Di 25.03.2014
Die „Arbeiterpartei“ PT, gegründet 1980, verbürgerlichte innerhalb nur einer Generation. Ab 2003 enttäuscht sie all die Hoffnungen in atemberaubendem Tempo. Aggressiver Neoliberalismus und Repression nach außen, Hexenjagd gegen kämpferische Linke nach innen. Die sozialen und Protestbewegungen stehen vor einem Scherbenhaufen. Doch nicht alle sind von der Rechtsentwicklung überrascht. Die Schwesterorganisation der SLP (damals SR, ab '09 LSR) setzt umgehend Initiativen zur Bildung einer neuen breiten sozialistischen Partei. In weniger als zwei Jahren wird die Wut unzähliger AktivistInnen in organisierten Widerstand gewandelt. 2004 gründet sich die PSOL. Anfänglich wird sie von vielen linken Gruppen und aktiven Bewegungen getragen. Sie gibt sich ein weitreichend sozialistisches Programm und kämpferisches Auftreten. Diese positiven Ansätze werden in Folge von einer Tendenz untergraben, die fast ausschließlich auf Wahlen ausgerichtet ist. Wie sollen SozialistInnen mit dieser scheinbaren Gesetzmäßigkeit umgehen, dass selbst vielversprechende Projekte unter Druck ihre Ideale verraten?
Die Präsidentschaftswahlen 2006 bringen der PSOL 6,5 Mio. Stimmen. Ein solches Wachstum zieht KarrieristInnen an. So gelingt es dem rechten Flügel, das Programm zu verwässern. Angeblich, um bestimmte Schichten „nicht abzuschrecken“. Damit die PSOL zu einer ArbeiterInnen-Massenpartei wird, die nicht korrumpiert und verbürgerlicht, argumentiert die LSR für ein sozialistisches Programm (Vergesellschaftung, ArbeiterInnenkontrolle) und Prinzipien wie Facharbeiterlohn für FunktionärInnen. Sie sammelt Kräfte in Form von AktivistInnen und Positionen innerhalb der PSOL. Dies ist nötig, unabhängig vom weiteren Weg der PSOL. Dieser wird in den kommenden Konflikten entschieden. Es ist möglich, dass die bürokratischen Teile das Scheitern der PSOL besiegeln werden. Ein Anlauf für eine neue Massenpartei würde nötig werden. Gibt es dann keine gefestigte marxistische Struktur, verliert man die Chance, aus dem Negativbeispiel Schlüsse zu formulieren und in ein neues Projekt gezielt einzubringen.
Die eigentliche Aufgabe einer revolutionären Partei steckt in der Überwindung des Kapitalismus. Es ist kaum eine schwierigere Mission vorstellbar. Eine überhebliche oder zynische Beurteilung ist unangebracht, wenn es um Programm-Streitigkeiten, Spaltungen, Mitgliedschaften und Bündnisse geht. Letztlich stecken hinter allen organisatorischen Umbrüchen, Zerwürfnissen sowie Neubildungen soziale Interessen. Eine Organisation ist ein Vehikel zur Umsetzung ebendieser und damit ein Mittel zum Zweck.
Der gleichzeitige Aufbau einer marxistischen Strömung parallel zu einer größeren neuen ArbeiterInnen-Partei wird als 'doppelte Aufgabe' bezeichnet. Die Notwendigkeit dafür entspringt der Lage, die durch den Zusammenbruch des Stalinismus sowie die vollständige Rechtsentwicklung bzw. Verbürgerlichung der sozialdemokratischen und „kommunistischen“ ehemaligen Massen-Parteien entstanden ist. Hinzu kommt: die Vielfalt in den unterdrückten Schichten prägt die soziale Komplexität einer breiten Partei. In Brasilien reicht der Bogen von BewohnerInnen der Favelas über die Landlosen, Gruppen von Indigenas im Kampf gegen die Zerstörung ihrer Lebensräume, die städtischen ArbeiterInnen, Studierende, Erwerbs-Arbeitslose, Öffentlicher Dienst bis zu jenen Mittelschichten, die sich sozial und politisch der ArbeiterInnenschaft annähern.
Die Zeichen der gesellschaftlichen Entwicklung stehen auf Sturm. Jene innerhalb der PSOL auch. Die Dinge beeinflussen sich gegenseitig, wobei es auch Massenkämpfe geben kann, wenn die PSOL diese nicht aktiv voranbringt. Allerdings ist für mittel- und langfristige Erfolge solcher Bewegungen die Klammer einer ArbeiterInnen-Partei zentral. Ohne Forderungen und Ideen, die über die Tagesgeschäfte hinausreichen, verebben Bewegungen zu leicht aufgrund von politischer Desorientierung und Zersplitterung. Die Rückwirkung folgt auf dem Fuß: Ohne erfolgreiche Massenbewegungen droht selbst die ernsthafteste marxistische Organisation zu einem Statisten der historischen Abläufe zu verkommen.
LSR lässt sich durch die Probleme innerhalb der PSOL nicht davon abhalten, aktiv an Kämpfen teilzunehmen und diese auch zu initiieren: Proteste gegen Fahrpreiserhöhungen, Aufbau einer Frauen-Bewegung gegen die weitverbreitete Gewalt und das enorme Lohngefälle (73 % weniger als Männer), Landbesetzungen in den Vororten von Sao Paolo und die Vorbereitung einer Konferenz, um die Proteste anlässlich der Fußball-WM auf eine solide Basis zu stellen.