Fr 01.10.1999
Bei den Wahlen am 3. Oktober gab es einen klaren Sieger - die Unzufriedenheit. Ausdruck hat dies aber nicht nur im Erstarken der FPÖ gefunden, sondern vor allem in der historisch niedrigen Wahlbeteiligung von 76,2 %. Die wenigsten WählerInnen unterstützten mit ihrer Stimme ein Programm, viele stimmten aus taktischen Gründen für bzw. gegen eine Partei, viele wählten mit Bauweh das „kleinere Übel”.
Als weitere Sieger werden genannt: FPÖ, ÖVP und die Grünen. Klare Verlierer sind SPÖ und das LiF, das sich wohl noch bis zur Wiener Gemeinderatswahl 2001 durchwurschteln wird, um dann endgültig in der Versenkung zu verschwinden.
SPÖ: Alt, Angepaßt, Arrogant
Die SPÖ hat in den letzten Jahrzehnten einen enormen Wandlungsprozeß durchgemacht, der die Grundlage für das Desaster des 3. Oktobers bildet. Zwar hatte sich die Sozialdemokratie schon Anfang des Jahrhunderts von ernsthaft gesellschaftsverändernden Ansprüchen verabschiedet, aber sie trat doch bis Anfang der Achtziger Jahre als Partei auf, die sich für die Interessen der ArbeitnehmerInnen und der sozial Schwachen einsetzte (wenn auch immer nur im Rahmen des „wirtschaftlich Möglichen”). Mit den sich verschärfenden ökonomischen Rahmenbedingungen seit den Achtziger Jahren hat sie sich davon allerdings verabschiedet. Mit der Orientierung an „Sachzwängen”, an „der Wirtschaft”, am „Machbaren” verabschiedete sie sich von ihren Mitgliedern und letztlich auch von ihren WählerInnen.
Wer jünger als 35 ist, kennt die SPÖ nur mehr als eine Partei wie jede andere, mit schwammigem Programm, ohne klare Ziele, die stetig nach rechts wandert. Entsprechend kommen die SPÖ-WählerInnen in erster Linie aus der älteren Generation - je jünger, desto unbeliebter ist diese Partei, die für Sozialabbau, Rechtsruck und das Establishment steht. Arrogant mutet es an, wenn viele SPÖ-Spitzenpolitier die Ansicht vertreten, sie hätten „ohehin alles super gemacht, aber die WählerInnen honorieren das leider nicht”. Daß die SPÖ wie schon bei den EU-Wahlen 1996 bei den Arbeitern von der FPÖ überholt worden ist, liegt nicht an der Ignoranz der WählerInnen, sondern an der Ignoranz der SPÖ. Da nützt es auch nichts, monatelang geschönte Arbeitslosen-Statistiken zu verkünden und die eigenen „Erfolge” zu preisen - Die Menschen sind nicht so vergesslich wie die SPÖ es gerne hätte: sie errinnern sich daran, daß durch die Privatisierung zehntausende Jobs veloren gingen, sie haben die Sparpakete und den Sozialabbau nicht vergessen.
Wer nun aber hofft, daß die SPÖ daraus lernen könnte, und meint, daß Klimas Ankündigung „Wir werden uns ändern” ein Signal nach links bedeutet, wird Opfer seiner eigenen Wünsche. In der SPÖ stehen alle Zeichen auf einen weiteren Schritt nach rechts. „Haiders Mann in der Regierung”, der Klebeband-Minister Schlögl, der den rassistischen FPÖ-Wahlkampf noch mit Verhaftungswellen gegen Schwarze unterstützte, wird seit Monaten gepuscht. Und dem Wiener Bürgermeister Häupl fällt zu den FPÖ-Hetzplakaten nur ein, daß die eigene AusländerInnenpolitik der letzten Jahre nicht restriktiv genug war.
Aber daß auch eine rechte SPÖ-Politik kein adäquates Mittel ist, um die FPÖ zu stoppen, zeigt das Welser Wahlergebnis. Der erst vor kurzem zurückgetretene SPÖ-Bürgermeister Bregartner stand seit Jahren unter Kritik aus dem linken Lager wegen der „Braunen Flecken” in Wels, wegen seines zumindest eigenartigen Umganges mit dem rechtsextremen Lager. In der ehemaligen SPÖ-Hochburg Wels trennen SPÖ und FPÖ seit dem 3. Oktober noch gerade 2,7 % (716 Stimmen).
Schade ums LiF?
Daß viele WählerInnen diese Wahl äußerst ernst nahmen zeigt das schlechte Abschneiden der Lugner Partei DU ebenso wie das schlechte Abschneiden des LiF. Es gab einen Trend hin zu jenen Parteien, die als gefestigter gesehen wurden. Aber ist es Schade ums LiF? Zweifellos bezogen die Liberalen in einigen Fragen Positionen, die für Linke wichtig sind - gegen Rasissmus, für Gleichberechtigung von Homosexuellen, gegen die Kirche. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß das LiF eine klar bürgerliche Partei ist, die in wirtschaftspolitischen Fragen mehr mit der FPÖ verbindet als von ihr trennt - Privatisierung, neoliberale Wirtschaftspolitik... Hinter Grundeinkommen und „Eigenverantwortung” steht letztlich ein „jeder ist sich selbst der nächste” und „wer arm ist, ist selber schuld”. Der Abgang des LiF bringt eine Stärkung der Grünen mit sich, die allerdings in den letzten Jahren selbst abgerückt sind von ihren ehemals linken Ideen. Sie werden sich in den nächsten Jahren für ein gewisses links-liberales WählerInnenspektrum als einzige Alternative präsentieren können.
FPÖ - Ventil der Unzufriedenheit
Die FPÖ weist nach wie vor den höchsten Anteil von WechselwählerInnen auf (37 %) und wird nach wie vor von einem relativ großem Teil der Menschen als Möglichkeit gesehen, der Unzufriedenheit Ausdruck zu geben. Eine Unzufriedenheit, die sich nicht automatisch auf der Rechten kanalisieren muß. Natürlich ist Haider ein Faktor, der den Aufstieg der FPÖ erklärt. Ein weiterer ist das Klima v.a. bei AusländerInnenfragen, daß von der FPÖ vorgegeben und von der Regierung aufgegriffen wurde.
Ein anderer wichtiger Faktor ist aber auch das völlige Fehlen einer linken Alternative auf der Wahlebene. Zwar ist die KPÖ auch bei dieser Wahl wieder angetreten und konnte ihren Stimmenanteil fast verdoppeln. Ein Erfolg für die Linke ist das aber angesichts der Möglichkeiten, die es für eine linke Kandidatur gegeben hat, nicht. Die KPÖ hat es verabsäumt, eine kämpferische Alternative anzubieten, die breit verschiedene linke Strömungen und Organisationen zusammenfaßt, sich offensiv gegen die FPÖ stellt und sozialistische Antworten gibt. Stattdessen hat sie versucht, über prominente Spitzenkandidaten in die Medien zu kommen. Anstatt mit der FPÖ einen Kampf um die Stimmen der ArbeiterInnen aufzunehmen, hat die KPÖ versucht, den Grünen einige linksintelektuelle Stimmen streitig zu machen. Ein Konzept, daß scheitern mußte.
Das Erstarken der Rechten am 3. Oktober ist weder vom Himmel gefallen, noch darauf zurückzuführen, daß „die ÖsterreicherInnen rechts sind”. Die Antwort kann nicht Auswandern oder Kopf-in-den-Sand-stecken sein, sondern muß bedeuten, jetzt sofort in die Sozialistische Offensive zu gehen!