Di 15.07.2008
Das Gesellschaftssystem in der ehemaligen Sowjetunion und ihrem Machtbereich wird oft als "Kommunismus" oder als "Sozialismus" bezeichnet. Nichtsdestotrotz sind diese Zuschreibungen oberflächlich und unzutreffend. Wir sind der Meinung, dass diese Staaten nicht "realsozialistisch", sondern stalinistisch waren. Damit ist gemeint, dass zwar die Wirtschaft geplant war, allerdings nicht demokratisch.
Ein häufiges Argument ist, dass die Planwirtschaft nicht funktioniere. Es wird jedoch auch im Kapitalismus geplant, doch hier plant jedeR UnternehmerIn für sich alleine, was zu Wirtschaftskrisen führt. Die Planwirtschaft stellt diesem Chaos an Einzelplänen einen gesamtgesellschaftlichen Plan gegenüber. Doch alleine die Tatsache, dass die Tschechoslowakei nicht kapitalistisch war, reicht noch nicht aus um von Sozialismus zu sprechen. Die ArbeiterInnen waren jeglicher politischer Macht beraubt. Dies war auch der Grund, warum es im Stalinismus immer wieder zu wirtschaftlichen Engpässen kam - und nicht ein fehlender "Anreiz" wie neoliberale TheoretikerInnen behaupten. Gerade der Enthusiasmus der ArbeiterInnen während des Prager Frühlings zeigt, dass die Menschen durchaus motiviert waren, ihren Teil zu einer echten sozialistischen Gesellschaft beizutragen. Die Wirtschaft wurde im Stalinismus jedoch nicht demokratisch durch Komitees von ArbeiterInnen und KonsumentInnen, sondern von einer abgehobenen bürokratischen Kaste geplant, die jede selbstständige Kreativität im Keim erstickte. Schätzungen zufolge hatte die Industrie in der Tschechoslowakei 1968 - dank der Planung fern von den realen Bedürfnissen der Menschen - den Wert von zwei Jahresproduktionen auf Lager, in Artikeln, die niemand brauchte!
Bereits die Führunf der russischen Revolution hatte in der isolierten Sowjetunion mit ersten bürokratischen Auswüchsen zu kämpfen. Man war der Ansicht, dass diese nur durch eine internationale Ausweitung des Sozialismus beseitigt werden können. Hier hatte man in erster Linie das industriell fortgeschrittene Deutschland im Blick. Dadurch wäre einerseits aus der rückständigen Mangelgesellschaft der Sowjetunion eine Überflussgesellschaft mit Einbindung in eine internationale solidarische Gemeinschaft entstanden. Erst dann wäre Marx' Grundsatz "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen" einlösbar gewesen. Andererseits hätten die kapitalistischen Staaten die Sowjetunion nicht bekämpfen können, wenn sie im eigenen Land durch eine Revolution entmachtet worden wären. Doch die deutsche Revolution wurde durch die eigene (sozialdemokratische) Führung zunichte gemacht und die Sowjetunion blieb isoliert. Sie hatte noch mit den Folgen des 1. Weltkrieges zu kämpfen, als die Armeen von 21 kapitalistischen Staaten einmarschierten um den Sozialismus zu bekämpfen. Die engagiertesten Streiter für die Revolution verloren dabei ihr Leben und KarrieristInnen übernahmen die Macht in der Partei.
"Wird der Beamte den Arbeiterstaat auffressen oder der Arbeiter den Beamten bezwingen?" So analysierte Trotzki, Marxist und Kämpfer gegen die bürokratische Entartung der Sowjetunion, die Situation des Stalinismus 1936. Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder die ArbeiterInnen erkämpften ihre Errungenschaften aus der russischen Revolution zurück, die ihnen die Bürokratie genommen hatte. Oder die Bürokratie würde letztendlich auch die Planwirtschaft zunichte machen. Historisch gesehen ist der zweite Fall eingetreten. Doch sowohl in Ungarn 56, als auch in der Tschechoslowakei 68 bestand real die Möglichkeit einer politischen Revolution - einer Rückeroberung der politischen Macht durch die ArbeiterInnen. Die Bürokratie, die nur an ihrer eigenen Macht interessiert war, erwies sich dabei als Hemmnis. Sie war nicht notwendiger Bestandteil des Sozialismus, sondern in Wirklichkeit der Hemmschuh für die Entfaltung einer echten sozialistischen Gesellschaft.