Do 02.09.2004
In Österreich existiert nichtstaatliches Geld- und Sachvermögen im Wert von rund 2100 Mrd. Euro – und täglich wird es mehr. Doch obwohl es letztlich alleine die ArbeiterInnenklasse ist, die den Reichtum einer Gesellschaft erarbeitet, spürt die Masse der Bevölkerung von diesem Reichtum nichts. Eine Studie hat nun viele Entwicklungen zu Armut und Reichtum in Österreich zusammengefasst, auf die auch die SLP immer wieder hingewiesen hat. (www.politikberatung.or.at/studien_armutreichtum)
Jedes Jahr 71 Milliarden mehr!
Mit Jahresende 2003 errechnete die Österreichische Nationalbank (ÖNB) ein Geldvermögen in Österreich von insgesamt 1.322,9 Mrd. Euro aus. Das wären - bei gleichmäßiger Verteilung - pro Kopf 164.274 Euro (also rund 2.3 Mio. ATS). Wie aber ist dieses Vermögen verteilt? Mehr als zwei Drittel (71%) gehören Kapitalgesellschaften – also den großen Wirtschaftsunternehmen, Banken, Versicherungen, Investmentfonds und Pensionskassen. Von 1996 bis 2003 ist das Geldvermögen um fast eine halbe Billion (497 Mrd Euro; 6.800 Millionen ATS) gewachsen. Das entspricht einem jährlichen Wachstum der Geldvermögen in Österreich von durchschnittlich 71 Mrd. Euro oder 8,6 %. Damit wächst das Geldvermögen auch wesentlich schneller als das Bruttonationalprodukt! Profitiert haben davon allerdings wiederrum nur Großanleger (+ 14.7% p.a.), während die normalen Spareinlagen nur jährlich um 1.85 Prozent wuchsen.
Zahlen zur Verteilung von Einkommen
Das Bruttonational- oder Volkseinkommen (gemeint ist die Summe aller Wertschöpfungen soweit diese einer in Österreich lebenden Person zu kommen) gliedert sich in ArbeitnehmerInnentgelte, Betriebsüberschüsse, Selbstständigen- und Vermögenseinkommen.
Jährliche prozentuelle Veränderung des Anteils der Brutto-
ArbeitnehmerInnenentgelte bzw. der Selbständigeneinkommen und Brutto-Betriebsüberschüsse am BIP 1981-2003
Wie die Grafik zeigt sinkt der Anteil der ArbeitnehmerInnenentgelte am Volkseinkommen seit 1978. Die Brutto-ArbeitnehmerInnenentgelte (inkl. tatsächlicher Arbeitgeberbeiträge) betrugen 2003 nur mehr 52% des Volkseinkommens. Und das obwohl es gegenüber den 70er Jahren etwa 600.000 mehr unselbständig Erwerbstätige gibt! Das Durchschnittseinkommen der ArbeitnehmerInnen lag 2001 bei 20.480 Euro brutto bzw. 15.400 netto pro Jahr (ArbeiterInnen 2001 16.680 brutto, Lehrling 6060 Euro brutto, Angestellte 23.100 brutto, und BeamtInnen 33.840 brutto). Bei diesem Durchschnittswert sind die Einkommen leitender Angestellter mitgerechnet. Die Summe der Gehälter der untersten 30% Einkommensbezieher stiegen zwischen 1995 und 2001 nur um 1%, die Summe der Gehälter der obersten 5% der EinkommensbezieherInnen allerdings um 23 %! Hinter allen diesen Zahlen verbergen sich folgende “Megatrends”: 1. Die Explosion von prekären Beschäftungsverhältnissen, 2. Viel zu niedrige Lohnabschlüsse, 3. Immer unverschämtere Managergehälter und 4. Satte Unternehmergewinne.
Verteilung der Steuerlast verstärkt Ungleichheit
Während die ArbeitnehmerInnen einen immer geringeren Teil am Volkseinkommen bekommen, wird die Steuerbelastung für die Masse der Bevölkerung immer stärker: 17,3 Mrd. an Lohn- und 29 Mrd. Konsumsteuern, stehen 4.3 Mrd. an Körperschafts- und 3.3 Mrd. Vermögenssteuern gegenüber. Zwei Drittel der Unternehmen zahlen überhaupt keine Körperschaftssteuer – diese wird zudem gerade von 34 auf 25 % gesenkt. Während 13,3 Prozent der ArbeiterInneneinkommen an den Staat gehen, sind es bei Selbstständigeneinkommen und Gewinnen nur 7,7 Prozent. Nur sechs Prozent des Steueraufkommens kommt aus Vermögenssteuern (Kapitalertragssteuer, Grundsteuer, Erbschaftssteuer).Fazit: Auch durch das herrschende Steuersystem wird zulasten der ArbeitnehmerInnen umverteilt.
Unglaublicher Reichtum in Privatstiftungen
“Bei einem Vermögen von 5 bis 10 Millionen Euro empfiehlt sich im Laufe der Zeit die Einrichtung einer österreichischen Privatstiftung” meint eine Studie eines Liechtensteinischen Bankhauses und führt weiter aus “der Steuervorteil der Privatstiftung vergrößert sich, wenn der Umfang des Stiftungsvermögens zunimmt” (Hypoinvestbank, 2002). Eine Stiftung ist mit unglaublichen Steuerprivilegien verbunden. Völlig steuerfrei sind Dividenden aus in- und ausländischen Aktien, die direkt oder in österreichischen Fonds gehalten werden, alle Einkünfte aus Kursgewinnen von Anleihen, sowie Einkünfte aus Kursgewinnen direkt gehaltener Aktien. Wird eine Stiftungsmasse vererbt so entfallen nur ein Drittel der üblichen Steuern und diese nur einmal für die Gesamtdauer einer Stiftung (maximal 200 Jahre!). Das ist ein Grund warum die österreichische Privatstiftung bei reichen Familien so beliebt ist. Bis Ende 2003 wurden rund 2500 Privatstiftungen gegründet. Der Verband österreichischer Privatstiftungen beziffert den Wert auf 20-25 Mrd. Euro, andere Schätzungen gehen von ca. 45 Mrd. Euro aus!
Immer mehr Armut
1999 waren in Österreich 876.000 Menschen oder 11% der Bevölkerung, 2001 bereits 930.000 oder 12% der Bevölkerung akut von Armut bedroht. Fast zwei Drittel davon sind Frauen. Aktuellere Zahlen welche die Auswirkungen der asozialen Reformen der Regierung beinhalten, gibt das Sozialministerium zur Zeit nicht heraus! Akute Armut besteht, wenn zu den beschränkten finanziellen Verhältnissen auch Einschränkungen zur Abdeckung grundlegender Lebensbedürfnisse kommen: Zur Zeit sind davon mindestens 290.000 Menschen betroffen. Hauptursachen für Armut sind nach wie vor Arbeitslosigkeit und Ruhestand. Jede/r vierte PensionistIn galt bereits 2001 – also vor der letzten Pensionsreform – als akut gefährdet. Ein weiterer “Trend”: “Working poor”. Menschen die trotz einem Vollzeit(!)-Job arm sind gibt es auch in Österreich. Rund 5 % aller Vollzeitbeschäftigten – vor allem AlleinerzieherInnen – waren 1999 von Armut bedroht.
Armut und Sozialabbau sind kein Naturgesetze!
Privatisierung, Sozialabbau, Arbeitslosigkeit und Zerschlagung des Arbeitsrechts sind keine Naturgesetze – auch wenn es Politiker, Unternehmer und bürgerliche Journalisten oft so darstellen. Der mediale Trommelwirbel für “Reformen”, neoliberale Experten all das ist Teil einer klaren Strategie: Jener Anteil des von der Kapitalseite angeeigneten Mehrwerts, der über das Sozialsystems und die Löhne wieder an die ArbeiterInneklasse zurückgegeben wurde, soll drastisch gesenkt werden um die Profitrate zu erhöhen. Oder anders ausgedrückt: Massive Umverteilung von unten nach oben.
Teure Arbeit, ausufernder Sozialstaat?
Regelmäßig beklagen sich die Unternehmer über die hohen Lohn- und Lohnnebenkosten. Tatsächlich handelt es sich dabei vor allem um Beiträge an die Pensions- und Krankenkassen. Diese zu senken würde nichts anderes bedeuten, als dass zusätzliche Kosten für Gesundheits- und Pensionssystem von der ArbeiterInneklasse zu bezahlen wären. Ein solcher Vorschlag alleine wäre natürlich schwer vermittelbar. Einher mit dieser Debatte gehen daher Forderungen nach Leistungssenkungen, bzw. neoliberale Konzepte, welche die bisherigen Versicherungssysteme überhaupt in Frage stellen. Ein Musterbeispiel dafür ist die mediale Dauerkampagne gegen das extrem effiziente österreichische Sozialversicherungswesen (Verwaltungsaufwand: 2.6 %, Private Versicherungen: 15-25%). Ebenso ist die Behauptung der zu teueren Arbeitskosten eine Lüge! Aussagekräftig ist nämlich lediglich das Verhältnis der Löhne und Lohnnebenkosten zur Produktivität. Die hier maßgeblichen Lohnstückkosten sind in Österreich extrem niedrig und sanken laut OECD-Angaben zwischen 1995 und 2002 um 10,8 %. Durch den enormen technischen Fortschritt stieg die Produktivität in Handel und Industrie zwischen 1995 und 2001 fast doppelt so stark wie die Kosten für das Personal (Quelle WIFO). Auch das Bild vom ausufernden Sozialstaat ist eine Fälschung. Der Anteil an Sozial- und- Familienleistungen ist bereits seit 1997 rückläufig – was unter der SPÖ-Kanzlerschaft begonnen hat, setzt Schwarz-Blau weiter fort. Bedenkt man die steigenden Arbeitslosenzahlen und die Kosten für einzelne ideologische Maßnahmen der Regierung – wie das Kindergeld – kann man das Ausmaß des Kahlschlags am Sozialstaat der 70er Jahre erahnen.
Das System versagt!
In manchen globalisierungskritischen Publikationen wird diese Entwicklung als Ergebnis einer Art Verschwörung des (Finanz-)Kapitals und der politischen Elite dargestellt. Tatsächlich sind die Angriffe auf den Lebensstandard der ArbeiterInnenklasse aber Ausdruck einer tiefen Krise des Kapitalismus und seines Versagens Wohlstand und Fortschritt für Alle zu sichern. Seit Mitte der 70er Jahre kennzeichnen extrem niedrige Wachstumsraten, Stagnation und Depression, sowie hohe Defizite und Sockelarbeitslosigkeit die ökonomische Entwicklung. Wo das Problem tatsächlich liegt beweist einmal mehr die jüngste Konjunkturprognose des neoliberalen Instituts für höhere Studien (IHS, August 2004). Extrem optimistisch werden dort 2,3 % Wachstum pro Jahr bis 2008 geschätzt. Hauptstütze der Konjunktur (zu 2/3) soll allerdings der private Konsum sein. Gleichzeitig wird das IHS nicht müde, die Notwendigkeit von Kürzungen und niedrigen Lohnabschlüssen zu “beweisen” – alles Einschnitte bei denjenigen die den Konsum ankurbeln sollen. Ein Kommentar im “Standard” hielt nicht ganz zu unrecht fest: “Immer mehr Analysten und Konjunkturforscher meinen, es könnte die "Rache des Shareholder-Value-Gedankens" sein: Die hohe volkswirtschaftliche Rechnung für die betriebswirtschaftlich zumeist sinnvollen Überlegungen, durch Personalabbau und Rationalisierungen die Produktivität zu steigern. Millionen Arbeitsplätze wurden in den späten 90er-Jahren aus diesem Titel gestrichen - und erst jetzt dämmert die Erkenntnis, dass damit auch die eigenen Kunden vor die Türe gesetzt wurden.” (Standard, 08/07/2004).
Wer bezahlt die Rechnung für die Krise?
Das der Kapitalismus auf Grund seiner auch im “Standard” beschriebenen Struktur zu Krisen führt, ist nicht neu. Die politische Frage die bleibt ist: Sollen die ArbeitnehmerInnen für eine Krise bezahlen die sie nicht verursacht haben? Sozialstaatliche Errungenschaften, Kollektivverträge, politische Rechte – all das waren Ergebnisse harter Kämpfe, bei denen es der ArbeiterInnenbewegung gelang durch kollektive Aktionen (Streiks, Besetzungen, etc...) das Kräfteverhältnis zu ihren Gunsten zu verändern. Eng damit verknüpft mit den Erfolgen der Bewegung vor vielen Jahrzehnten war allerdings auch die Existenz und Entwicklung von unabhängigen, sozialistischen Parteien welche kapitalistische “Sachzwänge” nicht akzeptierten und die Bewegung politisch vorantrieb und führte. Heute fehlt noch eine solche starke Kraft, die gegenüber Krise und Sozialabbau eine sozialistische Alternative anzubieten hat. Die SLP kämpft deshalb für eine neue sozialistische ArbeiterInnenpartei.