Sa 08.09.2007
Es war in allen Nachrichten und Zeitungen, nicht zuletzt wegen des berühmten Sommerlochs: Der Streik der Lokführer in Deutschland, der schließlich (vorläufig) durch ein Gerichts-urteil verboten werden soll.
Kämpferische Gewerkschaftspolitik kommt an
Die GDBA (Deutsche Verkehrsgewerkschaft) und die Transnet (Deutsche Gewerkschaft der Bahnbediensteten) erhandelten Anfang Juli eine Lohnerhöhung um 4,5 % mit 19 Monaten Laufzeit und eine Einmalzahlung von 600 Euro. Dies war der Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer (GDL)nach den massiven Sparmaßnahmen der letzten Jahre aber zu wenig. Sie forderte eine bis zu 30%ige Lohnerhöhung, damit vor allem ein Anfangsgehalt von 2500€ brutto für Lokführer und außerdem die Arbeitszeitverkürzung um eine Stunde.
Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen gab es bereits am 10. Juli einen Warnstreik, der nach zwei Stunden wegen einer einstweiligen Verfügung des Gerichts abgebrochen wurde. Auch die Mitglieder der Transnet und der GDBA waren mit ihrem Lohnabschluss unzufrieden und zeigten sich solidarisch mit den KollegInnen der GDL. Es kam auch zu einigen Übertritten von den GDBA und Transnet zur GDL, weil sie als einzige Gewerkschaft nicht mit dem Lohnabschluss einverstanden war. Die GDL organisiert mittlerweile achtzig Prozent der LokomotivführerInnen und circa dreißig Prozent der ZugbegleiterInnen. In den letzten Wochen kamen noch einige hinzu. Dieser Trend (der Übertritt der Beschäftigten von anderen Gewerkschaften) zeigt das Potential, dass in dieser Bewegung steckt.
Bahnspitze und Medien empört über "freche" Gewerkschaft
Die Führungsspitze der Deutschen Bahn, allen voran Hartmut Mehdorn, empörte sich lediglich über das Auftreten der GDL. Auch die Medien sprangen auf, und von überall kam Kritik der Entsolidarisierung und Spaltung der Bahnbediensteten. Auch von der Arroganz der Lokführer, mehr zu fordern und sich dadurch über ihre KollegInnen zu stellen, war zu lesen und zu hören. Da es Seitens des Managements keinerlei konkrete Reaktion auf die Forderung der GDL gab, wurde von der Gewerkschaft beschlossen, am 7. August den Güterverkehr für vier Stunden zu bestreiken.
Mit dem Staat gegen Streikende
Das Management suchte fieberhaft nach einem gerichtlichen Beschluss, den Streik zu untersagen. Da die Gerichte Hagen und Stuttgart nicht darüber entscheiden wollten, und es in Frankfurt zu lange dauerte, kam man schließlich nach Nürnberg und - trara- man hatte einen Gerichtsbeschluss, der den Streik bis auf weiteres untersagte. Die Begründung: Der Streik sei unverhältnismäßig, daher rechtswidrig, weil er dem Staat und der Wirtschaft einen unverhältnissmäßig hohen Schaden zufüge. Ein gefährliches Urteil, weil mit der Argumentation jeder Streik künftig untersagt werden kann!
Einschränkung des Steikrechts nicht nur in Deutschland
Auch in anderen europäischen Ländern wird das Streikrecht drastisch eingeschränkt, da Streik ein "Wettbewerbsnachteil" ist, und daher, wo es geht, verhindert werden soll. In Frankreich zum Beispiel hat die Regierung Sarkozy beschlossen, dass bei Streiks im Öffentlichen Verkehr künftig eine Minimalversorgug aufrecht bleiben muss, dass ArbeitnehmerInnen, die in Streik treten wollen, das 48 Stunden vorher anmelden müssen und dass acht Tage nach Streikbeginn eine Urabstimmung über die Fortsetzung des Arbeitskampfes abgehalten werden kann, sofern dies ArbeitnehmerInnen oder ArbeitgeberInnen beantragen.
Privatisierung der deutschen Bahn droht: Streik ausweiten!
Bei den deutschen LokführerInnen vergaß allerdings das Gericht zumindest die Berliner und Hamburger S- Bahn zu erwähnen. Diese Bereiche streikten nach Plan - ein Ausdruck dafür, dass es eigentlich wenig Grund gab, dieses Urteil zu befolgen. Die GDL hat allerdings lediglich gegen das Gerichtsurteil und die einstweilige Verfügung berufen. Das Ergebnis: Die Gewerkschaft verzichtet bis zum 27. August auf weitere Streikmaßnamen und es wird bis dahin weiterverhandelt. Ob dabei auch wirklich ein Erfolg für die Bahnbediensteten und Lokführer herausschaut ist jetzt zweifelhaft. Während sich die Medien auf den Streik der GDL stürzten und allein über die Lohnforderungen der LokomotivführerInnen berichtet wurde, beschloss die Regierung still und heimlich den Börsegang der deutschen Bahn, die bis jetzt zu 100% Staatseigentum war. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD!) und Hartmut Mehdorn wollen die Bahn wenn möglich schon 2008 an die Börse bringen. Die Begründung: Bessere Wettbewerbsfähigkeit und eine internationale Stärkung der Bahn. Die Realität (siehe USA und Britannien): Enorme Verschlechterung der Diensleistungen der Bahn, höhere Preise und Abschaffung nicht rentabler Strecken. Widerstand dagegen gibt es praktisch keinen, obwohl er gerade jetzt so wichtig wäre.
Gerade jetzt hätte die Gewerkschaft der Lokomotivführer die Chance, auf diesen Beschluss aufmerksam zu machen, und erfolgreich dagegen Widerstand zu leisten. Doch auch die GDL Führung spricht sich nicht dezitiert gegen einen Börsegang der deutschen Bahn aus, und möchte mit aller Kraft verhindern, den Streik auf diese politische Ebene auszuweiten. Doch genau dass wäre nötig, um den Ausverkauf der Bahn zu verhindern.
Der Großteil der Bevölkerung steht hinter den Forderungen der Bahnbediensteten und ist gegen die Privatisierung der Eisenbahn. Wenn sich die Bahnbediensteten übergreifend vereinigen und gemeinsam mit der Bevölkerung gegen den Regierungsbeschluss protestieren, kann genügend Druck auf die Regierung ausgeübt werden um den Beschluss der Privatisierung zurückzunehmen.