Fr 01.12.2000
Die Gesellschaft verändert sich nicht von selbst. Die Geschichte von Aufständen und Revolutionen der Unterdrückten besteht aus Niederlagen und wenigen Siegen. Dafür verantwortlich: Das Fehlen einer revolutionären Partei und das Fehlen eines entsprechenden Programmes. In der ArbeiterInnenbewegung gab und gibt es viele Programme. Nur wenige sind geeignet, um die Klasse zum Sieg führen zu können.
Unmut über Ungerechtigkeit im Allgemeinen und Mißstände im Besonderen sind weit verbreitet. Sie reichen von der Ablehnung von Schulnoten, der schlechten Bezahlung am Arbeitsplatz und der blau-schwarzen Regierung, über den Wunsch, etwas gegen den Hunger in der Welt zu tun, bis zum Aufstand gegen den “globalen Kapitalismus”. Unmut und Leidensdruck entladen sich immer wieder. Neben individuellen Versuchen, an der eignen Situation etwas zu ändern, sind die kollektiven von größerer Bedeutung. Die Erfolgschancen steigen, wenn mehrere Menschen gemeinsam aktiv werden. Aber wie die Geschichte beweist, reicht auch das nicht.
Spontaneität und Programm
Eine Bewegung kann dann erfolgreich sein, wenn sie ein klares, gemeinsames Ziel vor Augen hat und es organisiert versucht zu erreichen. Programm und Partei: das sind die zwei untrennbar verbundenen Elemente, die bei Aufständen und Revolutionen, selbst wenn sie spontan beginnen (= unvermittelt ausbrechen), über Sieg und Niederlage entscheiden. Eine Partei ist nicht der Ersatz für den Kampf der Massen, sondern dessen Konzentration. Als Verbindung zwischen Partei und der ArbeiterInnenklasse (jener Klasse, die alleinig die Fähigkeit besitzt, den Kapitalismus zu stürzen) dient das Programm der Partei.
Wozu ein Programm?
Seit den Anfängen der ArbeiterInnenbewegung gab es Programme. Deren Notwendigkeit wurde immer wieder in Frage gestellt. Prominent behandelt wurde dies von Lenin in “Was Tun?” 1902. Eine Strömung (“Ökonomisten”) argumentierte, es gäbe keine Notwendigkeit für ein Programm, für Forderungen, für eine Partei. Sie meinten, die Lösungen würden spontan aus der ArbeiterInnenklasse entstehen, wenn diese erstmals die Bühne des Klassenkampfes betreten würde. Der Sturz des Zarismus und des Kapitalismus in Rußland 1917 war aber keineswegs das Ergebnis einer “spontanen Bewegung”, in der Forderungen “von selbst” entstanden. Er war nur möglich, da es mit den Bolschewiki eine Partei mit einem klaren Ziel und Programm gab. Dieses Programm war nichts starres, das seit dem Entstehen der Bolschewiki 1903 unverändert geblieben wäre. Es war in Kämpfen getestet und verändert worden.
Um als ideologische Waffe der ArbeiterInnenklasse auch wirklich eingesetzt werden zu können, muß ein politisches Programm im Zusammenhang mit den objektiven Notwendigkeiten und dem Bewußtsein der ArbeiterInnen stehen. Das Verdienst von Marx und Engels war es nicht, im stillen Kämmerlein ein abstraktes Programm zu schreiben, sondern die konkreten Erfahrungen der ArbeiterInnenklasse zusammenzufassen und sie dieser in Form des “Kommunistischen Manifestes” 1848 zurückzugeben.
Programm und Bewußtsein
Das Privateinkommen der zehn reichsten Menschen der Welt übersteigt das Nationaleinkommen der 48 ärmsten Länder. 1,2 Milliarden Menschen müssen von weniger als einem Dollar pro Tag leben. Angesichts solcher Zahlen ist es eigentlich offensichtlich, dass der Kapitalismus unfähig ist, der Menschheit Frieden und Wohlstand zu bringen und folgerichtig beseitigt gehört. Würde es reichen, die Fakten aufzuzählen, hätten wir uns den Ersten und den Zweiten Weltkrieg erspart, und würden längst im Sozialismus leben. Sozialismus muß gegen den Widerstand der Kapitalisten erkämpft werden. Das Bewußtsein der ArbeiterInnenklasse ist dafür zur Zeit nicht weit genug entwickelt. Das politische Programm ist ein Mittel, um dieses Klassenbewußtsein bilden zu helfen. Marx hat festgestellt, daß durch ein korrektes Programm die ArbeiterInnenklasse sich von einer “Klasse an sich” (dem Rohmaterial für Ausbeutung) zu einer “Klasse für sich” (also einer sich ihrer Rolle und ihrer Möglichkeiten bewußten Klassen) entwickeln kann. Ebensowenig wie ein Programm “spontan” und “von selbst” entsteht, entwickelt sich Bewußtsein nicht über Nacht. Es entsteht in Kämpfen, in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner, dem Chef, der Polizei, dem Staat. Programme sind ein wichtiges Element in dieser Entstehung.
Unzulängliches Programm
In Chile gewannen 1970 die Sozialdemokraten in einer Situation von wachsender Krise und Radikalisierung der Massen die Wahlen. Salvador Allende wurde Präsident. Seine Maßnahmen blieben auf halbem Wege stehen. Mit der parlamentarischen Mehrheit, der Verstaatlichung wichtiger Betriebe und Enteignung von US-Konzernen und einer Landreform beinhaltete diese Politik großartige Verbesserungen. Doch die Sozialdemokraten (geschweige ihre bürgerlichen Bündnispartner) hatten keineswegs die endgültige Konfrontation mit dem kapitalistischen System in Betracht gezogen – sie hatten keinen revolutionären Anspruch. Das ist keine Bagatelle! Unter anderem ignorierte ihr Programm völlig die Tatsache, dass der Kapitalismus mit allen Mitteln versuchen wird, sich an der Macht zu halten. Führen soziale und militärische Krisen sowie erkämpfte Reformen zu weit, bleiben nur noch zwei Wege: Revolution oder Konterrevolution. Diese blutige Erkenntnis wiederholte sich in Chile 1973. Die Reaktion sammelte ihre Kräfte und holte mit Hilfe der USA zum Gegenschlag aus. Die Massen, an ihrer Spitze die ArbeiterInnen, waren zum Machtkampf bereit gewesen. Die maßgebliche politische Kraft hatte ein anderes Programm. Was blieb, war nicht einmal der Schatten einer der Reformen der Allende-Administration. Der Putsch im September 1973 stellte eine der größten Niederlagen der internationalen ArbeiterInnenbewegung nach dem II. Weltkrieg dar.
Keine Erbsenzählerei
Die langwierige Ausarbeitung eines Programms ist kein Streit um des Kaisers Bart. Oft wird ins Lächerliche gezogen, dass sich sozialistische Klein (st)Organisationen um Pogrammpunkte streiten. In Aufbruchszeiten und umso mehr in revolutionären Situationen können solche Klein(st)organisationen wachsen. Trotz oder wegen der Stärken ihres Programms. Im ersten Fall hat es negative Auswirkungen auf die Bewegung und die neu politisierten Menschen, im zweiten Fall kann das die Grundlage für große revolutionäre Formationen sein, die am Rad der Geschichte mit drehen können.
Das Programm bzw. Teile von ihm können auf verschiedene Art formuliert werden. Konsequente Forderungen und Slogans waren im Aufbau der Bolschewiki mit entscheidend. Vor dem Februar 1917 noch eine scheinbar unbedeutende Kaderpartei wuchs sie binnen Monate auf zigtausende Mitglieder an. Der vorhandenen passiven Sympathie ihnen gegenüber folgte in dieser Periode der Durchbruch als Hauptkraft der besten Teile der städtischen und ländlichen ArbeiterInnenklasse Rußlands. Es gibt auch aktuelle Beispiele: Indonesien (jahrzentelange Militärdiktatur) stand 1998 vor einem revolutionären Prozeß. Hätte die einzige linke Kraft zu dieser Zeit, die PRD, ein Übergangsprogramm angewendet, dass die demokratischen und sozialen Bedürfnisse mit der Notwendigkeit des unmittelbaren Sturzes des Kapitalismus verband, stünde sie jetzt im Zentrum der kämpferischen proletarischen Schichten. Die Perspektiven für die indonesischen Massen würden günstiger stehen. Das System wäre zumindest stärker ins Wanken geraten. Ihre programmatische Mißorientierung führt sie heute zur Unterstützung der aktuellen bürgerlichen Regierungskoalition, die sogar mit Teilen des Militärs kooperiert.
Materielle Interessen prägen
Programm, Bewußtsein und Klassenhintergrund hängen miteinander zusammen. Bei einer Partei, die in großem Ausmaß dem Druck einer Klasse (bzw. Teilen dieser oder mehrerer Klassen) und damit materiellen Interessen und Bewußtsein (sowie dessen Entwicklung) ausgesetzt ist, ist eine Interaktion unausweichlich. Dies kann sowohl zu Bewußtseinsentwicklung der von der Partei organisierten Schichten (und darüber hinaus), als auch zur Anpassung bei Programm und Slogans führen. Ein revolutionäres Programm allein ist kein Garant gegen eine Entartung oder für den Aufstieg zur Massenpartei. Aber es ist eine Grundvoraussetzung, um in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen die Interessen der ArbeiterInnenklasse als Ganzes überhaupt umzusetzen zu können. Nicht zufällig war ein wichtiges Element bei allen möglichen Formen des Reformismus die Orientierung auf klein- und bürgerliche Schichten. Das Programm stellt ein Unterscheidungsmerkmal zwischen verschiedenen Organisationen und Klasseninteressen dar.
Reformismus – wessen Programm?
Die Sozialdemokratie, die für viele Jahrzehnte die zentrale Organisation der ArbeiterInnenbewegung war, trennte ihr Programm stets in ein “Minimalprogramm” und ein “Maximalprogramm”. Während sich das eine mit tagespolitischen Fragen und Forderungen (Arbeitszeit, Wahlrecht, etc.) befasste, stellte das andere den “Sozialismus” als Lösung vor. Die Entwicklung des Kapitalismus, der spätestens mit der vorletzten Jahrhundertwende jeden fortschrittlichen Aspekt verloren hat, und die politische Praxis der Sozialdemokratie haben die Unzulänglichkeit dieser Trennung offengelegt. Die Sozialdemokratie, bzw. der Reformismus generell, beschränkte sich bestenfalls auf die Umsetzung der “Minimalforderungen”, die größtenteils vorübergehend auch im Kapitalismus erreichbar waren. (Wohlgemerkt vorübergehend!) Die “Maximalforderungen” standen zwar noch im Programm und wurden auch zu Feiertagen hervor gekramt, spielten aber in der Praxis keine Rolle. Systemübergreifende Forderungen wurden mit dem Verweiß, die Zeit sei noch nicht reif, auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben.
Der Reformismus stellte einerseits die ideologische Basis von bürgerlichen bzw. kleinbürgerlichen Elementen dar. Andererseits widerspiegelte sich ein noch nicht vollständig entwickeltes Bewußtsein der Klasse bzw. Teile von ihr. Der Reformismus ist sehr stark von äußeren Bedingungen abhängig. Im Lauf der Zeit war nicht mehr die Kraft der ArbeiterInnen ist der Treibstoff der Bewegung, sondern Parlamentarismus, Kompromisse mit und Zugeständnisse “von oben”. Abhängig vom Druck der Massenbasis und den Spielräumen in System und Klassenkampf (Aufschwungszeiten versus Krisenzeiten) wird der Reformismus ein immer stumpferes Werkzeug für Verbesserungen.
Das Übergangsprogramm
In den ArbeiterInnen-Organisationen stützte sich der Reformismus immer und immer wieder auf diese Trennung. Die revolutionären Traditionen hingegen nahmen die Aufgaben, wie sie kamen. Die Bolschewiki schlugen zwischen den verschiedenen Ebenen des Kampfes Brücken. Leo Trotzki, führender Bolschewik, formulierte das Konzept des Übergangsprogrammes.
Das Übergangsprogramm ist nicht nur das 1938 von Trotzki verfasste Programm zur Gründung der Vierten Internationale sondern ein weitergehendes Konzept. Trotzki hat in den 30er Jahren festgestellt, dass die Situation für eine Revolution überreif sei, aber gleichzeitig auf den Widerspruch zwischen der objektiven Situation und dem Bewußtsein der ArbeiterInnenklasse hingewiesen. Im Gründungsprogramm der IV. Internationale heißt es: “Die strategische Aufgabe der nächsten Periode – einer vorrevolutionären Periode der Agitation, Propaganda und Organisation – besteht darin, den Widerspruch zwischen der Reife der objektiven Vorraussetzungen für die Revolution und der Unreife des Proletariats und seiner Vorhut (...) zu überwinden. Man muß den Massen im Verlauf ihres tagtäglichen Kampfes helfen, die Brücke zwischen ihren augenblicklichen Forderungen und dem sozialistischem Programm der Revolution zu finden. Diese Brücke muß aus einem System von Übergangsforderungen bestehen, die von den heutigen Bedingungen und dem heutigen Bewußtsein breiter Schichten der Arbeiterklasse ausgehen und stets zu ein und demselben Schluß führen: zur Machteroberung des Proletariats.”
Ein wichtiges Element des Übergangsprogrammes war seine internationale Ausrichtung. Eine bittere Lehre war die stalinistische Entartung der Sowjetunion. Die Isolation der Revolution in Rußland war eine der Ursachen.
Kaum Spielräume
Auch heute müssen revolutionäre Organisationen mittels eines Übergangsprogrammes die Brücke zwischen objektiver Situation und realem Bewußtsein schlagen. In den letzten Jahren ist es objektiv immer weniger möglich, sich auf “Minimalforderungen” zu beschränken. Der Kapitalismus ist in einer schwierigen Situation. Der Platz für Reformen wird enger. Forderungen, die in den 70er Jahren noch zum Repertoire reformistischer Organisationen gehörten, muten heute geradezu revolutionär an. Die italienische ArbeiterInnenklasse hatte nach dem Zweiten Weltkrieg die Einführung der gleitenden Lohnskala erreicht (automatische Inflationsabgeltung bei Löhnen und Gehältern, verhandelt wird nur mehr über Reallohnerhöhungen). In den 90er Jahren wurde diese abgeschafft, heute wird diese Forderung von Gewerkschaftsbürokraten als “irreal” abgetan.
Der Kapitalismus führt unausweichlich zu allen möglichen Krisen. Deshalb läuft die konsequente Logik des Reformismus (Systemüberwindung nicht auf der Tagesordnung) entweder auf Konterreformen als Instrument der herrschenden Zustände oder einen revolutionären Standpunkt mit der ArbeiterInnenklasse als alleinigen Bezugspunkt, hinaus. Vollzieht sich eine Loslösung der Klasse von der Führung (z.B. Abgehobenheit der Parteibürokrtaie) ist die Verbürgerlichung unausweichlich. Ehemalige “Reformisten” ziehen sich vor dem Hintergrund eines notgedrungen aggressiveren Kapitalismus auf “Sachzwänge” zurück. Gefordert wird nicht, was notwendig wäre, sondern was “möglich ist”. Unbestritten: Wenn man nicht kämpft, ist nichts möglich. Die Programme der verschiedenen reformistischen Parteien stellen die Systemfrage schon längst nicht mehr. Die Veränderung von Programmen drückt stets auch die Veränderung dieser Parteien aus. Mit den entsprechenden Beschlüssen auf Parteitagen wird ein meist jahrelanger Prozess zum Abschluß gebracht. Die Debatte um die Streichung der “Clause 4” im Programm der britischen Labour Party symbolisierte die Transformation zur bürgerlichen “New Labour”. Auch die SPÖ hat bereits vor Jahren das Ziel der klassenlosen Gesellschaft aus ihrem Programm verbannt und damit einen bewußten Bruch mit ihrer Geschichte und Tradition vorgenommen.
RevolutionärInnen: Die besten ReformerInnen
Menschen, deren Ziel der Sturz des Kapitalismus und die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft ist, beschränken sich umgekehrt keineswegs auf Maximalforderungen. Gerade angesichts der engeren Verteilungsspielräume, der neoliberalen Offensive und dem im Zuge der 90erJahre zurückgeworfenen Klassenbewußtseins ist die Verteidigung von und der Kampf um Reformen ein wichtiger Schritt. Bei diesen Auseinandersetzungen kommt es zu einer direkten Konfrontation mit dem Klassengegner. Der Prozeß von Kämpfen, Niederlagen und Siegen in Bezug auf Reformen ist zentral bei der Herausbildung von Klassenbewußtsein. Ein revolutionäres Programm endet nicht mit dem Erreichen der einen oder anderen Reform. Die erreichten Reformen im Kapitalismus sind ständig in Gefahr. Ein revolutionäres Programm muß erklären, wer sie warum rückgängig machen möchte und wie sie verteidigt werden können. Sozialismus ist kein abstraktes Ziel. Revolution ist eine neue Qualität der Reform. Sie ist ihre Fortsetzung und Bejahung, nicht ihr Widerspruch.
Welches Programm gegen Rassismus?
Im Kampf gegen Rassismus können Gleichbehandlungsgesetze ein Mittel sein, um Bewußtsein für das Problem zu schaffen. Lösen werden sie es jedoch nicht. Die kapitalistische Wirtschaft braucht billige Arbeitskräfte und die Spaltung der Menschen nach Herkunft und “Rasse” macht für die herrschenden Parteien Sinn. Ausgehend von Brechts “Erst kommt das Fressen, dann die Moral”, kann Rassismus effektiv nur bekämpft werden, wenn die soziale und gesellschaftliche Basis verändert wird. In Südafrika hat sich an der sozialen Apartheid durch die Beendigung der rechtlichen nichts geändert. Ein Minimalprogramm würde hier rechtliche Gleichstellung fordern, das Maximalprogramm darauf verweisen, dass Rassismus und Sexismus erst im Sozialismus endgültig überwunden werden können.
Ein Übergangsprogramm erklärt die Rolle des Rassismus als Stütze des Systems, die Notwendigkeit von sofortiger rechtlicher und sozialer Gleichstellung, die Bedeutung des gemeinsamen Kampfes von In- und AusländerInnen gegen kapitalistische Ausbeutung (z.B. für kürzere Arbeitszeiten und höhere Löhne, damit ImmigrantInnen nicht als Lohndrücker eingesetzt werden können) und die Notwendigkeit, dass Wirtschaft und Gesellschaft von der ArbeiterInnenklasse verwaltet und kontrolliert werden. Ein Programm muß außerdem klären, WER das ganze WIE erreichen soll und kann. Auch hier offenbaren sich die Schwächen der “gemäßigten”, “zivilgesellschaftlichen” und “undogmatischen” Konzepte. Deren Bündnispartner sind oft nicht zuletzt Teile der Regierung, der etablierten Parteien, Kirchen oder des Staates. “AusländerInnen” werden als bemitleidenswerte Mitbürger betrachtet, denen man helfen sollte. Für RevolutionärInnen steht die Einheit der unterdrückten Menschen im Vordergrund. Unser Programm zieht auf den aktiven Kampf aller Betroffenen ab. Die Unabhängigkeit von den etablierten Kräften und dem bürgerlichen Staat ist dabei Voraussetzung.
Programmlosigkeit als Programm
Wir leben in einer “programmlosen” Zeit. Der Zusammenbruch des Stalinismus, die endgültige Verbürgerlichung der sozialdemokratischen (Massen-)Parteien, die ideologische und neoliberale Offensive der Bürgerlichen führten zu gewaltigen Veränderungen im Bewußtsein der Menschen, in der Struktur politischer Aktivität, in den Programmen vieler Organisationen, zu Umbrüchen in Gewerkschaften, ..., den Büchern und Ergüssen der sogenannten Intelligenz. In den 90ern steht dem sozialen Verfall und der politischen Instabilität des Establishments ein großes Vakuum auf der Linken gegenüber. Programme (vor allem sozialistische) sind angeblich “out”. Das ist Käse! Programmlosigkeit ist genauso ein Programm. Nur halt keines, mit dem man den Problemen, vor denen wir stehen, begegnen kann. Wir halten daher ein konkretes revolutionäres Programm für umso wichtiger.
Ein Programm für das 21. Jahrhundert
Eckpfeiler sind unserer Meinung nach (speziell in Österreich und Europa) der Kampf um den Wiederaufbau der ArbeiterInnenbewegung und starker sozialistischer Parteien sein. Mittel dafür sind effiziente Gegenwehr zu den Angriffen der Regierung und Unternehmer. Das heißt für uns, in unserem Programm die Notwendigkeit von und das Recht auf Streiks und der Selbstorganisation zu betonen. Ebenso wie dazu unabhängige, kämpferische und demokratische Gewerkschaften nötig sind. Unsere Losung für den Aufbau einer neuen ArbeiterInnenpartei verbindet die Erkenntnisse über die neue Weltlage (neoliberale Offensive) und den Charakter der SPÖ mit dem sich entwickelnden Bewußtsein bei (vor allem) jüngeren Schichten der ArbeiterInnenklasse.
Was wir jetzt schon mit Stolz als politische Heimat anbieten können, ist unsere Partei. Wir kämpfen selbstverständlich für revolutionäre Massenparteien, sehen aber die Komplexität des Wideraufbaus der Bewegung. Daher unterstützen wir jeden Ansatz, der in Richtung einer neuen unabhängigen Klassenpartei führen sollte. Wir haben dieses Programm in die Widerstandsbewegung des Februar 2000 hinein getragen. Dem neoliberalen Credo von “Sparlogik”, “Flexibilisierung”, Ausgrenzung (Rassismus) und gesellschaftlichem Rückschritt (z.B. Frauenpolitik) gilt unsere Aufmerksamkeit. Dem wachsenden Nationalismus, der EU und der “globalisierten” Unternehmer-Logik setzen wir Internationalismus und die gewerkschaftliche Einheit gegenüber.
Unser Programm steht auf dem Boden des wissenschaftlichen Sozialismus und der Erfahrungen der ArbeiterInnenbewegung in den letzten 150 Jahren. Unser Programm findet sich in allen unseren Reden und Publikationen. Manchmal als kurze, knappe Aktionsprogramme, als einzeiliger Slogan auf einer Demo, als seitenlanger Magazinartikel, als Brief an eineN KollegIn, der/die SLP näher kennenlernen möchte, in Form eines detaillierten Übergangsprogrammes oder als Buch unserer internationalen Organisation. Denn die gesellschaftlichen Bedingungen, allem voran das Bewußtsein, haben sich in den 90ern wesentlich verändert. So ändern sich auch die Schwerpunkte und Betonungen in Programmen. Das detaillierte Übergangsprogramm ist gerade in Überarbeitung. Das dauert, denn wir nehmen diese Aufgabe ernst.