Mo 20.11.2006
Die Ereignisse der letzten Wochen zeigen ein grundlegendes Problem: ArbeiterInnen und Erwerbslose stehen ohne eigene Partei den Auseinandersetzungen der etablierten Politik und den Angriffen der Unternehmen gegenüber. Dem Schauspiel um die Regierungsbildung fehlt Entscheidendes: Ein wirklich alternatives Programm gegen Sozialabbau und Armut.
Unternehmen wollen immer mehr
Hingegen haben Konzernchefs und Superreiche sehr klare Programme: Der Chef der Industriellenvereinigung, Veit Sorger, will Steuererleichterungen für die Reichen, Arbeitszeitverlängerung bis hin zur Einführung von Ein-Euro-Jobs. Ein anderer Unternehmens-Vertreter, Christoph Leitl, fordert eine große Koalition zur Verkürzung der Kündigungsfristen und Zwangsarbeit für Arbeitslose. Die weltwirtschaftlichen Voraussetzungen sind keineswegs rosig: Schon jetzt gibt es – trotz eines (schwachen) Wachstums – keinen Anstieg des Lebensstandards der breiten Massen im Rahmen des Kapitalismus. Überdies häufen sich die Hinweise auf bevorstehende schwere Krisen; unter anderem ausgelöst durch eine militärische Eskalation am Persischen Golf. Der Öl-Preis ist seit langem außerordentlich hoch und im Frühjahr gab es bedeutende Turbulenzen auf den globalen Finanzmärkten. Vor diesem Hintergrund kann keine Partei, die sich auf “Marktwirtschaft” und damit Unternehmens-Interessen stützt, die Probleme von ArbeiterInnen und Erwerbslosen lösen.
Alternativen sind nötig...
... doch alle Parlamentsparteien stehen auf dem Boden des Kapitalismus. Wir erinnern uns: “Sparpakete”, Privatisierungen und unmenschliche Asyl-Politik hat es schon vor Blau-Schwarz zur Genüge gegeben. Unter SPÖ-Kanzlern wurden von 1986 bis 1993 über 80 Betriebe (teil-)privatisiert. Aufgrund der ersatzlosen Streichung der Vermögenssteuer durch SPÖ-ÖVP fehlen über 700 Mio. Steuereinnahmen pro Jahr. Eine Untersuchung der Arbeiterkammer Oberösterreich hat ergeben, dass Arbeit in Österreich keineswegs vor Armut schützt. Mehr als die Hälfte der ArbeitnehmerInnen kommt mit ihrem Einkommen nicht oder kaum aus. So weit, so schlecht. Welche Regierung brauchen wir aus Sicht von Beschäftigten und Erwerbslosen? Der Beantwortung dieser Frage müssen zwei weitere Fragen vorangestellt werden: Welche Opposition brauchen wir? Und welches Programm braucht eine solche Opposition?
... nur Gegenwehr kann Kurswechsel erzwingen
Es ist möglich, durch entsprechende Besteuerung von Vermögen und Kapital alle Sozialabbau-Maßnahmen der letzten Jahre zurückzunehmen. Es ist möglich und vor allem nötig, durch Arbeitszeitverkürzung und Mindestlohn, die Arbeitslosigkeit zu senken und damit auch den rechtsextremen Hetzern den Boden zu entziehen. Solche Maßnahmen werden allerdings nur als Ergebnis sozialer Bewegungen und Kämpfe politisch durchzusetzen und abzusichern sein.
- Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche bei vollem Lohn und Mindestlohn von 1.100 € netto (für In- und AusländerInnen), weil jeder ein menschenwürdiges Leben verdient hat.
- Für eine echte Besteuerung von Spitzeneinkommen und Reichtum. Wiedereinführung der Vermögenssteuer, Abschaffung von Stiftungsrecht (Steueroasen) und Mehrwertsteuer.
- Stopp dem staatlichen Rassismus und den Abschiebungen. Nicht Asylsuchende sind schuld an der sozialen Misere, sondern der Kapitalismus und seine Profiteure.
- Nein zu jeglicher Privatisierung! Gesellschaftlicher Besitz statt privater Profite. Menschenwürdige Arbeit kann es nur geben, wenn die Beschäftigten volle Kontrolle über ihre Arbeit und deren Ergebnisse haben.
- Für eine neue Partei von Beschäftigten, Erwerbslosen und Jugendlichen sowie eine breite Diskussion wirklicher wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Alternativen zum Kapitalismus.
Dass man sich damit mit den Konzernen und den sogenannten “wirtschaftlichen Eliten” anlegt, ist uns bewusst. Doch es geht nicht anders. Aus Sicht von ArbeiterInnen, Angestellten und Erwerbslosen ist dies eine notwendige Antwort auf die bisherigen und zu erwartenden Angriffe einer neuen Regierung. Diese Antwort muss auf mehreren Ebenen gegeben werden: in den Betrieben, am AMS, in Schule und Uni, auf der Straße, in der politischen Landschaft sowie in den Gewerkschaften. Gelingt es nicht, in den Gewerkschaften eine kämpferische und demokratische Linie durchzusetzen, wird man den Angriffen der zu erwartenden kommenden Regierung sowie der Unternehmen nicht entsprechend begegnen können. Und umgekehrt: Die Gewerkschaften werden nur dann aus der Krise kommen, wenn sie mit der bisherigen Akzeptanz neoliberaler Maßnahmen brechen und die Interessen der Mitglieder an Gewicht gewinnen. Und ob Neuwahlen oder nicht: Die Frage nach einer unabhängigen politischen Vertretung, einer neuen Partei für ArbeitnehmerInnen die sich aus (solchen) sozialen Auseinandersetzungen entwickeln kann, gewinnt unserer Meinung nach an Brisanz.