Kommt nach Wende-Regierung jetzt die Wende-Sozialpartnerschaft?

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Franz Breier jun.

Dass mit Blau-Schwarz die österreichische Nachkriegsordnung nachhaltig verändert wurde, blieb auch dem ÖGB nicht verborgen. Der leitende Sekretär Leutner nahm zur Kenntnis, dass man "ganz anders gefordert" sei. Nun stellt sich die Frage, ob der ÖGB bei der Regierungspolitik wieder "mitgestalten" darf.

Der Kampfhund FPÖ kläffte, die Ablehnung allerseits war "überwältigend". SP-Fischer, VP-Rauch-Kallat, Wirtschaftskammer-Chef Leitl und diverse Experten wiesen Riess-Passers Vorstoß, Kammer- und Gewerkschaftsfunktionäre aus Parlament dem und öffentlichen Ämtern zu verbannen, "vehement'" zurück. Ein unbedeutendes Sommerloch? Nein, es ist symptomatisch.

Alte neue Partner

Leitl schmiedet mit Verzetnitsch seit Monaten eine neue "Wende-Sozialpartnerschaft". Man/frau solle "konstruktive Vorschläge" zur neuen Abfertigungsregelung und AMS-"Reform" einbringen. In diesem Zusammenhang hat sich jetzt auch SP-Chef Gusenbauer eingeschalten. Nach den ersten Angriffswellen auf die Sozialversicherung (SV) und Sallmutter suchte er nach einem für die Bürokraten vertretbaren Kompromiss bei der künftigen Besetzung der SV-Gremien. Sein Partner dabei: WK-Chef Leitl. Der Kämmerer bekommt von Seiten der ÖVP das Mäntelchen des Oppositionellen umgehängt. Dabei agiert er in vollem Einklang mit Schüssel und der VP-Führung. Der Unsicherheitsfaktor ist die FPÖ, die kaum in den klassischen Sozialpartner-Proporz eingebunden war.

Speed kills und Valium

Die bedeutsamen Streitigkeiten im VP-Arbeitnehmerbund, wo der AK-Vizechef von NÖ Dirnberger (von Khol anlässlich der ÖGB-Demo als "siebenter Zwerg" bezeichnet) von "offenem Bruch" innerhalb des ÖAAB sprach, sind letztlich Nebensache.  Die unterschiedlichen Konzepte innerhalb der Regierungsparteien ergänzen sich derzeit perfekt. Diese Arbeitsteilung auf den Punkt gebracht: FPÖVP ziehen ihr "speed kills" durch und die "Wende-Sozialpartnerschaft" gibt Valium aus. Verzetnitsch und Co. schlucken es dankend. Das Ziel ist, den ÖGB weg von der Straße zu bringen. Dass die nötige "Einbindung" nicht zu weit geht, dafür sorgen Schüssel und vor allem die FPÖ schon.

Post-Skandal

In diesem Licht ist auch die Post-Affäre zu sehen. In Zeiten von Postämter-Schließungen und massivem Personalabbau wird die Spitze der Personalvertretung vom Management in die Generaldirektion eingegliedert - natürlich mit dementsprechenden Gehaltssprüngen. Die Folge davon ist: Mangels organisierter gewerkschaftlicher Basisopposition hat die FPÖ leichtes Spiel, sich als Anti-Privilegien-Partei aufzuspielen. Das eigentliche Ziel der FPÖ ist die Schwächung der Gewerkschaften und der ArbeiterInnenklasse allgemein.
Und das gerade jetzt vor der ÖGB-Urabstimmung! Die Reaktionen sind verheerend. Mit der Offenlegung der Bezüge der ÖGB-Führung entblödet sie sich nicht, ihr “sozialpartnerschaftliches” Verständnis offenzulegen. Sinngemäß geben sie uns zu verstehen: “Wir verdienen doch gar nicht mehr als die Unternehmervertreter”. Das “was wollt ihr?” - können wir dazudenken.

Zukunftsfrage

Das Revival der "Wende-Sozialpartnerschaft" schadet der ArbeiterInnenklasse. Sie muss zur Verteidigung ihrer Interessen Führung und Politik der Gewerkschaft übernehmen. Während der Einfluß der Unternehmerpartei SPÖ auf die Gewerkschaften schwindet, treibt die noch aggressivere Unternehmerpartei FPÖ den ÖGB derzeit vor sich her. Doch anstatt selbst in die Offensive zu gehen, läßt sich die ÖGB-Führung zusehend das Heft immer weiter aus der Hand nehmen und verharrt in Passivität.

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