Do 01.11.2001
Auch im US-amerikanischen Film ist nach dem 11. September „nichts mehr, wie es früher war“. Präsident Bush lädt ein, ganz Hollywood steht Gewehr bei Fuß. Vorwärts begibt sich auf die Suche nach der Antwort, wann in Hollywood-Filmen wieder Flugzeuge in Häuser krachen dürfen. Wobei eines klar sein dürfte: Wir werden keine 50 Jahre, wie bei Pearl Harbor, warten müssen.
Nach Angaben des US-Fachblattes „Variety“ trafen sich am 17. Oktober VertreterInnen der Bush-Regierung mit einflussreichen Hollywood-Persönlichkeiten hinter verschlossenen Türen. Der Grund: auf Bitten des Weißen Hauses wird eine „Sondereinsatzgruppe Kunst und Unterhaltung“ ins Leben gerufen, unter anderem um „das Image Amerikas in der ganzen Welt zu verbessern“. Nicht zum ersten Mal stellen sich KünstlerInnen und Filmindustrie in direkter Art und Weise dem Staat zwecks Propaganda zur Verfügung. Schon im Kalten Krieg war staatlich verordnete Propaganda in der Unterhaltungsindustrie allgegenwärtig. Damit einher gingen die berühmt-berüchtigten Verfolgungen linker Kulturschaffender durch Senator McCarthy. Damals waren Berufsverbote und Arreststrafen die Folge vermeintlicher oder tatsächlicher „kommunistischer Umtriebe“.
„Heiliger Krieg“
Aus „Pietätsgründen“ wurden nach den Anschlägen vom 11. September zahlreiche Werbespots (selbst-)zensuriert, Schwarze Listen mit Popsongs kursierten zwischen Radiosendern, der Film „Collateral Damage“ (da war doch mal was?) mit Arnold Schwarzenegger startet vorerst nicht. Momentan muss das Kino in den USA der Ablenkung dienen - paradoxerweise von einem Terroranschlag, der durchaus der Dramaturgie gängiger US-Blockbuster (Armageddon, Independence Day, usw.) entsprach. Das Baseball-Melodram „Hardball“ mit Keanu Reeves – er lief unmittelbar nach den Anschlägen an – spielte in den ersten 3 Tagen rund 150 Mio. Schilling (=10,9 Mio. Euro) ein. Da verbindet sich auch für Warner Bros. das „Angenehme“ mit dem moralisch Nützlichen.
„Kreuzzug“
Doch die momentane Situation, inklusive dem US-Krieg gegen Afghanistan, werden dann doch zuviel Stoff dafür bieten, um „pietätvoll“ übergangen werden zu können. Nach dem unmittelbaren Schock der Anschläge folgt nun der „gerechte Krieg gegen das Böse“ – da wird sich die „Sondereinsatzgruppe“ wohl auch bald eine Änderung der Taktik überlegen müssen. Die Finanzierung scheint jedenfalls gesichert. In den Endzügen des Kalten Kriegs kämpfte Sylvester Stalone in „Rambo III“ noch Seite an Seite mit den Mudjahedin gegen böse KommunistInnen in Afghanistan. Der Anti-Islamische „Digital-Rambo“ wird wohl nicht so lange auf sich warten lassen, wie die „Aufarbeitung“ des japanischen Angriffes auf Pearl Harbor im Zweiten Weltkrieg. Der einzige Unsicherheitsfaktor dabei ist nur, ob der schon in die Jahre gekommene Sylvester Stalone wieder den „Rambo“ wird spielen dürfen. Und noch eines lässt sich mit Sicherheit schon jetzt „voraussagen“: Moral und Dollars werden bei Hollywoods Filmindustrie abermals in einem „ausgewogenem“ Verhältnis zu einander stehen.
Kritische bzw. linke FilmemacherInnen und KünstlerInnen hingegen werden wieder mit einer Situation wie in den 50ern konfrontiert werden. Bereits jetzt sind alle US-Nachrichtensender gleichgeschaltet und das Pentagon hat schon die Exklusivrechte an den Satellitenbildern des Afghanistan-Krieges aufgekauft. Nachdem sich die überwiegende Mehrzahl der Stars der Unterhaltungsindustrie, in vorauseilendem Gehorsam, in den kollektiven nationalen Wahn („America: A Tribute To Heroes“) begeben hat, erscheint ein Aufbrechen der Hegemonie der Kriegshetzer derzeit kaum möglich. Die Riesenbenefizveranstaltung im New Yorker Madison Square Garden mit „fast allen Super-Stars der Showbranche“ ist jedenfalls nicht den hunderttausenden Hunger leidenden afghanischen Flüchtlingen gewidmet.