Mo 30.04.2018
Bei der Konferenz der SLP von 16.-18. März 2018 wurde auch ein Dokument zur Lage in Österreich diskutiert und beschlossen. In diesem Schwerpunkt geben wir Auszüge aus der beschlossenen Resolution wieder:
Der Aufstieg der FPÖ seit inzwischen Jahrzehnten sowie der Wahlerfolg von Kurz bei der Nationalratswahl 2017 und die Bildung der dritten schwarz-blauen Regierung haben manche KommentatorInnen und auch Linke zur Schlussfolgerung gebracht, dass in Österreich eine „rechte Grundstimmung“ herrscht. Diese schwarz-blaue Regierung ist zweifellos bedrohlicher, als es jene nach 2000 waren, insbesondere weil die FPÖ gelernt und wesentlich mehr Einfluss hat als damals. Die Häufung von Burschenschaftern und Ultrarechten in Machtpositionen macht – zu Recht – Angst. Die Pläne zum Umbau bzw. Abbau des Sozialstaates und der Angriffe auf die Rechte von ArbeitnehmerInnen durch diese Regierung sind sehr weitgehend. Auch das macht – zu Recht – Angst. Doch einfach von einer stabilen Regierung in einem rechten Land auszugehen, die ihre Agenda einfach so umsetzen wird, ist falsch; eine bestenfalls oberflächliche und einseitige Darstellung einer weit komplizierteren Situation.
International sehen wir, dass das Vertrauen in das System Kapitalismus gerade seit der Krise 2007/8 massiv zurückgegangen ist. Die Stimmung gegen „die da oben“, „die Elite“, „die Reichen“ ist weit verbreitet. Es gibt eine wachsende Ablehnung der Ungerechtigkeit des kapitalistischen Systems. Und es gibt in Folge von Korruption sowie der Tatsache, dass diese in der Regel zugunsten des Kapitals agiert, große Unzufriedenheit mit der (beschränkten) bürgerlichen Demokratie. Das gilt auch für Österreich. Nur 26% meinen, dass PolitikerInnen über die Alltagssorgen normaler Menschen gut oder einigermaßen Bescheid wissen; 56% nicht oder eher nicht. Am höchsten ist der Wert bei FPÖ-WählerInnen, wo 40% sagen, dass PolitikerInnen „überhaupt nicht“ darüber Bescheid wüssten. Das gute Abschneiden der ÖVP und die Vorschusslorbeeren für die neue Regierung werden daran mittel- und langfristig nichts ändern.
Doch es gibt keinen Automatismus, dass sich diese Stimmung in bewusstem Antikapitalismus oder nach „links“ ausdrückt. In sehr verquerer Art und Weise haben Kurz und Pilz bei den vergangenen Nationalratswahlen vom Wunsch nach Veränderung profitieren können. Die extreme Rechte inklusive der FPÖ reagiert mit ihrer Inszenierung als „soziale Heimatpartei“ und greift den Wunsch nach mehr sozialer Gerechtigkeit auf. Sie konnte das, weil das Bewusstsein der ArbeiterInnenklasse zurückgeworfen ist und es keine linke Alternative gibt. Die Tatsache allerdings, dass bürgerliche und rechte Parteien sich „neu“ und „sozial“ präsentieren müssen, um gewählt zu werden, spiegelt die enormen Möglichkeiten wider, die eine kämpferische demokratische neue ArbeiterInnenpartei mit sozialistischem Programm hätte.
Bei der letzten Wahl war das „Flüchtlingsthema“ dominant. FPÖ und ÖVP ist es gelungen, Ängste aufzugreifen bzw. gezielt zu schüren und so sozialen Ängsten eine rassistische Antwort zu geben. Neben existierenden Problemen, die entstehen, wenn sich mehr Menschen dieselben (oder sogar weniger) Mittel für soziale Leistungen teilen müssen, wurde und wird von Medien und Politik eine Problemlage herbeigeredet. Von Seiten der Herrschenden existiert sowohl ein Interesse an Migration (mit dem Ziel der Lohndrückerei) als auch an Problemen damit (als Instrument für „Teile und Herrsche“). Das „Flüchtlingsthema“ überdeckt soziale Fragen. Rassismus ist real existent und stellt eine ernsthafte Bedrohung dar. Doch es wäre nicht nur eine grobe Vereinfachung, sondern eine grundsätzlich falsche Schlussfolgerung, wenn man behaupten würde (wie es leider viele „Linke“ tun), dass „die ÖsterreicherInnen“ oder „die ArbeiterInnen“ rassistisch wären. Vor zwei Jahren wurde Österreich von einer Welle der Solidarität erfasst. Hunderttausende halfen Flüchtlingen. In einer Umfrage Ende 2016 gaben 60% aller WienerInnen an, für Flüchtlinge gespendet zu haben, aber nur wenige Hundert hatten sich an Demonstrationen gegen Flüchtlinge beteiligt. 75% waren für den Zugang von Flüchtlingen zum Arbeitsmarkt. Wir müssen bei Fragen von Migration/Flucht immer aufzeigen, dass das von Medien und Parteien gezeichnete Bild der „Öffentlichen Meinung“ oft keineswegs stimmt und in der Realität meist weit komplexer ist. Die Regierung hat viele Erwartungen geschürt, wird diese aber nicht einhalten können. Wie lange es dauert, bis die Enttäuschung über die Regierung zu Unmut und auch Protesten führen wird, hängt stark mit dem Tempo der sozialen Angriffe und dieses mit der wirtschaftlichen Entwicklung zusammen.