Mi 06.11.2013
In den letzten 13 Jahren haben wir eine Explosion an Superheldenfilmen gesehen. Viele waren an der Kasse wie auch bei der Kritik erfolgreich. Das spiegelt eine Unzufriedenheit in der Gesellschaft wider, besonders jetzt, wo die Weltwirtschaft weiter in die soziale Katastrophe holpert. Seit dem Jahr 2000 – beginnend mit den X-Men Filmen – hat es 17 verschiedene Superhelden-Filme unter den jeweiligen Top Ten bei den Einspielergebnissen gegeben. Je nachdem, wie eng man “Superheldenfilm” definiert, haben diese Filme zusammen 13-15 Milliarden Euro eingespielt. Das steht in scharfem Gegensatz zu den 1990ern. In der gesamten Dekade haben Superheldenfilme nur 1,5 Milliarden Euro eingespielt.
Was hat sich also verändert? Im Unterschied zu den 1990er Jahren, als die KapitalistInnen international den Sieg über den Sozialismus erklärt hatten, leben wir nun in einer Periode wirtschaftlicher Krise und Instabilität. Die Euphorie und das Selbstbewusstsein der KapitalistInnen ist Vergangenheit, nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Bewegungen in den 2000er Jahren. Der Einsatz der Krise 2008 hat diese Entwicklung zusätzlich verschärft. Diese Krise hat weltweit Millionen von Menschen den Job gekostet. Wir erleben gleichzeitig eine komplette Diskreditierung der Institutionen der bürgerlichen Demokratie. Von Wikileaks bis zum jüngsten NSA Skandal: Die Idee, dass die etablierten Parteien, die Medien oder das Gerichtssystem oder jeder andere Teil des kapitalistischen Establishment etwas anderes tun würden, als die Reichen und Mächtigen zu beschützen, ist offensichtlich falsch. Der Kapitalismus steckt in einer Sackgasse und die herrschende Klasse hat keinen Ausweg. ArbeitnehmerInnen stehen vor einer Zukunft, in der die (scheinbare) Sicherheit der Vergangenheit verschwunden ist. All das erzeugt ein massives Gefühl von Machtlosigkeit und Entfremdung. Manchmal scheint die einzige Lösung ein Superheld von oben zu sein, der uns rettet. Und genau darum geht es in Superheldenfilmen.
In den erfolgreichsten Superhelden-Trilogien, „Iron Man“ und die „Dark Knight-Trilogie“, ist die Lösung ein Mulimilliardär, der seinen Reichtum einsetzt, um gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen. Beide Filme spielen in recht realistischen Visionen der modernen Gesellschaft. Iron Man gewinnt de facto den Krieg in Afghanistan und gegen den Terrorismus, während Batman gegen Kriminalität in einer korrupten Stadt kämpft. Die Dark-Knight-Trilogie wurde in Chicago gefilmt, einer Stadt, die im Jahr auf 450 Mordfälle kommt – es braucht wenig Fantasie, um die Parallelen zu sehen. Diese Idee, die Hoffnung auf den Superhelden, hat eine reale Basis in der heutigen Gesellschaft – auch wenn sie keine Lösung ist. Ralph Nader, Aktivist und ehemaliger Präsidentschaftskandidat hat 2009 ein Buch namens “Nur die Superreichen können uns retten!” geschrieben. Die Idee hinter seinem Buch ist, dass Korruption nur mit genug Geld überwunden werden kann. Figuren wie Frank Stronach versuchen sich ähnlich zu inszenieren – als Big Spender, die sich nicht kaufen lassen. Dass sie freilich selbst “kaufen”, ist eine andere Sache. Der Superheld muss aber nicht immer reich sein – Peter Parker/Spiderman kommt aus der ArbeiterInnenklasse. Aber auch er erfüllt eine Hauptfunktion der Superhelden für den Kapitalismus: Er rettet letztlich das System, indem er die Gesellschaft von Problemen wie z.B. Kriminalität säubert – ohne jedoch die politischen oder wirtschaftlichen Rahmenbedingungen herauszufordern. Und er ist üblicherweise weiß, männlich und heterosexuell.
Nicht alle Superhelden-Filme fallen jedoch in dieses Erzählschema. Die X-Men Serie erzählt die Geschichte von genetisch mutierten Superhelden, die gehasst und gefürchtet werden und sich organisieren, um für gleiche Rechte zu kämpfen. Sie zieht Parallelen mit dem Kampf für LGBT-Rechte, als diese in den USA unter Beschuss waren. Aber das ist eher die Ausnahme – der dominante Trend sind die Bat- und Iron-Männer. Allen gemeinsam ist, dass sie stellvertretend für eine leidende, passive Masse die Verbesserungen erreichen.
Doch Probleme wie Kriminalität, Krieg, Armut und Korruption haben allesamt ihre Wurzeln in einem wirtschaftlichen und politischen System, das auf Profitmaximierung ausgerichtet ist anstatt auf die Bedürfnisse der Menschen. Es ist unrealistisch, dass uns ein paar reiche und/oder mit Superkräften ausgestattete Figuren vor den Auswüchsen des Kapitalismus retten, weil es genau dieses System ist, das sie reich macht und die Ungleichheit hervorbringt. Die Vision, die nicht in diesen Filmen gezeigt wird, ist jene des US-Rappers Guante in seinem Song “No Capes”: Seine Superhelden sind einfache Menschen, HausbesorgerInnen, JournalistInnen, AlleinerzieherInnen, GewerkschafterInnen und Flüchtlinge. Er schließt mit folgender Zeile: “Am Tag, nachdem Superman starb,/ hörten alle auf, in den Himmel zu starren / und sahen auf die Straße / und erkannten, dass wir alle bereits hier und jetzt Helden waren.”