Mi 01.12.2004
Der Beitritt der Türkei als Kulturkampf? SP-Gusenbauer, Cap und Co. sind voll auf die Argumentation der FPÖ und von Teilen der ÖVP eingestiegen. Sie versuchen beide erneut in rassistischen Vorurteilen zu übertrumpfen. Grüne Beitritts-Befürworter argumentieren demgegenüber tatsächlich mit der Verbesserung der Menschenrechte durch einen EU-Beitritt, bzw. stellen der Türkei selbst im Bezug auf Folter (fast) einen Persilschein aus! In Wirklichkeit ist die EU ein denkbar schlechter Garant für Menschenrechte. In vielen EU-Staaten - inkl. Deutschland - wurde die kurdische PKK, genauso wie im türkischen Militärstaat nach dem Putsch 1980, als “terroristisch” verfolgt. Auch die in Kurdistan eingesetzten Sonderkommandos wurden von deutschen Militärs ausgebildet. Türkische Militärs mordeten mit europäischen Waffen türkische Linke und kurdische WiderstandskämpferInnen. Tatsächlich nähern sich EU-Staaten und Türkei in ihren Maßnahmen zur angeblichen “Terrorbekämpfung” immer mehr an: In der Folge der Repressionswelle nach den Anschlägen vom 11. September führte Britannien ein Gesetz ein, das der Polizei erlaubt, Personen ohne Tatverdacht auf unbegrenzte Zeit zu inhaftieren. Auf Basis ähnlicher Gesetze kam es alleine im ersten Halbjahr 2004 zu fast 700 Fällen von Folter in türkischen Polizeistuben und Gefängnissen. In der Realität werden nicht Menschenrechte, sondern geostrategische/ militärische Fragen mit den Ausschlag geben, ob und wann die Türkei beitreten kann. Fügt sich die Türkei in ein EU-Rüstungs- und Militärkonzept ein, wird dies in jedem Fall – Folter hin oder her – von den großen EU-Staaten Deutschland und Frankreich als willkommene Verstärkung europäischer Weltmachtambitionen begrüßt werden.
Hoffnungen der türkischen Bevölkerung
Der Großteil der Bevölkerung der Türkei setzt Hoffnungen auf eine Verbesserung ihrer Lebenssituation bei einem EU-Beitritt. Das ist aber kein Anliegen der EU. Im letzten Kommissionsbericht werden von der Türkei vor allem die Privatisierung von staatlichen Banken und Unternehmen sowie Erleichterungen für ausländisches Kapital gefordert. Außerdem sei ein “Umstrukturierungsplan” für den staatlichen Stahlsektor nötig. Für internationale Konzerne ist das Lohnniveau interessant, mit denen ArbeiterInnen in ganz Europa erpresst werden können, niedrigere Löhne zu akzeptieren. Daher fordert der Internationale Währungsfonds das Einfrieren der Mindestlöhne (ca. 190 EUR/Monat). Die Regierung in Ankara ist bereit, alle diese neoliberalen Angriffe durchzuführen. Die Leidtragenden der Politik der EU sind ArbeitnehmerInnen, Jugendliche, Frauen, PensionistInnen, Arbeitslose; in den heutigen EU-Staaten wie in der Türkei. Wir sind gegen die EU der Banken und Konzerne an sich, weil dieses nur dazu dient, für die europäischen KapitalistInnen möglicht gute Bedingungen zu schaffen. Wenn sich die Menschen in der Türkei mehrheitlich dazu entschließen, der EU beitreten zu wollen, dann sollen sie das Recht dazu haben. Wir müssen aber davor warnen, dass ihre Hoffnungen sich genauso wenig erfüllen werden, wie die Versprechen die vor dem EU-Beitritt in Österreich gemacht wurden.
Gemeinsame Strategie “von unten” ist nötig
In den Versuchen, Belegschaften und Standorte gegeneinander auszuspielen, ist sich das europäische Kapital einig. Es ist daher notwendig, der EU einen gemeinsamen Kampf von ArbeitnehmerInnen und Jugendlichen in und außerhalb der EU entgegenzustellen. Den Gewerkschaften kommt große Verantwortung dabei zu, die national-chauvinistische Propaganda zu überwinden und einen internationalen Kampf gegen Standortlogik und Lohn-Erpressung zu organisieren.
Ein vereinigtes Europa wäre ein wichtiger Schritt für eine Welt ohne Ausbeutung. Frieden, Wohlstand und Sicherheit sind für die Menschen in Europa und Asien aber nicht möglich, solange die Profitlogik des Kapitalismus regiert. Eine echte Vereinigung kann nur auf Basis einer sozialistischen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung erfolgen. Die SLP tritt daher für eine Föderation der sozialistischen Staaten von Europa als echtes Friedens- und Wohlstands-Projekt ein.