Mo 15.04.2013
Agrarwende statt Agrarindustrie!
Die aktuellen Lebensmittelskandale offenbaren die Krise der Lebensmittelindustrie! Wir Grünen stehen für Qualität statt Quantität, für regionale Produktkreisläufe und für kurze Transportwege. Wir kämpfen für mehr Demokratie und soziale Gerechtigkeit in der Agrarpolitik und für ein gentechnikfreies Europa! Dafür braucht es einen qualifizierten Außenschutz für kleinbäuerliche Familienbetriebe und ein Ende des Export-Dumpings.
Ernährungssouveränität bedeutet, dass die Bürgerinnen und Bürger die Lebensmittelmärkte aktiv mitgestalten. Politik mit dem Einkaufskorb muss solidarisch organisiert werden! Derzeit werden in Österreich jährlich 500.000 Lebend-Schweine und 100.000 Rinder importiert. Das ist unnötiges Tierleid durch unsinnige Tiertransporte! Diese Tiere werden in Österreich geschlachtet und verarbeitet und kommen als österreichische Qualitätsprodukte – meist mit einer rot-weiß-roten Fahne - dann auf den Markt.
Wir Grünen sagen Wo Österreich draufsteht muss Österreich drin sein! – Daher fordere ich auch ein Gütesiegelgesetz, welches mit dem Etikettenschwindel Schluss macht. Wir brauchen klare Regeln für eine Herkunftskennzeichnung in Österreich und der EU. Wir wollen die Stärkung der regionalen Lebensmittelproduktion und keine Agrarfabriken!
In Österreich werden jährlich mehr als 500.000 Tonnen Gentechnik-Soja aus Brasilien, USA und Argentinien importiert. Davon kommt auch ein beträchtlicher Teil in den Futtertrog von AMA-Gütesiegel-Schweine! Dieses Futter hat mit Österreich nichts am Hut! Die KonsumentInnen wollen keine Gentechnik-Lebensmittel! Wir wollen 100 % gentechnikfreien Anbau auf dem Acker aber auch 100 % gentechnikfreie Fütterung!
Die konsequenteste Umsetzung einer umweltorientierten Produktion ist der biologische Landbau! Für die Förderperiode 2014-2020 fordere ich die Verdopplung des Biolandbaus in Österreich und ein Ziel von 20 % für die gesamte EU. Nur ein Gütesiegel-Gesetz, welches die Auslobung der Herkunft, den Aspekt der Regionalität und die Bewerbung von Tierschutz und Gentechnikfreiheit umfasst, kann dem Konsumenten mehr Sicherheit verschaffen!
Fairer Handel umfasst auch Sozialstandards und das Verbot von Kinderarbeit! Für die Entwicklungsländer braucht es klare Vorrang-Regeln zum Schutz ihrer eigenen Lebensmittelversorgung. WTO und Weltbank müssen in die Schranken gewiesen werden - das Recht auf Nahrung ist ein Menschenrecht!
- Wolfgang Pirklhuber, Abgeordneter zum Nationalrat sowie Sprecher für Landwirtschaft und Lebensmittelsicherheit der Grünen
Her mit der Macht der KonsumentInnen
Alle Kontrollstellen für Bio-Produkte sind Privatunternehmen. Sie sehen sich als „Dienstleister“ und „Partner“ für die Automobil- bis Chemieindustrie. Der Raiffeisen-Konzern ist dick im Bio-Geschäft. Kontrolle und Kennzeichnung sind gut, aber beschränkt. Die Schranke heißt Profit. Gesetze für Qualitätsstandards, Kennzeichnungen und Kontrollen sind für KonsumentInnen kaum nachvollziehbar.
Was ist ein Siegel, das (und von wem?) geprüft wird und was sind nur Bezeichnungen/Marken, die ProduzentInnen sich selbst „verleihen“? Auch heben sie nicht die „Macht der KonsumentInnen“, sondern delegieren sie bloß an Regierung und Unternehmen. Armut und Arbeitsbelastung steigen. Viele sind auf Sozialmärkte angewiesen und wenige können „faire Preise“ zahlen. Gesunde und ökologisch nachhaltige Ernährung erfordert Aufwand und Zeit. Das verlagert Ressourcen für solidarische politische Kämpfe auf die individuelle Ebene. Die Kämpfe sind aber nötig, um KonsumentInnen tatsächlich Gestaltungsmöglichkeit zu geben. Oft wird ihnen die Verantwortung für Lebensmittelskandale aufgehalst, weil sie wenig für Nahrung ausgeben wollen.
Wenn ein geringerer Teil des Einkommens für Lebensmittel ausgegeben wird als vor hundert Jahren, bleibt Geld für z.B. Kultur, Freizeit etc. Trotzdem hat sich Nahrung massiv verteuert, etwa Gemüse um 13% (!) im Gesamtjahr 2012. Massenproduktion mit Tierquälerei, Umweltschäden und Lebensmittelskandalen gibt es, weil im Kapitalismus eben nicht bedürfnisorientiert produziert wird.
Nur privilegierte Schichten der Gesellschaft (insb. global) können mit dem Einkauf Druck ausüben. Das ist nur durch Lösung der Nahrungsmittelproduktion von privaten Profiten änderbar.
Kontrollen sind nur effektiv, wenn sie von Organisationen der KonsumentInnen und Beschäftigten, wie etwa der Arbeiterkammer, nicht von profitorientierten Unternehmen ausgeübt werden. Beschäftigte in der Lebensmittelproduktion müssen durch Gewerkschaften organisiert und unterstützt sein, um bei ihrer Arbeit kontrollieren und angstfrei Missstände melden zu können.
Macht haben KonsumentInnen erst, wenn ihnen die Produktion gehört: Das bedeutet Verstaatlichung von Agrar- und Lebensmittelkonzernen und Führung der Betriebe unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten und KonsumentInnen und ihrer Organisationen. Nur so ist gewährleistet, dass Lebensmittel nach den Bedürfnissen der KonsumentInnen und damit ökologisch nachhaltig, gesund, tierfreundlich und für alle in hoher Qualität leistbar produziert werden.
- Helga Schröder, Bundesvorstandsmitglied der SLP