Mo 20.11.2006
Wochenlang tanzt(e) die SPÖ “staatsmännisch” um die ÖVP wie um das Goldene Kalb. Ungeniert wurden und werden alle Wahlversprechen gebrochen. Man könne “über alles reden”, es gibt “keine Vorbedingungen” bei den Koalitionsgesprächen. Und aus dem “Lügenkanzler” wurde plötzlich ein umworbener Regierungspartner.
SPÖ ohne Gegenmodell zu schwarz-blau/orange
Hintergrund dieses Eiertanzes war und ist, dass die Sozialdemokratie in Wirklichkeit kein Gegenmodell zum abgewählten schwarz-blau-orangen Regierungskonzept des Neoliberalismus hat. Dort wo sie an der Regierung ist, wie in der Bundeshauptstadt, betreibt sie genauso Ausgliederung und Privatisierung. Auch in den SPÖ-geführten Ländern (Wien, Salzburg, Burgenland und der Steiermark) werden Prekarisierung und Flexibilisierung der Arbeit vorangetrieben, wie etwa unlängst die steirische KPÖ in ihrem “Reichtumsbericht Steiermark” für dieses Bundesland nachwies. Im Vordergrund steht auch hier die Sicherung der Profite, die Schaffung möglichst guter Verwertungsbedingungen für das Kapital, um möglichst gute Standortbedingungen im globalen Wettbewerb zu schaffen. Die Interessen der Lohnabhängigen nach mehr Lohn, erträglichen Arbeitsbedingungen und möglichst gerechten Sozialleistungen – von Sozialismus ganz zu schweigen – kommen dabei zu kurz.
Nehmen wir an, die SPÖ wäre eine wirklich sozialistische Partei ...
Gusenbauer & Co würden dann die ArbeiterInnenbasis und die Gewerkschaften rund um ihre Wahlversprechen – raus aus dem Eurofighter-Vertrag, arbeitslose Grundsicherung, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Halbierung der Jugendarbeitslosigkeit, Rücknahme der Studiengebühren sowie Rücknahme des Pensionsraubes – mobilisieren. Der Druck der Straße würde so auf die anderen Parteien derart stark sein, dass diese sich gezwungen sehen, die Forderungen zu unterstützen, um die populistische Fassade bewahren zu können. Die Mobilisierungen würden aber auch einen Bewusstseinsschub Richtung Vertrauen in die eigene Kraft auslösen und zeigen, dass Aktivismus und politischer Kampf sich lohnen. Auf diese Weise sollte sich eine neue, um ihre Interessen kämpfende Arbeiterbewegung entwickeln, die den Angriffen des Kapitals offenen Widerstand entgegensetzt.
In der Tat ein faszinierendes Szenario. Es hat nur einen – wesentlichen – Haken: es geht vollkommen an den Realitäten vorbei. Gusenbauer hat schon vor der Wahl bewusst die Beziehungen zur Gewerkschaft weitgehend auf Eis gelegt und von Mobilisierung der ArbeiterInnen will die SPÖ-Führung schon gar nichts wissen. Entscheidend dabei ist nicht zuletzt: Die GewerkschaftsrepräsentantInnen in den Spitzengremien haben sich diesem “Zurechtstutzen” gebeugt – ein klassenkämpferischer Flügel existiert hier heute weniger als je zuvor. Das aktuelle SPÖ-Konzept lautet daher: Die Gunst der Stunde, trotz BAWAG und Co wieder “Erster” zu sein, zu nutzen und sich als Garant für kapitalistische Stabilität der Wirtschaft anzudienen. Schließlich ist man ja bereits mit den GewerkschafterInnen in den eigenen Reihen fertig geworden … Es ist in diesem Zusammenhang bezeichnend, dass gerade namhafte VertreterInnen des Kapitals – allen voran Wirtschaftskammer-Boss Leitl – vehement für eine Große Koalition eintreten.
Neue ArbeiterInnenpartei nötig
Ob Neuwahlen, instabile Große Koalition oder Minderheitsregierung: Was fehlt, um in diesen verkorksten Prozess einzugreifen, haben nicht zuletzt auch die Wahlen vom 1. Oktober gezeigt: eine glaubwürdige linke Alternative, eine neue ArbeiterInnenpartei als Bezugspunkt für die Arbeitenden und Jugendlichen im Parlament und auf der Straße, die das Vakuum füllen kann, das diese verbürgerlichte Sozialdemokratie hinterlassen hat. Es ist in diesem Zusammenhang ein deutliches Warnsignal, dass die extreme Rechte nicht nur gestärkt aus den Wahlen hervorgangen ist, sondern auch versucht, sich als – freilich rassistische – neue “Sozialpartei” zu profilieren. Nur mit einer entsprechenden organsierten Kampfansage von “links”, die nicht zuletzt den Kampf gegen Sozialabbau und Rassimus verbindet, könnten diese Versuche im Keim erstickt werden und die FPÖ langfristig in ihre Schranken gewiesen werden.