Fr 16.03.2012
Vor dem Hintergrund der fortgesetzten kapitalistischen Krise steigen die Anforderungen an die Gewerkschaften als Interessensvertretungen der Beschäftigten und Erwerbslosen. Doch selbst wenn kämpferische Gewerkschaften den ein oder anderen Angriff verhindern würden, wäre dies ohne eine politischen Alternative nicht von Dauer.
Zur Ausgangslage des aktuellen Sparpakets: Ausgerechnet die offiziellen Gewerkschaften glänzen im besten Fall durch Zurückhaltung, im schlechtesten durch Kollaboration mit den neoliberalen Regierungen. In Österreich liegt der Fall besonders ungünstig.
Die ÖGB-Führung feiert das Sparpaket geradezu. So steht auf der ÖGB-homepage, dass „sich der ÖGB weitgehend durchgesetzt“ hat, was Forderungen zu „Wachstum und Beschäftigung“ betrifft. Man kann sich die Realität offensichtlich zurechtbiegen. Mehr noch: Nirgendwo werden auch nur mit einem Wort die kapitalistische Krise und ihre Verantwortlichen erwähnt. Abschließend wird davon gesprochen, „den parlamentarischen Prozess“ zu nutzen, um „Positionen einzubringen“. Eine konsequente und kämpferische Interessensvertretung sieht anders aus. So weit, so schlecht. Doch blicken wir nun über den Tellerrand ins weite Europa.
Der Druck von Bewegungen hat in Griechenland, Portugal und in geringerem Maße in Spanien, Italien, Frankreich und sogar Britannien zu bedeutsamen Streiks geführt. In Belgien wurde Ende 2011 der Ruf nach einem Generalstreik laut. Den Gewerkschafts-Bossen gelang zuerst die Ablenkung, indem lediglich eine Großdemo in Brüssel veranstaltet wurde. Die Sache war aber im Rollen und Ende Jänner folgte ein imposanter eintägiger Generalstreik. Mit jeder Aktion, die der Gewerkschafts-Bürokratie „abgetrotzt“ wird, steigt die Chance auf Selbstorganisierung und eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses innerhalb der Gewerkschaften.
Doch gerade Griechenland zeigt, dass bloßer Protest nicht reicht. 2011 gab es sieben Generalstreiks! Ohne politische Alternative bleiben auch die heftigsten Kämpfe letztlich zahnlos. Wer folgt einer gestürzten Regierung und mit welchem Programm geschieht dies? Konkret hieße dies in Ländern wie Griechenland, Italien oder Portugal, dass aus der ArbeiterInnenklasse eine Regierung geformt werden müsste, die auch den Bruch mit dem Kapitalismus zur gesellschaftlichen Diskussion stellt. Stattdessen rückt die nächste neoliberale Truppe nach (ob gewählt oder nicht) oder eine EU-Troika führt die Geschäfte mit unverminderter Brutalität weiter.
Das Potential der Massenbewegungen, die in den letzten Jahren stattgefunden haben, steht in keinem Verhältnis zum Erreichten bzw. Nicht-Erreichten. Es ist die Folge des Fehlens einer breit verankerten ArbeiterInnen-Partei, die diesen Namen verdient. Keine der ehemaligen sozialdemokratischen oder „kommunistischen“ Massenparteien steht tatsächlich auf unserer Seite.
Auch in den Gewerkschaften dominieren bürgerliche Ideologien. Antikapitalistische oder echte sozialistische Standpunkte sind (noch) in der Minderheit. Die Gewerkschaftsführungen halten die Illusion eines „nationalen Gesamtinteresses“ aufrecht, um so ihre Privilegien abzusichern. Dementsprechend verhalten sich die meisten BürokratInnen wie bürgerliche PolitikerInnen. Das sähe anders aus, wenn alle Funktionen nur mit durchschnittlichen FacharbeiterInnenlöhnen abgegolten werden würden.
Somit gehen der Aufbau neuer ArbeiterInnen-Parteien und die Rückeroberung der Gewerkschaften wohl als zentrale Aufgaben der kommenden Jahre Hand in Hand. Sonst bleibt nur die Krise.