Nein zur Zerschlagung und Privatisierung der Sozialversicherung

Versicherung oder Almosen?
David Mum

Die Kontroverse um die Besetzung des Hauptverbandes der Sozilaversicherungsträger zeigt eines deutlich auf: die Bundesregierung beschränkt sich im Sozialbereich nicht auf eine Kürzung der Leistungen, sondern will das gegenwärtige System zerschlagen.
Nachdem im Oktober die Pensionskürzungsreform in Kraft getreten ist, wurden ab 1.1. auch zahlreiche Leistungskürzungen in der Arbeitslosen- und der Krankenversicherung wirksam. Die Bundesregierung will die gesamte Sozialver- sicherung demontieren, umbauen und teilprivatisieren.

Das 3-Säulenmodell

Im Pensionssystem sollen die gesetzlichen Pensionen gekürzt werden. Diese künftig "1. Säule" wird also nicht mehr ausreichen und Menschen zu Privatversicherungen gedrängt. Das macht die Pensionen weder sicherer, noch billiger. Aber die Unternehmer ersparen sich viel Geld, das jetzt verstärkt die ArbeitnehmerInnen aufbringen müssen. Denn bei der "3. Säule" (die private Pensionsvorsorge) gibt es logischerweise keine Dienstgeberbeiträge mehr. Der ganze Versicherungsaufwand muss jetzt von den Versicherten selbst getragen werden. Bei der 2. Säule, den Betriebspensionen, gibt es zwar auch Arbeitgeberbeiträge, trotzdem sind die keine Alternative zur gesetzlichen Pensionsversicherung. Denn für Zeiten der Kindererziehung oder Perioden der Arbeitslosigkeit erwirbt man/frau keine Ansprüche auf Betriebspensionen. Der klare Verlierer sind also die ArbeitnehmerInnen. Am meisten verlieren dabei jene, die nicht durchgehend vom Berufsbeginn bis zur Pension einen sozial abgesicherten Arbeitsplatz haben. Und das sind allein schon einmal 700.000 Menschen die pro Jahr einmal von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Das steckt also hinter dem Schlagwort: 3-Säulenmodell - Kürzungen auf dem Rücken der Beschäftigten zu Gunsten der Privatversicherungen und den Unternehmern.

Krankenversicherungen

Bei den Krankenversicherungen soll der Wettbewerb auf Kosten der sozial Schwachen Versicherten eingeführt werden. Die Regierung überlegt, auf die freie Wahl der Versicherung umzustellen. Die Zuordnung eines Versicherten zu seiner Sozialversicherung ist momentan gesetzlich geregelt. Eine freie Wahl der Kasse ist nicht möglich. Bei einer Versicherungspflicht kann man/frau sich die Versicherung hingegen selber aussuchen. Das klingt auf den ersten Blick ganz verlockend.
Aus internationalen Beispielen kann man/frau aber erkennen, dass bei der freien Wahl der Versicherung kein soziales Gesundheitssystem mehr aufrechterhaltbar ist. Private Versicherungen wollen nur die versichern, die ihnen keine hohen Ausgaben bescheren. Also die Gesunden und Jungen. Ältere und krankheitsanfällige Menschen sind für die Versicherungen ein Verlust, denn sie verursachen höhere Kosten. Logische Folge ist, dass sie auch höhere Beiträge zahlen müssen. Dazu schrieb der Schweizer Tagesanzeiger am 17.6.2000 über die Erfahrungen der Schweiz mit der Privaten Krankenversicherung: "Die Krankenkassen balgen sich um die sogenannten guten Risken; die schlechten will dagegen niemand...Statt Kosten zu senken, widmen sie sich der Risikoselektion". Wer also schon krank ist oder wird bleibt auf der Strecke. Mit Gerechtigkeit und Solidarität hat diesen System nichts mehr zu tun!

Die Lüge von den billigeren Privatversicherungen

Ein Argument zur Zerschlagung der Sozialversicherung von Seiten der Regierung sind die angeblich enormen Kosten. Demgegenüber steht aber, dass die privaten Krankenversicherungen (KV) im Durchschnitt nur 75 Prozent ihrer Einnahmen für Leistungen ausgeben. 25 Prozent werden für Provisionen, Gewinne und Verwaltung aufgewendet. Die Ausgaben der sozialen KV für ihre Leistungen liegen hingegen bei stolzen 96% und nur 4% für die Verwaltung. Angesichts dieser Zahlen entpuppen sich die Argumente von Regierung und Wirtschaft sehr schnell als Finte und es fällt schwer zu glauben, dass private Versicherungen tatsächlich billiger sein können. Die großen Gewinner eines "Systemwechsels" wären also nicht die Versicherten, sondern die Versicherungen, denen so ein enormes Geschäft zugeschanzt wird.

Arbeitslosenversicherung

Bei der Arbeitslosenversicherung ist wiederum die Umwandlung des AMS (=ehemaliges Arbeitsamt) in eine GMBH geplant. Damit stiehlt sich der Staat noch weiter aus der Verantwortung für die Miserie am Arbeitsmarkt. Nebenbei dient die Arbeitslosenversicherung der Regierung noch zum Stopfen von Budgetlöchern. So werden 25 Mrd. Schilling der Arbeitslosenversicherung für Leistungen verwendet, während 19,6 Mrd. in die Staatskasse umgeleitet werden. Konkret heißt das, dass während offensichtlich genug Geld in der Arbeitslosenversicherung vorhanden ist, das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe permanent gekürzt werden. Somit werden zig Milliarden Schilling aus den Beiträgen der Beschäftigten für Grassers "Nulldefizit" verwendet. Auch hier zeigt sich deutlich: Gespart wird auf dem Rücken der ArbeitnehmerInnen und Arbeitslosen!

Gleiche Rechte für Alle!

Wir fordern ein Ende der Ausplünderung der Arbeitslosenversicherung, die Rücknahme der Kürzungen von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe und deren Erhöhung, die Abschaffung des Zwangsar- beitsprojekt Integra und vor allem gleichen Leistungszugang für alle ArbeitnehmerInnen. Denn gerade ausländische KollegInnen dürfen zwar die vollen Beiträge zahlen, sind aber den BesitzerInnen eines österreichischen Passes noch immer nicht gleichgestellt. Bei Arbeitslosen, die noch nicht acht Jahre in Österreich wohnen und die über eine Niederlassungsbewilligung für den Aufenthalts- zweck "Privat" bzw. über eine Aufenthaltserlaubnis verfügen, geht das Arbeitsmarktservice davon aus, dass sie kein Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe erhalten können. Das sind unhaltbare Zustände. Das sind unhaltbare Zustände. Wir fordern den gleichen Leistungszugang für alle, die Beiträge in die Arbeitslosenversicherung einbezahlen.

Sozialversicherung oder Almosen?

Die Regierung versucht alle diese Maßnahmen unter dem Deckmantel der "sozialen Gerechtigkeit" zu verkaufen. In Wirklichkeit geht es aber darum, die Unselbständigen nur nochweiter gegeneinander auszuspielen: in Arbeitslose und in Beschäftigung stehende, in Junge und Alte, Kranke und Gesunde und Männer und Frauen, In- und Ausländer und schließlich Jene, die sich teure Privatversicherungen leisten können und Jene, die sich das nicht können. Nur gemeinsam können wir uns gegen die Umwandlung des Sozialversicherungsprinzips hin zum Auszahlen von Almosen wehren.

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