Mo 29.11.2010
Mindestens 100.000 Menschen in Österreich haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Durch Prekariat, Scheinselbständigkeit, Studium, Armut und Erwerbslosigkeit fallen immer mehr aus derVersicherung und haben nicht einmal im Notfall einen Arzt. Teilweise werden sie von karitativen Einrichtungen notdürftig behandelt. Wie viele mangels Behandlung schwere Folgeschäden oder den Tod erleiden interessiert niemanden, weil der Anschein einer flächendeckenden, modernen Gesundheitsversorgung für die gesamte Bevölkerung gewahrt werden muss. Durch die Kürzungspläne der Regierung wird alles noch düsterer.
Regierung verhindert Widerstand durch Sparen bei den Schwächsten
Reiche, die für Angehörigenpflege MigrantInnen prekär beschäftigen, erkennen naturgemäß keinen Pflegenotstand. Das Pflegegeld ist ein Tropfen auf den heißen Stein, es deckt laut Rechnungshof maximal 58 % der Kosten. Das bedeutet die Gefahr der Armut von Pflegebedürftigen und Ausbeutung der Pflegenden: also unbezahlte Arbeit von Angehörigen, meist Frauen. 80 % der Pflegenden sind Angehörige, davon wieder 80 % Frauen, 30 % aller Pflegenden sind burn-out-gefährdet. Die Erschwerung des Zugangs zu den ersten beiden Pflegegeldstufen trifft diejenigen, die sich nicht wehren können.
“Wertlose” Arbeit?
Im Kapitalismus zählt Profit. An diesem Prinzip ändern auch Reformen und Sozialgesetze nichts. Unbezahlte soziale Arbeit wird für Profitsteigerung und Lohndruck gebraucht. Billig oder kostenlos leisten hier v.a. Frauen und Zivis Schwerstarbeit. Das Frauenbild der “Mutter und Helferin” hat “handfeste” Gründe. Im Gesundheitswesen geht ohne gemeinnützige Organisationen und unbezahlte Arbeit der Zivildiener nichts, dennoch werden dort 3,5 Mio. EUR gestrichen.
Aber auch jene Beschäftigten, die ihre Arbeit bezahlt bekommen, verdienen wenig für eine körperlich und menschlich sehr belastende Arbeit. Die Einkommen der Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich liegen um rund ein Fünftel unter dem Durchschnittseinkommen. 2006 verdienten nach einer Studie der AK Salzburg 70 % der Beschäftigten im Gesundheitswesen maximal 1500 EUR netto. Die Belastungen durch Personalmangel sind enorm. ArbeitnehmerInnen leiden verstärkt an burn-out-Syndrom und physischen Erkrankungen.
Kaputtgesparte Krankenanstalten
In Krankenanstalten kommt es wegen Personalmangels und Spardrucks zu massiven Problemen. Im AKH-Wien gab es wochenlange Proteste der Hebammen. Im LKH Klagenfurt schlugen ÄrztInnen Alarm über Personalmangel. In einer Betriebsversammlung wurde auf die Fehlplanung beim LKH neu und die fehlende Einbeziehung der ÄrztInnen aufmerksam gemacht. Der ärztliche Leiter wurde entlassen und sieht seine Kritik als Grund. Nach Auskunft der ÄrztInnen fehlen im Krankenhaus 10-24 Intensiv-KrankenpflegerInnen und herrschen Zustände “wie auf einem Rangierbahnhof”. Beschäftigte protestieren gegen intensiven Lohndruck. Bei einer Nierenoperation kam es zu einem folgenschweren Fehler. Es gibt Gerüchte über eine Schließung des Krankenhauses - bald werden Vorschläge kommen, dass die Beschäftigten durch Lohnverzicht die Schließung abwenden sollen. Doch das LKH Klagenfurt ist nur ein Beispiel für die verheerenden Folgen der Sparpolitik. Die vom Gesundheitsminister geplante Zentralisierung im Spitalsbereich hat als Ziel die Nivellierung nach unten - es werden die jeweils miesesten Standards gelten um zu sparen.
Regierung schröpft Kranke um 60 Millionen
Die Kassen haben schon fleißig gekürzt - nun beschneidet die Regierung die Zahlung an den Krankenkassenstrukturfonds von 100 Mio. EUR auf 40 Mio. EUR. Leistungen der Kassen werden also weiter reduziert. Kurz nach Beschluss des Sparpakets gab die Sozialabteilung des Landes Oberösterreich die Kürzung von 33 % des Budgets für psychosoziale Beratungsstellen und Krisendienste bekannt.
Zwei-Klassen-Medizin ist System
Durch die Höchstbemessungsgrundlage leisten hohe Einkommen - wenn überhaupt - nur einen winzigen Teil Sozialversicherungsbeiträge. Dienstgeberbeiträge richten sich nach dem Lohn. Sie stehen in keinem Verhältnis zu riesigen Gewinnen von Konzernen, sondern verringern sogar den steuerpflichtigen Gewinn. Von großen Vermögen, hohen Unternehmensgewinnen und Einkommen sowie von Kapitalerträgen werden überhaupt keine Beiträge geleistet. Unternehmen profitieren von Arbeit, diese macht häufig auch noch krank. Der Druck in der Arbeitswelt verursacht immer mehr psychische und physische Krankheiten. Dennoch werden die Kosten für das Gesundheitswesen auf ArbeitnehmerInnen abgewälzt. Wer kann, versichert sich privat und Versicherungsunternehmen profitieren. Die anderen sind von Leistungskürzungen und schweren Mängeln im Gesundheitswesen betroffen oder ganz von medizinischer Versorgung ausgeschlossen.
- Ausbau statt Kürzungen im Gesundheitssystem. Wer von der Arbeit anderer, die oft auch noch krank macht, profitiert soll für das Gesundheitswesen zahlen.
- Im Gesundheitswesen müssen gut bezahlte, gut ausgebildete Menschen in ausreichender Zahl und mit ausreichender Ausstattung hochwertige Leistungen erbringen.
- Gesundheitsleistungen müssen allen gleich - und daher kostenfrei und versicherungsunabhängig - zugänglich sein. Medizinische Versorgung darf kein Privileg Wohlhabender sein!