Mi 01.09.1999
Seit einigen Jahren stehlen sich Unternehmer immer stärker aus ihrer Verantwortung der Lehrlingsausbildung davon. Daraus ergibt sich die skurile Situation, daß die Wirtschaft regelmäßig über mangelnd ausgebildete Facharbeiter klagt aber immer weniger Lehrlinge ausbildet. Das Ergebnis davon ist einerseits steigende Jugendarbeitslosigkeit und andererseits, daß sich die Unternehmer die Ausbildungstätigkeit von der öffentlichen Hand zahlen lassen.
So erklärte Klima auch das Thema Jugendarbeitslosigkeit in letzter Zeit zur „Chefsache“ und läßt keine peinliche Gelegenheit aus, bei Unternehmen um Lehrplätze zu betteln. Jetzt sprießen Kurse und andere „Auffangnetze“ aus dem Boden für all jene die trotzdem keine Lehre finden. Das Konzept, das dahinter steht ist aber nicht der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit, sondern gegen die Arbeitslosenstatistik. So kann sich Klima im Wahlkampf damit schmücken, daß Österreich angeblich Europas niedrigste Jugendarbeitslosigkeit hat. Um die tatsächliche Situation von Lehrlingen aufzuzeigen haben wir folgendes Interview geführt (der Name von der Redaktion geändert).
Vorwärts: Du hast konkrete Erfahrungen aus Deiner Lehrzeit - was sind die Eckpunkte:
Roland: Ich habe eine Lehre als Bäcker begonnen, weil ich aufgrund meines schlechten Zeugnisses keine andere Stelle gefunden habe. Die Realität war dann ziemlich bitter: 10 unbezahlte Überstunden die Woche. Und die Arbeitszeiten: Offizieller Beginn war 4 Uhr morgens, aber trotzdem mußte ich meistens schon um 2 oder 3 in der Arbeit sein und dann das Übliche, daß man nur Scheißarbeit machen muß. Dazu bin ich dann noch die ganze Zeit beschimpft worden. Einmal bin ich ausgerutscht und habe mir mit 280 Grad heißem Fett die Hand verbrannt. Trotzdem mußte ich drei Stunden weiterarbeiten ohne das irgendwie zu versorgen oder zum Arzt gehen zu können.
Vorwärts: Hast Du nicht versucht gegen diese schlimmen Verhältnisse was zu tun?
Roland: Als erstes bin ich eh zur Gewerkschaft gegangen und habe mich mit dem Jugendsekretär oder so von der ANG getroffen. Ich habe ihm meine Arbeitszeitaufzeichnungen gegeben und gehofft, daß sich was ändern wird. Geändert hat sich aber nichts und von der Gewerkschaft habe ich auch nichts mehr gehört. Dann hat es mir gereicht und ich bin zum Chef gegangen und habe gekündigt. Nur die Arbeiterkammer hat mir dann geholfen, daß ich zumindest noch das aliquote Urlaubs- und Weihnachtsgeld bekommen habe – für die ganzen Überstünden habe ich nichts gekriegt.
Vorwärts: Was machst du jetzt?
Roland: Ich bin arbeitslos gemeldet und in einem AMS-Kurs. Der dauert von 8 bis 15 Uhr fünfmal die Woche sechzehn Wochen lang. Dort lernen wir hauptsächlich so Sachen wie Bewerbungsschreiben verfassen und so. Und das ist dann auch im Großen und Ganzen die Hauptaufgabe des Kurses und wir sind nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik.