Mo 04.09.2006
Sozialismus ist ein Begriff, der mit sehr unterschiedlichen Bedeutungen behaftet ist. Einst nannte sich die SPÖ sozialistisch, ebenso wie die Sowjetunion. Tatsächlich war weder die Kreisky-SPÖ der 70er Jahre, noch die UdSSR sozialistisch. Sozialismus ist eine Gesellschaft ohne Unterdrückung und Ausbeutung des Menschen durch den Mensch, in der der Kapitalismus gänzlich überwunden ist. Eine Gesellschaft, in der jeder Mensch die Möglichkeit hat, sich frei zu entfalten und sein gesamtes Potenzial auszuleben. Eine solche Gesellschaft hat weder die Nachkriegs-SPÖ jemals ernsthaft gewollt, noch existierte sie jenseits des “Eisernen Vorhangs”.
Öffentliches Eigentum, Planwirtschaft und Demokratie
Zwar kann heute niemand ein detailliertes Bild einer sozialistischen Gesellschaft zeichnen. Aber wir können – nicht zuletzt wegen der Erfahrungen, welche die sozialistische Bewegung in den letzten 100 Jahren machen musste – doch einige Fixpunkte aus unserer Sicht skizzieren. Im Sozialismus müssen die Menschen selbst entscheiden können, was und wie produziert wird, und sie müssen Planung und Verwaltung von Wirtschaft und Gesellschaft durch demokratisch gewählte Organe selbst in der Hand haben. Eine demokratisch geplante Wirtschaft, die von den ArbeitnehmerInnen durch Komitees in den Betrieben, der Nachbarschaft etc. kontrolliert wird, würde sich nach den Bedürfnissen der Menschen richten und nicht nach den Profiten einer Minderheit. Kontrolliert werden kann aber nur, was einem auch tatsächlich gehört – und daher ist eine zentrale Bedingung dafür die Überführung der Schlüsselindustrie in öffentliches Eigentum. FunktionäreInnen dürfen nicht mehr als einen durchschnittlichen FacharbeiterInnenlohn verdienen und müssen jederzeit wähl- und abwählbar sein. Und vor allem müsste der Kapitalismus international, und nicht nur in einem Teil der Welt, abgeschafft sein.
“Das ist schon so oft probiert worden und hat nie funktioniert”?
Tatsächlich ist in den ehemaligen “Ostblockstaaten” nicht der Sozialismus gescheitert, sondern der Stalinismus bzw. die Idee von “Sozialismus in einem Land”. Unserer Ansicht nach war kein Land der Welt bisher sozialistisch. Sowohl in der Sowjetunion als auch den anderen angeblich sozialistischen Staaten war zwar die Wirtschaft geplant – allerdings wurden Wirtschaft und Gesellschaft völlig undemokratisch von einer abgehobenen Schicht privilegierter BürokratInnen gelenkt. Bereits vor der Wiedereinführung des Kapitalismus hat diese Bürokratie viele Errungenschaften, die durch die Oktoberrevolution 1917 erstmals durchgesetzt wurden (ArbeiterInnendemokratie, Emanzipation, große Einkommensgleicheit) wieder rückgängig gemacht. Der Stalinismus war nicht die logische Fortsetzung dieser Revolution, bzw. sozialistischer Ideen und Bestrebungen, sondern das Gegenteil davon.
Was können SozialistInnen aus der Entwicklung in Osteuropa lernen?
Sozialismus ist in einem Land allein nicht möglich. Der Kapitalismus hat durch die weltweite Arbeitsteilung einen Weltmarkt geschaffen. Die Bolschewiki hatten deshalb z.B. von Beginn an die Perspektive, dass ihre Revolution nur Bestand haben könnte, wenn sie sich international ausweitet. Angesichts der komplexen Verflechtungen der Weltwirtschaft gilt dieser Punkt, dass Sozialismus nur international funktionieren kann, heute mehr denn je. Der zweite Aspekt ist sicher, dass eine moderne Planwirtschaft Demokratie wie Luft zum Atmen braucht. Ohne die ständige Miteinbeziehung und Kontrolle durch jene, welche produzieren und konsumieren, muss es es zu Miss- und Mangelwirtschaft wie in Osteuropa kommen – ohne deshalb zu vergessen welche Miss- und Mangelwirtschaft der real existierende Kapitalismus heute gerade in dieser Region bedeutet.
Kann Sozialismus funktionieren?
Die Entwicklung Richtung Sozialismus wird nicht völlig geradlinig und problemlos ablaufen. Aber die Voraussetzungen für die Errichtung einer wirklich sozialistischen Gesellschaft sind heute wesentlich besser. Es gibt die Erfahrungen mit den gescheiterten Versuchen der Sozialdemokratie aber auch dem Stalinismus, die Gesellschaft durch kleine Reformen und/oder von oben zu verändern. Das allgemeine Bildungsniveau ist wesentlich höher. Und gleichzeitig haben Bewegungen heute einen sehr stark internationalen Charakter (antikapitalistische Bewegung, Anti-Kriegs-Bewegung). Die Debatten über die “Globalisierung”, der man angeblich hilflos ausgeliefert ist, hat bei vielen ArbeitnehmerInnen und Jugendlichen auch das Bewusstsein geschaffen, dass Alternativen zum bestehenden System letztlich auch nur im internationalen Rahmen durchsetzbar sind.
Und wozu eigentlich?
Rosa Luxemburgs Aussage “Sozialismus oder Barbarei” ist heute wahrer denn je – Kriege, ethnische Konflikte, Umweltzerstörung, aber auch die Tatsache, dass ein großer Teil der Menschheit unter der Armutsgrenze lebt, sind Ausdruck für die Tiefe der Krise des Kapitalismus. Die Polarisierung von Armut und Reichtum, von Bedarf nach elementaren Gütern des täglichen Lebens in vielen Teilen der Welt und Verschwendung von Ressourcen (Butterberge, Rüstung …) hat gigantische Ausmaße erreicht. Gleichzeitig wäre in einer sozialistischen Gesellschaft ein enormer technischer und gesellschaftlicher Fortschritt möglich, da die Kreativität und Fähigkeiten der ArbeiterInnenklasse, die jetzt brach liegen, eingebunden würden. Eine sozialistische Alternative ist aber allein schon nötig, um zu verhindern, dass Regierungen und Unternehmen in ihren Angriffen auf die ArbeiterInnenklasse erfolgreich sind. Der Zusammenbruch des Stalinismus hat die ArbeiterInnenklasse entscheidend geschwächt. Weil der Kapitalismus nun als einzig mögliches System galt, hatte die ArbeiterInnenbewegung den neoliberalen Angriffen des Kapitals zumindest ideologisch wenig entgegenzusetzen. Inzwischen hat, im Zusammenhang mit zahlreichen Bewegungen weltweit, die Suche nach der ideologischen “Wiederbewaffnung” voll eingesetzt. Als SozialistInnen bieten wir hier unsere Ideen an, weil wir glauben, dass man die bestehende Welt nicht nur kritisieren sollte, sondern auch Alternativen braucht, um der Logik der “Sachzwänge” entgegen zu treten.