Mi 04.10.2006
Die SPÖ wurde, trotz des zweitschlechtesten Ergebnisses in ihrer Geschichte, wieder stimmenstärkste Partei. Sie blieb z.B. in den ländlichen Gebieten Niederösterreichs stabil, verlor dafür aber am stärksten in den traditionellen Wiener ArbeiterInnenbezirken Favoriten, Simmering und Floridsdorf. Die SPÖ ist bei Pensionistinnen die deutliche Nr.1 – dafür wählten 75% der unter 30 Jährigen eine andere Partei. Die sozialen Themen der SPÖ haben zwar den Nerv getroffen. Aber 40 % wählten sie lediglich um Schüssel los zu werden. Und der eigentliche „Wahlsieger“ waren mit 27 % die NichtwählerInnen. Man kann also nicht von einer echten Wahlbewegung sprechen die „Gusi“ zu einem Erfolg getragen hätte.
Muss sich die Wirtschaft fürchten?
Auch wenn es am Tag nach der Wahl Kursverluste an der Wiener Börse gab, so muss die heimische Wirtschaft keine „sozialistische“ Politik fürchten. Die SPÖ stellt kapitalistische Logik in keinem einzigen Punkt mehr in Frage. Sie strebt keine Umverteilung von oben nach unten an, sondern versucht maximal mit öffentlichen Mitteln die Wirtschaft anzukurbeln. Die SPÖ wird vielleicht ein paar „soziale“ Akzente (z.B. die Abschaffung der Studiengebühren) und ein paar symbolische Akzente (Frauenministerium) setzen. Aber am wesentlichen Kurs wird sich nichts ändern: Unternehmen unterstützen um den Standort Österreich zu erhalten, auch wenn es auch Kosten der Beschäftigten geht; „Reformen“ bei Bildung und Gesundheitswesen, d.h. diese Bereiche verstärkt dem Markt zu überlassen was schlechtere und teurere Leistungen für die Masse und Verbesserungen für die Elite bedeutet. Mit Antikapitalismus hat das alles nichts zu tun. Der wäre aber heute notwendig um eine soziale Politik a’la Kreisky durchzuführen, da inzwischen dessen ökonomische Spielräume im Rahmen des Systems nicht mehr gegeben sind.
Widerstand gegen große Koalition ist gut, politische Alternativen noch besser
Eine Neuauflage der SPÖVP-Koalition ist auch in der SPÖ umstritten. Wir unterstützen hier jeden Widerstand in und außerhalb der SPÖ, der sich dagegen richtet, Schüssels Erben zurück zur Macht zu bringen! Aber Hand aufs Herz: was brachten die letzten SPÖ-geführten Regierungen? Den Kauf von Abfangjägern (damals die sauteuren Draken), die Privatisierung von großen Teilen der ehemaligen Verstaatlichten und die ersten Etappen von Bildungsabbau und Pensionsreform. Auch in der Opposition hat die SPÖ ihre Politik an den Notwendigkeiten der Wirtschaft und nicht der ArbeitnehmerInnen orientiert. Und wo sie in den letzten Jahren in Regierungsverantwortung war, hat sie den Privatisierungskurs fortgesetzt (Wien) und Bündnisse mit Rechtsextremen gemacht (Kärnten). Aber selbst wenn sich „SPÖ-Grün“ ausgegangen wäre, hätte das wohl auch keinen Kurswechsel gebracht: Die Grünen sind heute in vielen Punkten eine Partei der Besserverdienenden, die zudem vor der Wahl bereits klar gemacht für die Beteiligung an der Macht sehr weit zu gehen. Es geht also nicht nur darum die große Koalition zu verhindern, sondern auch um die Frage von politischen Alternativen zum neoliberalen Parteien-Einheitsbrei.
SPÖ-Führung weiter auf Anti-Gewerkschaftskurs
Deutlich waren die Signale der SPÖ nach dem Bawag-Skandal gegen GewerkschafterInnen. Die Listen wurden von GewerkschafterInne gesäubert, dafür aber das entschieden neoliberale LiF ins Boot geholt. Es gab zwar Proteste aus den Reihen der Gewerkschaft dagegen, aber den SP-Kurs verändert haben diese nicht. Gusenbauer fürchtet den Widerstand der ÖGB/FSG-Führung inzwischen offensichtlich so wenig, dass er Gewerkschafter Haberzettl sogar in das Verhandlungsteam nominiert hat. Viele sozialdemokratische GewerkschafterInnen werden demgegenüber – obwohl die offiziellen Forderungen ihrer FSG-Fraktionsführung ohnehin minimal sind – rasch vom Regierungskurs der SPÖ enttäuscht sein. Es wird sich dann zeigen, wie ernst es den „Linken“ in der SPÖ und den GewerkschafterInnen mit der Verteidigung von Rechten der ArbeiterInnenklasse wirklich ist. Der Gewerkschafts/FSG-Vertreter im SPÖ-Verhandlungsteam darf seine Unterschrift nicht unter ein Paket setzen, das Verschlechterungen für ArbeitnehmerInnen bringt. Die ArbeitnehmerInnen in Österreich können sich weitere Kürzungen einfach nicht mehr leisten. Wir meinen, dass sich die FSG-GewerkschafterInnen (und auch die restlichen Linken in der SPÖ) an den Prostesten gegen die kommenden Angriffe – egal von welcher Regierung – beteiligen sollen.