Mo 13.06.2005
Die „Null-Einwanderungs-Politik der letzten 20 Jahre“ ist nicht mehr durchzuhalten - man/frau müsse eine „Politik der Öffnung“ einleiten, sprach EU-Kommissar Antonio Vitorino einer „neuen Migrationspolitik“ das Wort. Auch Politiker wie Gerhard Schröder und Martin Bartenstein dachten inzwischen laut über das Anwerben ausländischer Fachkräfte nach. Dagegen bildete sich eine merkwürdige Allianz aus Gewerkschaftsführung und Rechtskräften wie der FPÖ.
Zeitgleich zu ihren Ansagen über eine „neue Migrationspolitik“, drängen die selben Spitzenpolitiker zur weiteren Abschottung. Gefordert werden bis zu siebenjährige Übergangsfristen bei der Öffnung des EU-Arbeitsmarktes für die osteuropäischen Beitrittswerber. Der ÖGB will überhaupt einer „vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit nur bei Angleichung des Lohn- und Sozialniveaus an den österreichischen bzw. europäischen Durchschnitt“ zustimmen.
Neue Selektion und neue Armutsregionen
Die in der EU diskutierte „neue Migrationspolitik“ schließt nahtlos an die bisherige Selektion von MigrantInnen an: Die Unternehmer holen sich wen sie brauchen. InteressentInnen erhalten nur kurze Beschäftigungsbewilligungen und sind bei Bedarf problemlos abschiebbar. Schröder schlägt z.B. eine für nur fünf Jahre befristete „Green Card“ vor. Auch die FPÖ hat mit diesem Ansatz kein grundsätzliches Problem. Sie forderte stets die erweiterte Beschäftigungsmöglichkeit für politisch und sozial weitgehend rechtlose Saisoniers. Gleichzeitig werden Grundrechte in der EU, wie jenes auf Asyl, weiter ausgehöhlt.
Die Forderung nach langen Übergangsfristen für die ostmitteleuropäischen Beitrittsstaaten (OMEL) unterstreicht zusätzlich: Es geht nicht um eine „neue Menschlichkeit“ in der „neuen Migrationspolitik“. In Wahrheit ist das Bestehen auf langen Warteschleifen für ArbeitnehmerInnen aus dem Osten, ein Eingeständnis gebrochener Versprechen. Die „Vorbereitungen“ auf den EU-Beitritt haben diese Länder nicht zu blühenden Landschaften verwandelt. Der Kahlschlag regiert(e) dort. Das Bruttoinlandsprodukt aller Beitrittswerber (OEML) liegt im Schnitt auf 95 Prozent des Wertes von 1989. Lohndumping findet seit zehn Jahren statt - das Einkommensgefälle zwischen Osteuropa und der EU beträgt heute 7:1.
Man/frau war und ist sich in der EU einig über die Integration der verlängerten Werkbänke im Osten und das Aufbrechen der dortigen Märkte. Doch gleiche Rechte für die Menschen sollen verwehrt werden?
Kampf den Schrebergärtnern
Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) mit Fritz Verzetnitisch an der Spitze, hat 59 Millionen Mitglieder. Doch dieser Verein gleicht mehr einer losen Ansammlung von Schrebergärtnern: Die Oberzwerge aus den verschiedenen nationalen Gewerkschaften sind völlig in der Standortlogik und Sozialpartnerschaft mit den „eigenen“ Unternehmern verhaftet. Als einzige konkrete Initiative zur EU-Erweiterung, nennt die ÖGB-Zeitung Solidarität ein jährliches (!) Treffen zwischen Verzetnitsch und den Gewerkschaftschefs der Beitrittsländer.
Das wird nicht reichen um die „Lohn- und Sozialniveaus“ anzugleichen! Der ÖGB hat bisher keinen Finger gegen das neoliberale EU-Erweiterungsprojekt, bzw. das Raubrittertum auch österreichischer Unternehmen in Osteuropa gerührt. Tatsächlich zementieren die Begleitmaßnahmen der Osterweiterung das West- Ost-Gefälle, sowie Lohndumping weiter fest. So werden durch die Politik der EU und die Billiglohnstrategien westeuropäischer Konzerne Migrationsströme hervorgerufen. Gleichzeitig verdammt aber erst das Verwehren von gleichen Rechten am westeuropäischen Arbeitsmarkt, MigrantInnen zur Billigkonkurrenz. Die Interessen unserer KollegInnen außerhalb der EU sind deshalb schon heute in mehrfacher Hinsicht unsere Interessen. Warum? Weil wir die gleichen Gegner haben, denen jede gewerkschaftliche Abschottungstrategie nur nutzt.