Dabei stellt sich die Frage: was sollte die Rolle der Verhandler*innen bei diesem Prozess sein? 

Gute Kollektivvertragsverhandlungen sind Lohnbewegungen. Sie sind ein politischer Hebel, um Verbesserungen zu erkämpfen. Verhandler*innen sollten hier eine treibende Kraft sein. Mit Betriebsversammlungen, Abstimmungen in den Betrieben usw. können viele Kolleg*innen schon beim Entwickeln und Aufstellen von Forderungen mitmachen. Betriebsrät*innen der ISA versuchen dies schon jetzt umzusetzen, so gab es z.B. beim Samariterbund eine Betriebsversammlung zum Auftakt der SWÖ-KV-Verhandlungen. 

Die Verhandler*innen sind in ein kleines und ein großes Team geteilt. Das „kleine Team“ verhandelt direkt mit den Arbeitgebervertreter*innen. Aufgabe der Verhandler*innen im „großen Team“ ist es, möglichst genau Berichte einzufordern, Berichte, Forderungen und Untergrenzen zu debattieren und verbindlich zu beschließen. Jede Form der Geheimhaltung ist hier falsch. Je offener die Verhandlungen, desto größer der Schutz vor „Hinterzimmerdeals“ und schlechten Abschlüssen. Das Beste wäre es, diese Verhandlungen per Video zu übertragen.

Demokratische Entscheidungen ermöglichen

Aufgabe von Verhandler*innen ist es auch, an die jeweilige Situation angepasste Entscheidungen und Entscheidungswege vorzuschlagen. Wenn die Verhandlungen schwierig werden, ist es z.B. besser sich Zeit für eine bundeweite Betriebsrät*innenkonferenz zu nehmen und dort offen über die nächsten Schritte zu reden und abzustimmen. Am Ende des vorläufigen Verhandlungsprozesses sollten die zuständigen Gewerkschaften Urabstimmungen organisieren.  

Verhandler*innen brauchen einen kämpferischen Plan

 „Streik ist das allerletzte Mittel“ - so oder so ähnlich heißt es oft von älteren Gewerkschafter*innen. Diese Ansicht geht vom Bild aus, bei Verhandlungen würden sich zwei gleichstarke Parteien gegenüber sitzen und gleichberechtigt verhandeln. Dieses Bild war und ist falsch. Gerade im Sozialbereich und in der Pflege sitzt die öffentliche Hand als unsichtbarer Verhandlungspartner auf der Arbeitgeberseite. Mit dem Druck des Sparzwangs und den Sparpaketen, die für die Zeit nach der Nationalratswahl angekündigt wurden, entsteht ein großer Druck. Vor allem Betriebsrät*innen werden mit der Angst vor Arbeitsplatzabbau und Konkurs „weichgekocht“. Dazu kommt der Vergleich mit Arbeitnehmer*innen aus dem öffentlichen Dienst - die in „Sparzeiten“ oft wenig bekommen. In den Gremien häufen sich dann die scheinbar realistischen Wortmeldungen: „Sollen wir die Forderung X aufstellen? Sollen wir uns nicht lieber auf Y konzentrieren?“, oder „Wir können ja froh sein, wenn wir überhaupt Z erreichen“. Hier geht es darum, sich der eigenen Stärke bewusst zu werden, mit Kolleg*innen zu reden, sie einzubinden usw. Es braucht eine Organisierung von unten und möglichst flächendeckende Streiks. Sehr viele Menschen stehen hinter den Arbeitnehmer*innen in Pflege und Sozialbereich, diese Solidarität braucht auch Möglichkeiten sich auszudrücken, z.B. mit Solidaritätsdemos. Runtergebrochen auf die SWÖ-Verhandlungen heißt das: Wir dürfen nicht bis zur letzten offiziellen Verhandlungsrunde am 25. November warten. Sollten sich die Arbeitgeber nicht schon im Oktober auf uns zubewegen, muss rund um die zweite Verhandlungsrunde gestreikt werden. 

 

Sag's dem Michi!

Beim SWÖ-KV verhandelt der Bundesausschuss des GPA-Wirtschaftsbereichs (WB17) und ein Verhandlungsteam der Gewerkschaft VIDA. Letztes Jahr hat der “Gewerkschaftliche Linksblock” (GLB) den ISA-Aktivisten Michael Gehmacher in dieses Gremium entsandt. Wenn Du ein Anliegen für Sozialbereich und Pflege hast, schreib ihm!

E-Mail an: michael.gehmacher@gmx.at

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