Das System macht uns irre

Wer mit Armut kämpft, dem/der helfen auch noch so viele Psychotherapieplätze nichts.
Jan Millonig

Das Thema psychische Gesundheit hat mit Corona ein neues Ausmaß erreicht. Depressionen haben sich 2020 verzehnfacht. Einrichtungen sind überlastet und die vorher schon raren Therapieplätze bei weitem nicht ausreichend. Vor allem jungen Menschen, Frauen, sozial Benachteiligte und Arbeitslose sind betroffen. Neben Kindern und Jugendlichen, die durch belastendes Homeschooling und fehlende soziale Kontakte zunehmend psychisch auffällig werden, fällt eines auf: v.a. soziale Probleme und Zukunftsangst machen uns „irre“.

Posttraumatische Belastungsstörungen entwickeln sich bei Naturkatastrophen erwiesenermaßen weniger als bei von Menschen verursachten Krisen. Bei zunehmender Dauer wird klar: Erst die Politik der Herrschenden hat die Pandemie zur gesellschaftlichen Krise gemacht. Widersprüchliche Ansagen; nicht erfüllte Ankündigungen; fehlende Schutzmaßnahmen; einseitige Lockdowns, die privat einschränken, aber der Wirtschaft freie Hand lassen und stockende Impfstoff-Produktion machen wütend und erzeugen ein Gefühl der Machtlosigkeit. Immer mehr Menschen fühlen sich dem Chaos des Systems ausgeliefert. Das macht psychisch krank, bestätigten Fachleute.

Durchhalteparolen wirken nicht mehr und ein strafendes „Reißt’s euch zusammen!“ wälzte die Verantwortung auf die Bevölkerung ab. Das erzeugte Trotz (Corona-Leugner*innen), persönlichen Rückzug – oder echten Widerstand. Die Häufung psychischer Erkrankungen ist jedenfalls die Folge eines unfähigen Systems, das die Profite weniger über die Bedürfnisse vieler stellt.

 

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