Di 25.03.2014
Brasilien: Eines der wirtschaftlich und politisch dominanten Länder Lateinamerikas, in dem sich nicht nur einige der größten Städte der Welt befinden, sondern auch modernste Industrie. Dennoch leben Millionen als verelendete LandarbeiterInnen und KleinbäuerInnen in quasifeudalen Verhältnissen. Das gebrochene Versprechen der kapitalistischen Eliten, alle unter ihnen lebenden Menschen in die Moderne zu führen, zeigt sich hier sehr deutlich. Zwar hat die internationale Konkurrenz die KapitalistInnen und ihre Regierungen in rückständigeren Ländern gezwungen, die Entwicklung der Metropolen möglichst sprunghaft nachzuholen. Durch importsubstituierende Industrialisierung und, damit verbunden, eine meist rigide staatliche (oft militärische) Kontrolle über Wirtschaft und Gesellschaft wollte man den historischen Rückstand aufholen. Es entstanden moderne Industrien in den Zentren. Dabei war das Ziel der ohnehin weitestgehend vom Imperialismus abhängigen Bourgeoisie, den Westen/Norden einzuholen, utopisch. Im Rahmen globaler kapitalistischer Arbeitsteilung waren die Länder von Anfang an zur (relativen) Rückständigkeit verurteilt.
Immer mehr Menschen entflohen dem ländlichen Elend und übersiedelten ins Städtische. Dazu schrieben Marx und Engels bereits 1847: „Die Bourgeoisie hat das Land der Herrschaft der Stadt unterworfen. Sie hat enorme Städte geschaffen, sie hat die Zahl der städtischen Bevölkerung gegenüber der ländlichen in hohem Grade vermehrt und so einen bedeutenden Teil der Bevölkerung dem Idiotismus des Landlebens entrissen.“ (Manifest der Kommunistischen Partei).
Ein bedeutender Teil des Landes blieb aber in rückständigen agrarischen Produktions- und Lebensverhältnissen gefangen. Hier wurde nicht nur nicht investiert, die GroßgrundbesitzerInnen und Agrarkonzerne hatten auch großen Einfluss auf das wirtschaftlich relativ schwache Regime und verbaten sich jegliche Einmischung in den eigenen Machtbereich. Dies verhinderte die notwendigen Landreformen und führte zu einem Heer landloser Bauern/Bäuerinnen. Was bleibt, ist die Kombination aus Moderne und Rückständigkeit im Rahmen einer kapitalistischen Gesellschaft.
Eine solch ungleiche Entwicklung, die jedoch gleichzeitig (also kombiniert) stattfindet, ist nichts Neues. Das historische Paradebeispiel war das zaristische Russland. Dazu schrieb Leo Trotzki: „Die Ungleichmäßigkeit, das allgemeinste Gesetz des historischen Prozesses, enthüllt sich am krassesten und am verwickeltsten am Schicksal verspäteter Länder. Unter der Knute äußerer Notwendigkeit ist die Rückständigkeit gezwungen, Sprünge zu machen. Aus dem universellen Gesetz der Ungleichmäßigkeit ergibt sich das Gesetz, das man mangels passender Bezeichnung das Gesetz der kombinierten Entwicklung nennen kann, im Sinne der Annäherung verschiedener Wegetappen, Verquickung einzelner Stadien, des Amalgams archaischer und neuzeitiger Formen.“ (Geschichte der Russischen Revolution, 1930). Die moderne Industrie war mit Armut und oft Diktatur kombiniert. Die Lösung der sozialen Frage und das Erreichen demokratischer Rechte ist nur durch die Überwindung des Kapitalismus möglich. In Russland wie in Brasilien.