Di 01.09.1998
29 513 Jugendliche sind in Österreich zur Zeit arbeitslos gemeldet. In der EU war 1997 jeder fünfte Jugendliche arbeitslos. Damit ist die Jugend eine der am stärksten vom Problem Arbeitslosigkeit betroffenen Gesellschaftsschichten. Denn die Dunkelziffer ist bei den Jugendlichen bedeutend höher als in anderen Bereichen. Mangel herrscht im Lehrlingsbereich praktisch überall – wer das Glück hatte, eine Lehrstelle zu finden, ist mit miserablen Ausbildungsbedingungen konfrontiert.
Die Antworten der Regierung auf die Problematik decken sich allerdings meist mit Unternehmerkonzepten, die die Probleme nicht lösen können. Teil der bürgerlichen Konzepte ist z.B. die Schaffung neuer, in immer höherem Ausmaß spezialisierter und sinnloser Berufe: HörgeräteakustikerIn, AssistentIn für Notariate, AssistentIn für Rechtsanwaltskanzleien, Sportartikelmonteur/in, Straßenerhaltungsfachmann/frau oder Systemgastronomiefachmann/frau (Kassier oder gar Koch bei McDonalds) – nur als kleine Kostprobe. In der Folge sind die Jugendlichen in noch weiterem Maße von ihren Arbeitgebern abhängig, da sie nur mehr in einem sehr engen Bereich als FacharbeiterIn tätig sein können. EinE „Entsorgungsfachmann/frau für Abwässer“ könnte im Bereich der Abfallentsorgung z.B. nur als HilfsarbeiterIn mit dementsprechend niedrigerem Lohn arbeiten. Eine Entwicklung, die also durchaus den Interessen der Unternehmer entspricht. Und das Problem Jugendarbeitslosigkeit nicht zu lösen vermag. Denn selbst in bürgerlichen Medien wie dem Kurier wird zugegeben, daß diese neuen Berufe „kaum Lehrstellen“ bringen.
Die neuen Berufe sind nicht nur für die Lehrlinge uninteressant. So wurden in den zwei Jahren seit Bestehen der Hörgeräteakustikerlehre ganze zwei Lehrverträge abgeschlossen, bei der Abwasserentsorgung steht dem einen Lehrstellensuchenden genau keine Lehrstelle zur Verfügung. Dazu kommt, daß rund 100 der 250 verschiedenen Lehrberufe sich „historisch überholt“ haben - also defacto nicht mehr existent sind. An den grundsätzlichen gesellschaftlichen Problemen vermag das Überangebot an Lehrberufen sowieso nichts zu ändern. So ergreifen beispielsweise noch immer mehr als 55% der weiblichen Lehrlinge eine der drei traditionellen „Frauenlehren“: Einzelhandelskauffrau, Bürokauffrau oder Friseurin.
Deshalb fordern wir die Reduzierung der Lehrberufe auf Flächenberufe. Das heißt, daß ähnliche Berufe zu einer einheitlichen Ausbildung zusammengefaßt werden sollen. Nur so können Lehrberufe mit „Schmalspurcharakter“ verhindert werden, nur so kann garantiert werden, daß man auch in verwandten Berufen einen Job als FacharbeiterIn findet.
Ausbildung raus aus Unternehmerhand!
Tatsache ist, daß sich, solange die Ausbildung in Händen der Unternehmer ist, nichts an der Problematik ändern wird. Denn die Wirtschaft hat in Zeiten der Krise und Massenarbeitslosigkeit einen geringeren Bedarf an FacharbeiterInnen. Und wozu eineN FacharbeiterIn ausbilden, aus dessen Fähigkeiten später sowieso kein Nutzen gezogen werden kann? Das führt zu einem stetigen Lehrstellenabbau. Die Regierung versucht dem entgegenzuwirken, indem sie den Unternehmern das Ausbilden von Lehrlingen schmackhaft macht: Subventionen, Streichung des Arbeitgeberbeitrags zur Sozialversicherung, Senkung von Schutzbestimmungen wie Kündigungsschutz, … Die Folge sind immer schlechtere Ausbildungsbedingungen – für viele besteht das Lehrlingsdasein nur mehr aus Wurstsemmelholen und Kloputzen. Lehrlinge verkommen immer mehr zu billigen HilfsarbeiterInnen.
In Anbetracht dieser Tatsachen kann es nur zynisch anmuten, wenn die Regierenden uns ein Allheilmittel für die Situation am Arbeitsmarkt präsentieren: bessere Ausbildung. Ja, gerne! Aber wo soll man diese erhalten, wenn doch auch an der Bildung so sehr gespart werden muß? Der Trend in der Bildungspolitik ist klar: eine immer mehr dem Diktat der Unternehmer unterworfene Bildung soll primär den Interessen der Wirtschaft entsprechen. Und da sind - aus Sicht des Kapitals - Dinge wie eine umfassende, interessante Bildung von geringer Bedeutung. Staatliche Lehrwerkstätten, wie es sie z.B. bei der VOEST gab, in denen Allgemeinbildung mit spezifischer Berufsausbildung verknüpft ist, wären ein Schritt in die richtige Richtung.
Um letztlich jeder Form der Diskriminierung entgegenzuwirken, brauchen wir Gesamtschulen, in denen alle Jugendlichen bis 19 gemeinsam ausgebildet werden. An diese sollen die Lehrwerkstätten angehängt werden. Zur Finanzierung dieser Schulen müßte jeder Betrieb 2% seiner Wertschöpfung abgeben - denn es sollen die für die Verbesserung der Ausbildungssituation bezahlen, die das jetzige Chaos verursacht haben.
Kürzer arbeiten, längere Ausbildung
Ein Hauptgrund für die steigende Arbeitslosigkeit und den fallenden Bedarf an FacharbeiterInnen ist die stark steigende Produktivität, das heißt, daß immer mehr in immer kürzerer Zeit produziert wird. Die einzige wirksame Methode, auf diese Entwicklung entsprechend zu reagieren, ist die Verkürzung der Arbeitszeit, und zwar sowohl der Wochen-, als auch der Lebensarbeitszeit. Erst nach einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich gibt es wieder den Bedarf nach ausgebildeten Fachkräften. Gleichzeitig müssen Schritte in Richtung Flexibilisierung und Senkung der Schutzbestimmungen zurückgedrängt werden. Dann erst könnte die frei werdende Zeit zur Ausbildung genutzt werden, damit jeder Mensch sich seinen Interessen entsprechend bilden und spezialisieren kann.