Mi 06.05.2015
In Österreich gab es in den letzten Jahrzehnten kaum Streiks, es fehlt „die Übung“. Zusätzlich gibt es FunktionärInnen der Gewerkschaft, die es sich in der Sozialpartnerschaft so bequem gemacht haben, dass sie zwar mit Streiks drohen, diese aber nicht wirklich organisieren und lieber faulen Kompromissen zustimmen. Daher ist es besonders wichtig, die Erfahrung früherer Streiks und von Arbeitskämpfen in anderen Ländern zu sammeln und daraus zu lernen.
1. Ein Streik muss gut organisiert sein. Dafür braucht es die Einbindung möglichst vieler KollegInnen. Dazu können Arbeitsgruppen von KollegInnen eingerichtet werden (zur Sammlung von Informationen, zur Information der Öffentlichkeit, zur Herausgabe einer Streikzeitung etc.) und es müssen regelmäßig (z.B. täglich oder jeweils zu Schicht- bzw. Dienstbeginn) Versammlungen organisiert werden, an denen die streikenden KollegInnen und UnterstützerInnen, aber keine VertreterInnen oder Spitzel der Geschäftsleitung, teilnehmen.
2. Damit ein Streik funktioniert und v.a. damit er, wenn nötig, auch länger durchgehalten werden kann, muss er demokratisch sein. Ein Instrument kann ein gewähltes Streikkomitee sein, das sich aus den engagiertesten KollegInnen zusammensetzt. Das können BetriebsrätInnen und GewerkschaftsvertreterInnen sein, muss aber nicht, wenn sich herausstellt, dass andere mehr Vertrauen in der Belegschaft genießen. Dieses Streikkomitee steht ständig in Kontakt mit den KollegInnen und informiert über alle Schritte. Und es muss auch „grade stehen“ für das, was es tut – und wenn die KollegInnen unzufrieden mit der Arbeit des Streikkomitees sind, dann können sie es auch jederzeit wieder abwählen.
3. Oft versuchen UnternehmerInnen, Medien und Regierung eine Belegschaft, die sich gegen Verschlechterungen wehrt, mit Rassismus und Sexismus zu spalten. Manchmal treffen diese Versuche auch auf bereits vorhandene. Auch die Vielzahl unterschiedlicher Verträge und Dienstverhältnisse in einem Betrieb dienen dazu, um Beschäftigte voneinander zu trennen. Doch es ist wichtig, sich klar gegen jegliche Form von Diskriminierung und Spaltung einzusetzen. Nur wenn wir geschlossen auftreten können wir auch erfolgreich sein.
4. Oft wird uns auch das Recht zu streiken abgesprochen. Doch Streiken ist legal. Das gilt sowohl für die Privatwirtschaft als auch für Beschäftigte im Öffentlichen Dienst. Das gilt für „ökonomische“ wie auch „politische“ Streiks. Und: Es ist gut, wenn ein Streik von der Gewerkschaft unterstützt wird – aber rechtlich ist es nicht notwendig. Ein sogenannter „wilder“ Streik (ohne Unterstützung der Gewerkschaft) ist zwar schwerer durchzuführen, weil es z.B. kein Streikgeld gibt. Dafür kann aber auch keine Gewerkschaftsführung bremsen. Auch ein „wilder“ Streik ist möglich, legal und kann erfolgreich sein.
5. Und selbst wenn sie versuchen, uns mit Gesetzen vom Kämpfen abzuhalten: Streik ist ein politisches Grundrecht, das wir uns nicht nehmen lassen dürfen. Gute Argumente, Unterschriften und Protestkundgebungen reichen oft nicht, um soziale und demokratische Rechte zu verteidigen. Trotzdem werden KollegInnen entlassen oder Löhne bzw. Zusatzzahlungen gestrichen. Oder wenn der Arbeitsdruck immer größer wird - dann bleibt uns gar nichts anderes übrig, als uns mittels Streik zu verteidigen.
6. Die KollegInnen in einem Betrieb wissen am besten, was sie brauchen und was möglich ist. Daher müssen wichtige Entscheidungen auch von ihnen gefällt werden. Über Punkte wie Streikbeginn, Streikende, die Annahme oder Ablehnung von Verhandlungsergebnissen und z.B. in Spitälern den Umfang eines Notbetriebes muss es daher nach ausführlichen demokratischen Diskussionen Abstimmung geben. Die Verhandlungen mit Behörden, Wirtschafts- und UnternehmensvertreterInnen müssen von den Beschäftigten (z.B. via Videoübertragung) mitverfolgt werden können. Geheimverhandlungen dienen nur dazu, die Belegschaft zu spalten und damit die Gegenseite nachher bereits gemachte Zugeständnisse leugnen kann. Es mag sein, dass eine solche Demokratie komplizierter ist, aber das ist kein Argument dagegen, sondern sagt nur, dass sie gut organisiert sein muss.
Wir kriegen nichts geschenkt: Streik ist die beste Grundlage für erfolgreiche Verhandlungen
7. Die Angriffe auf die Beschäftigten betrifft viele Menschen: Angehörige, Menschen in der Region, bei Dienstleistungsunternehmen die KundInnen, im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich die KlientInnen, PatientInnen und SchülerInnen bzw. Studierende sowie auch KollegInnen in anderen Betrieben in der Branche etc. Für einen erfolgreichen Streik ist es notwendig, diese Menschen einzubinden. Überall wo mit Menschen gearbeitet wird, werden Streikende gern als „verantwortungslos“ hingestellt – dabei bedeutet mehr LehrerInnen, mehr Personal im Spital und wenn diese ordentlich bezahlt sind auch bessere Betreuung und Versorgung. Gerade hier ist die Einbindung und Solidarität durch die sonst zu betreuenden/pflegenden/unterrichtenden Menschen besonders wichtig.
8. Die Medien machen streikende ArbeiterInnen eigentlich immer schlecht und informieren falsch – darum brauchen wir eigene Medien (Streikzeitung, Internet, Einladung, den bestreikten Betrieb zu besuchen etc.). Je entschlossener die KollegInnen auftreten und je demokratischer der Streik geplant ist, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, noch zögernde GewerkschafterInnen dazu zu bringen, den Streik zu unterstützen. Was in einem Betrieb versucht wird (Kurzarbeit, Lohnkürzungen, negative Arbeitszeitveränderungen etc.) finden wir bald in anderen wieder. Der Erfolg oder Misserfolg eines Arbeitskampfes hat auch auf andere Betriebe Auswirkungen. Solidarität ist daher im Eigeninteresse der Beschäftigten.
9. Streiks wenden sich häufig gegen die Schließung bzw. Verlagerung von Betriebsteilen/Abteilungen bzw. ganzen Betrieben/Einrichtungen. Um das praktisch zu verhindern kann es nötig sein, den Betrieb zu blockieren bzw. zu besetzen. Das kann auch notwendig sein, um zu verhindern, dass Firmenunterlagen, Lagerbestände und sonstiges von Wert von der Unternehmensleitung „auf die Seite geschafft wird“. Letztlich ist es eine ganz praktische Frage: Warum sollen die Werte eines Unternehmens einem/r „BesitzerIn“ gehören, der/die den Betrieb z.B. geerbt hat bzw. in den Bankrott getrieben hat. Gehört er nicht eigentlich viel eher jenen Menschen, die über Jahre und Jahrzehnte täglich die Werte in diesem Unternehmen geschaffen haben?! International gibt es eine Reihe von Beispielen, wo sich KollegInnen mit Besetzungen erfolgreich gegen Entlassungen oder Werksschließungen gewehrt haben.
10. Viele Angriffe kommen nicht von einzelnen Unternehmen, sondern von Branchen, Unternehmerorganisationen oder auch Regierungen. Auch gegen diese müssen wir uns wehren. Dazu kann ein Generalstreik ein Mittel sein. Dieser ist genauso legal und legitim wie ein „normaler“ Streik, hat aber natürlich größeres Ausmaß, braucht eine bessere Vorbereitung und auch klare politische Ziele.
Streik ist eine scharfe Waffe. Sie wird nicht leichtfertig eingesetzt. Doch sie wird immer notwendiger, um sich gegen den unmenschlichen Arbeitsdruck, die Prekarisierung der Arbeit, Stellenabbau und Einkommensverluste zu wehren. Und wenn wir uns wehren – dann richtig!
Die Texte in diesem Artikel wurden im Wesentlichen aus den Broschüren „Streik – kurz & bündig“ und „Sozialistische Antworten auf die Krise“ übernommen