Widerstandskämpferin eröffnet olympische Spiele.

von Michael Gehmacher

Bild: Roland Fischer,
Wikimedia Commons,
CC-BY-SA 3.0

Heuer wird die Widerstandskämpferin Melanie Berger-Volle  eine der Fackelläufer*innen der Olympischen Sommerspiele sein. Wir freuen uns, weil damit eine wichtige Person aus dem revolutionär-marxistischen/trotzkistischen Widerstand eine große Öffentlichkeit bekommt. 

Melanie Berger –Volle wurde als Melanie Berger in Wien–Leopoldstadt in eine jüdische Arbeit*innenfamilie geboren. Sie absolvierte die Hauptschule und lernte danach den Beruf der Miedermacherin. Sie engagierte sich in der Sozialistischen Jugend (damals „Sozialistische Arbeiterjungend“), begann sich aber bald mit den Ideen der linken Opposition um Leo Trotzki auseinanderzusetzen. Sie leistete politischen Widerstand gegen den Austrofaschismus und trat 1934 bei einem illegalen Treffen in der Lobau in die „Revolutionären Kommunisten Österreichs-RKÖ“ ein. 

Wer war die RKÖ? Die RKÖ standen in scharfer Opposition zum Reformismus, zum katastrophalen Zurückweichen der Sozialdemokratie vor dem Faschismus, aber auch zum Stalinismus. Die RKÖ war nicht die größte trotzkistische Organisation in dieser Zeit, spielte aber eine wichtige Rolle. Denn sie stand im Austausch mit vielen konsequenten Kämpfer*innen, vor allem Jugendlichen, aus den Reihen der Revolutionären Sozialisten (Nachfolgeorganisation der verbotenen Sozialdemokratie) und dem kommunistischen Jugendverband. Der Name „RKÖ“ war bewusst als Anlehnung an die Revolutionären Sozialisten („RSÖ“) gewählt. Die RKÖ leistete wichtige antifaschistische Widerstandsarbeit im Austrofaschismus, viele ihrer Aktivist*innen kamen ins Gefängnis, mussten fliehen bzw. wurden im „Trotzkistenprozess“ im August 1937 am Wiener Landesgericht verurteilt.

Wichtige Aktivist*innen waren unter anderem Georg Scheuer, Josef Hindels, Josef Reinwein und andere. Georg Scheuer wandte sich später (wie insgesamt die RKÖ) vom Trotzkismus ab, blieb aber konsequenter Marxist, viele Jahre war er Korrespondent der „AZ“ in Paris. Er unterstützte und verteidigte uns „Vorwärtsler*inen“ (Aktivist*innen rund um die Zeitung “Vorwärts”, Vorgängerorganisation der SLP, heute: ISA) gegen die Ausschlüsse aus der Sozialistischen Jungend 1991. Josef Reinwein suchte den Kontakt zu uns und besuchte uns, z.B. wenn er die Zeitung seines „Vorwärtsabos“ aus dem Büro abholte, außerdem besuchte er immer wieder die Ortsgruppe Wien Süd der SLP (Heute: ISA) und unterstützte die SLP aktiv im Wahlkampf. 

Melanie Berger–Volle musste im Zuge der Machtübernahme der Nazis 1938 fliehen, ging nach Antwerpen und später nach Paris. Sie kämpfte im Untergrund, als Mann verkleidet überschritt sie 1939 die Grenze von Belgien nach Frankreich. In Frankreich war ein wichtiger Teil der Widerstandsarbeit die (lebensgefährliche) antifaschistische Aufklärungsarbeit unter Wehrmachtssoldaten. 1942 wurde sie von der französischen Polizei verhaftet. Sie schwebte in Lebensgefahr, da die Gestapo immer versuchte, Jüd*innen und Widerstandskämfer*innen unter den französischen Gefangenen zu finden. Am 15. Oktober 1943 wurde sie von einer Gruppe von RKÖ-Aktivist*innen in einer spektakulären und gut geplanten Aktion aus dem Gefängnis befreit, unter anderem, indem sich RKÖ-Aktivisten als GESTAPO–Beamte tarnten. 

Die Geschichte ihres Ausbruchs, der antifaschistischen Arbeit und der RKÖ findet sich im Buch ihres ehemaligen Lebensgefährten Georg Scheuer: „Nur Narren fürchten nichts“. In einem Interview 2013 meinte Melanie Berger Volle: 

„Ich wollte immer die Welt verändern und will es noch immer nur komme ich jetzt nicht mehr dazu“