Mo 20.11.2006
Am 2.11. schlossen VertreterInnen der Gewerkschaft und der Industrie mit einem Kompromiss die Kollektivvertragsverhandlungen für rund 160.000 KollegInnen in der Metallindustrie und im Bergbau ab. Dieser gilt als richtungsweisend für alle ArbeitnehmerInnen.
Wie kam es zu diesem Abschluss?
Am 27.9. übergaben die VertreterInnen der Gewerkschaft ihre Forderungen an die IndustrievertreterInnen. Diese “Wünsche” beinhalteten kaum Konkretes, da nur allgemein Erhöhungen verlangt wurden. Also: +0,1 % ist doch auch eine Erhöhung. Demgegenüber waren die Forderungen der UnternehmerInnen wesentlich konkreter, aber auch altbekannt. Längere Arbeitszeiten und Durchrechnungszeiträume (das läuft unter Flexibilität), niedrige Lohnerhöhung, bzw. gewinnabhängige Erhöhungen. Damit versucht die Wirtschaft das schon lange angestrebte Verlagern der Lohnverhandlungen auf Betriebsebene auf andere Art durchzuführen.
Protestmaßnahmen nur zum Dampfablassen?
Nach der 2. Runde am 12.10. herrschte Empörung beim Verhandlungsteam. Bei den am 13.10. abgehaltenen BetriebsrätInnen-Konferenzen war von “Unmut über die ungenügenden Angebote der ArbeitgeberInnen und deren massive Forderung, die Lohn- und Gehaltserhöhungen an das Betriebsergebnis zu koppeln.” hörbar. Erich Foglar, Vorsitzender der Metall/Textil/Nahrung (GMTN) in einer Presseaussendung: “Die Gewerkschaften stehen nach wie vor zu ihrem Grundsatz der solidarischen Lohnpolitik. Die Abgeltung der Inflation für alle und darüber hinaus gewinnabhängige Einmalzahlungen in den Betrieben widersprechen diesem Grundsatz allerdings vollkommen.”
Bei den BR-Konferenzen wurde beschlossen, im Falle eines Scheiterns der nächsten Runde, Betriebsversammlungen einzuberufen, um Maßnahmen zur Durchsetzung der Forderungen zu diskutieren und zu beschließen.
Als dann auch die 3. Runde ergebnislos abgebrochen wurde, kam es zwar zu Betriebsversammlungen, jedoch wurden die beschlossenen Vorhaben nicht umgesetzt. Stattdessen wurden die Beschlüsse der BetriebsrätInnenkonferenzen lediglich erneuert und die Diskussion über Kampfmaßnahmen verschoben.
Schlussendlich wurde am 2.11. entgegen allen vorherigen Ankündigungen einer Lohnerhöhung von 2,6 % und einer Einmalzahlung von EUR 100,– zugestimmt. Die EUR 100,– gibt’s aber nur in Betrieben, die letztes Jahr Gewinne gemacht haben. Und sie dienen nicht als Berechungsgrundlage für die nächsten Verhandlungen, was längerfristig die Reallöhne senkt.
Grundsätze “solidarischer Lohnpolitik” verloren?
Das Verhandlungsteam ist also in allen Belangen umgefallen, hat die Beschlüsse der BetriebsrätInnen ignoriert und unterstützt die UnternehmerInnen mehr als die Beschäftigten. Schon vor Verhandlungsbeginn wurden von Seiten der Wirtschaft 2,6 % als oberste Grenze angesehen. Dem hat sich das Verhandlungsteam gefügt, wofür eigentlich keine Verhandlungen notwendig wären. Bessere KV-Abschlüsse sind aber möglich. Dafür müssten die VerhandlerInnen nur auf ihre KollegInnen hören und auch das umsetzen, wozu sie beauftragt werden. Dies funktioniert natürlich nur, wenn von der üblichen Stellvertreterpolitik – nach dem Motto: “Wir wissen besser als ihr, was gut für euch ist” – abgegangen wird.
Schluss mit der Stellvertreterpolitik!
Schon vor Verhandlungsbeginn müssen BetriebsrätInnen UND KollegInnen die Forderungen beraten und diese auch in konkreten Zahlen darlegen. Über Kampfmaßnahmen darf nicht erst dann diskutiert werden, wenn uns die Wirtschaft schon wochenlang an der Nase herumführt. Die Verhandlungsteams müssen von den Betroffenen gewählt werden, was natürlich auch deren Abwählbarkeit einschließt, falls sie nicht im Sinne der KollegInnen agieren. Beschlossene Kampfmaßnahmen müssen umgesetzt und nicht immer immer wieder verschoben werden. Die KollegInnen müssen laufend von den Verhandlungen unterrichtet werden; zum Beispiel durch Veröffentlichung der Verhandlungsprotokolle oder Liveübertragung auf der ÖGB-Homepage. Und schlussendlich müssen die Betroffenen einem Abschluss zustimmen und dürfen nicht nur davon informiert werden. Leider sieht es in der Gewerkschaftsführung nicht so aus, als
würde sich in diese Richtung etwas tun, weshalb wir dazu aufgerufen sind, bei jeder sich bietenden Möglichkeit den FunktionärInnen klarzumachen, dass die Gewerkschaftsbewegung nur MIT uns erfolgreich sein kann. Wir müssen selbst aktiv werden, uns in den Betrieben organisieren, über Gewerkschaftsarbeit diskutieren und Forderungen an die FunktionärInnen erarbeiten. Wir dürfen nicht darauf warten, bis wir vielleicht irgendwann mal gefragt werden und unsere Antworten dann sowieso ignoriert werden.