Schwarzer Goldrausch und Kasino-Kapitalismus

Ein “schwarzer Goldrausch” ist im Aufschwung
Lynn Walsh, CWI

Vom steigenden Oelpreis profitierend, handeln die Spekulanten mit Milliarden auf den Warenmaerkten New Yorks und Londons. Die in den letzten Jahren angestiegene Nachfrage nach Oel, besonders aus China, und die Lieferstoerungen aus einigen der wichtigsten oelproduzierenden Staaten haben die Oel- und Gaspreise nach oben getrieben. Aber die massive Finanzspekulation am Oelmarkt hat mindestens 15 $ auf jeden Barrel Roheol draufgelegt. Der Oelpreis erreichte 40 Mrd $ im Mai und uebertraf das noch mit 50 Mrd $ Ende September.
Die Ursache der wachsenden Nachfrage nach Oel liegt vor allem im starken Wirtschaftswachstum in China und, in kleinerem Umfang, den USA. Aber mit wenig freien Produktionkapazitaeten weltweit sind die Oellieferungen durch eine Serie dramatischer Ereignisse behindert worden.
Die Besatzung des Irak hat dessen Oelproduktion drastisch reduziert, von 3 Millionen Barrel am Tag auf rund 1 Million Barrell am Tag, mit regelmaessigen Unterbrechungen. Letztes Jahr gab es einen „Oelstreik” in Venezuela, in Wirklichkeit einen Aussperrung der Unternehmer mit dem Ziel, die Regierung Chávez zu stuerzen. Putins Demonstration der Staerke mit Yukos, dem Oel- und Gasgiganten, gefuehrt von dem inhaftierten Khodorovsky, hat Russlands Output verringert. Nigerias Produktion ist durch die Unruhen im Niger Delta gekappt worden. Dazu kamen noch die vier Hurricanes in der Karibik, die ein Drittel der Produktion im Golf von Mexico fuer Wochen gestoppt haben.
Aber es steckt mehr hinter den Lieferproblemen als unerwartete Stoerungen. Seit 10 oder 20 Jahren haben die Oelkonzerne, trotz ihrer hohen Profite, viel zu wenig in neue Oelfelder und Raffinerie-Kapazitaeten investiert. Neue, grosse Oelvorkommen sind nun sehr rar, vielleicht sogar nicht existent und beim Grossteil der Felder ist die Erschliessung teurer geworden. Die meisten Oelfelder sind in politisch instabilen Regionen und die Unternehmen und ihre Investoren sind immer weniger bereit, ihr Geld auf Spiel zu setzen. Raffinerie- und Transportmoeglichkeiten werden auch vernachlaessigt.
Uns wird immer erzaehlt, die „unsichtbare Hand” des kapitalitischen Marktes regele zuverlaessig Angebot und Nachfrage, vielleicht mit einigen Zeitverzoegerungen hier und da. Bei Oel und Gas jedoch, notwendige Brennstoffe fuer die Weltwirtschaft, gibt es ein gewaltiges langfristigen Missverhaeltnis zwischen Angebot und Nachfrage.
Intensive Ausbeutung, ohne soziales Investitionet, ruft Aufstaende hervor, die selbst die vorhandenen Produktionsebenen gefaehrden. Aber das Big Business zieht kurzfristige Spekulation der langsfristigen Entwicklung vor.

Öl „Future“ Markt

Frueher wurde Oel ueberwiegend auf dem “physischen Markt” gehandelt. Grosse Abnehmer ( Fabrikanten, Airlines, Benzineinzelhaendler, etc) kauften ihren Kraftstoff direkt beim Hersteller, den grossen Oelmultis und einheimischen Oelunternehmen. Seit kurzem wird jedoch ein aufsteigende Aktie auf dem Oel Futures Markt gehandelt, einem finanzgetriebenen Waren-Markt.
Ein 'Future' ist ein Vertrag der dem Kaeufer die Moeglichkiet bietet, eine Ladung Oel zu einem vereinbarten Preis zu einem vereinbarten Zeitpunkt zu kaufen, der normalerweise zwischen ein paar Wochen und fuenf Jahren liegt. Der Kaeufer zahlt eine Praemie (ein deposit) fuer den Vertrag, einen Teil des Gesamtpreises. Er kann, wenn die Zeit gekommen ist, sein Recht wahrnehmen und die Oelladung kaufen oder auch nicht.
Futures sind wahrscheinlich entstanden, um es grossen Oelverbrauchern zu ermoeglichen, (gegen starke Preisfluktuationen vorzubeugen ( oder begrenzen, „ to hedge"). Steigende Preise und die Perspektive von noch hoeheren Preisen bieten jedoch die Chance wunderbarer Spekulationsgewinne. Jetzt spekulieren die grossen Banken (wie Barclays), Investmentbanken (wie Morgan Stanley), Hedgefunds (geheime Clubs grosser Investoren), und super-reiche Selbststaendige alle schwer in Oel Futures.

Spekulation

Mit den enormen Geldmengen, ueber die er verfuegt, kann ein Futures-Markt-Player z.B. eine Option auf eine Oeleinheit kaufen, sagen wir 1 Million pro Barrel, fuer 45 $ pro Barrel (gesamt 45 Millionen $). Innerhalb von ein paar Wochen, wenn die Option faellig wird, kann er dann die Einheit kaufen und die vereinbarten 45 $ pro Barrel zahlen. Waehrenddessen koennen die Preise allerdings gestiegen sein und er kann sie am selben Tag wieder verkaufen, angenommen fuer 50 $ pro Barrell ( gesamt 50 Millionen $). Es ist nicht schwer, sich den riesigen Profit auszurechnen.
Angebot- und Nachfrage - Faktoren ausser Acht gelassen traegt die Spekulation im grossen Stil dazu bei, den Preis in die Hoehe zu treiben. Wenn der Oelpreis faellt und die Spekulatoren entscheiden, ihre Option nicht wahrzunehmen, verlieren sie nur ihre Praemie, ein kleiner Einsatz auf dem Spieltisch. Und alles wird mit geliehenem Cash gemacht, zu aeusserst niedrigen Zinsraten.
"Das ist der heissteste Oelmarkt den ich jemals gesehen habe," sagt der Kopf der groessten Oelkonzerns, "Viele Banken sind dabei und die Spekulation ist zereissend." Einer der beteiligten Hedgefunds, der Aspect Capital Management in London, spielt mit 250 Millionen $ am Tag in Oel Futures.
Das ist Kasino-Kapitalismus in all seiner Pracht. Gierige Spekulation zaubert kolossale Profite herbei. Fuer wen? Fuer was? Die Unbestaendigkeit des Marktes und hoehere Preise werden sich bald auf unserer Lebenshaltungskosten auswirken: hoehere Gas- und Elektrizitaetspreise, teureres Benzin, hoehere Bus- und Bahnpreise, teureres alles. Frueher oder spaeter werden die „Kraefte des Marktes“ (teurer Kraftstoff) die Nachfrage verringern und die Oel-und Gaspreise werden falllen. Waehrenddessen koennte das Chaos zu einer weltweiten wirtschaftlichen Rezession fueren. Oder ein Aufruhr auf den Finanzmaerkten koennte einen Crash ausloesen.

Unterdrückung

Energieressourcen sind notwendig fuer unser Wohlbefinden. Sie sollten nicht vom kapitalistischen Markt kontrolliert werden, auf dem der Kampf um private Profite und strategische Macht die treibende Kraft ist. Erschliessung von Oel und Gas durch die kapitalistischen Maechte hat immer auf Unterdreuckung und Ausbeutung beruht. Der Oelimperialismus hat sich nie gescheut, Buendnisse mit Diktatoren zu schliessen, die sich mit Korruption und dem Blut ihrer Voelker besudeln, wenn man sich z.B. den Irak anschaut, den Nahen Osten im Allgemeinen, Zentralasien, Nigeria. Kein Wunder dass viele oelproduzierende Staate so instabil sind.
Arbeiter in Nigeria, die vor kurzem einen Generalstreik fuhrten, bekommen wenig von den Oelreichtuemern des Landes ab. Die Voelker des Niger Delta, der wichtigsten oelproduzierenden Region, leben in bitterer Armut. Shell plant, Rohoel fuer 2$ pro Barrell aus dem Boden zu pumpen und es fuer 36 $ pro Barrel zu verkaufen. Kein Wunder, dass die Produktion durch eine wachsende Widerstandsbewegung unterbrochen wurde.

Sozialistische Planung

Öl und Gas, wie andere natuerliche Ressourcen, sind ein wertvoller Schatz fuer die Menschheit. Der Kapitalismus beutet auf der staendigen Suche nach kurzfristigen Profiten unwiederbringliche fossile Brennstoffe (Oel, Gas und Kohle) aus, unter mutwilliger  Nichtberuecksichtigung der langfristigen Auswirkungen. Das Verbrennen fossiler Brennstoffe ist die Hauptursache fuer die Verschmutzung der Atmosphaere und des Treibhauseffektes, der zur Katastrophe fuehrt, wenn er nicht umgekehrt wird. Koennen die Warenspekulatoren in London und New York deswegen nicht ruhig schlafen? Das Grosse Geld investiert mit Sicherheit nur klaegliche Betraege in die Erschliessung alternativer, erneuerbarer Energiequellen.
Die Produktion und Verteilung von Energie muss aus den Haenden der Grosskonzerne genommen und von der destruktiven Anarchie des Marktes befreit werden. Um oekonomische und oekologische Katastrophen zu vermeiden, muessen Rohstoffe wie Oel und Gas auf einer weltweit geplanten Grundlage entwickelt werden. Die Planung muss demokratisch sein und unter der Kontrolle der Arbeiterklasse und anderer ausgebeuteter Menschen stehen, der Mehrheit in der Gesellschaft.
Planung wuerde die wirtschaftlichen Beduerfnisse gegen die langfristigen Auswirkungen auf die Umwelt abwaegen. Alternative, erneuerbare Energienquellen wuerden erschlossen. Arme Laender bekaemen ihre berechtigten Anteil an den Ressourcen, um die Entwicklung zu beschleunigen.
Klar, das wird nicht im Kapitalismus passieren. Deshalb muessen wir das System aendern, in Britannien und international. Wir brauchen dringend Sozialismus. Wir brauchen sozialistische Wirtschaftsplanung, demokratisch kontrolliert und organisiert von den ArbeiterInnen. Wo koennte man besser mit der Verstaatlichung anfangen als bei den grossen Oelkonzernen und Banken, die unsere Zukunft verspielen?

Lynn Walsh, aus dem Socialist, Zeitung der Socialist Party, CWI in England und Wales.

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