Do 02.03.2006
Seit, dem 6. Februar streiken in mehreren Deutschen Bundesländern die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Je 20.000 Bechäftigte der Länder und der Kommunen legten die Arbeit nieder. Der größte Streik seit 1992 ist möglich. Ergebnisse um die 95% in den Urabstimmungen und die hohe Beteiligung beweisen eindrucksvoll die Streikbereitschaft.
Noch wird in den westdeutschen Kommunen 38,5 Stunden gearbeitet. Die Arbeitgeberseite will die 40-Stunden-Woche erzwingen. Ostdeutsche KollegInnen, Bundesbedienstete und die meisten Landesbeschäftigten müssen bereits länger als 38,5 Stunden arbeiten. Immer wieder behaupten die ArbeitgeberInnen, bei der Einführung der 40-Stunden-Woche gehe es nur um 18 Minuten mehr am Tag. Doch bei der heutigen Arbeitsbelastung für einen Müllwerker oder eine Erzieherin bedeutet jede Minute Mehrarbeit Mehrbelastung. Und 18 Minuten am Tag sind zehn Tage im Jahr und zwei Jahre im Arbeitsleben. Die geplante Arbeitszeitverlängerung ist auch ein Programm für massiven Arbeitsplatzabbau. Frank Bsirske, Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, warnt, dass 1,5 Wochenstunden mehr vier Prozent weniger Arbeitsplätze bedeuten würden. Zehntausende Stellen wären direkt betroffen, hunderttausende weitere wären in Gefahr, wenn es mit einer Niederlage im aktuellen Konflikt zu einem Dammbruch kommen sollte.
Seit 1995 sind 2,2 Millionen Stellen im öffentlichen Dienst weggefallen. Arbeitszeitverlängerungen führen dazu, dass weitere KollegInnen “eingespart“ werden und immer weniger immer mehr arbeiten müssen. Statt Arbeitszeitverlängerungen, verstärkter Arbeitsdruck und beschleunigter Stellenabbau ist die Forderung nach einer drastischen Verkürzung der Wochenarbeitszeit - bei vollem Lohn- und Personalausgleich - das Gebot der Stunde: Statt Massenarbeitslosigkeit auf der einen und Überstunden sowie erhöhte Arbeitshetze auf der anderen Seite, sollte die vorhandene Arbeit auf alle aufgeteilt werden.
Provokationen der ArbeitgeberInnen abwehren
Länger arbeiten für weniger Geld – darum geht es, nicht nur im öffentlichen Dienst. Während die Gewinne von Unternehmern und Kapitalbesitzern 2005 um 6,1% stiegen, fielen die Arbeitnehmerentgelte um 0,5%.
Parallel dazu kommen neue Angriffe: Mehrwertsteuererhöhung, Rente ab 67, Aushöhlung des Kündigungsschutzes. Die soziale Schere klafft immer weiter auseinander: Die Lebenserwartung der Reichen übersteigt die der Armen heute um zwölf Jahre.
Streik ausdehnen
Es geht um viel bei diesem Streik. Sollten die Arbeitgeber mit ihrer Blockadehaltung Erfolg haben, dann würde die Belastung der Beschäftigten enorm zunehmen, die Versorgung im öffentlichen Dienst noch schlechter werden und das Arbeitslosenheer weiter anwachsen. Mehr noch. Die Herrschenden würden sich ermutigt sehen, die Umverteilungspolitik von unten nach oben zu forcieren.
40.000 Streikende werden nicht genug sein, um den Arbeitgebern wirksam Paroli zu bieten. Bundesweit sollten alle streikbereiten Betriebe zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen werden. Wenn bundesweit im öffentlichen Dienst die Arbeit ruht, dann wird jede und jeder vor Augen geführt, wer das öffentliche Leben in Gang hält. Die Wirtschaft könnte zum Erliegen gebracht werden.
Für einen bundesweiten Streik- und Protesttag
Der Streik im öffentlichen Dienst bietet die Möglichkeit, der Offensive der Unternehmer und ihrer Politiker und Parteien endlich Einhalt zu gebieten. Kampf-, Arbeits- und Lebensbedingungen aller Lohnabhängigen und Erwerbslosen könnten verbessert werden, wenn der Streik erfolgreich aufgebaut und ausgedehnt werden sollte. Mit einem bundesweiten Streik- und Protesttag könnten den Arbeitgebern deutliche Zugeständnisse abgetrotzt werden. Damit würden die Voraussetzungen für einen weiteren Aufbau der Bewegung geschaffen werden, um grundlegende Verbesserungen im Interesse der arbeitenden Bevölkerung zu erzielen.
Gefahr eines faulen Kompromisses
Es besteht die reale Gefahr, dass die ver.di-Führung sich auf einen faulen Kompromiss einlässt. Bsirke hat angedeutet, wie dieser aussehen könnte: kürzere Arbeitszeiten für ältere und längere Arbeitszeiten für jüngere.
1992 würgte die Gewerkschaftsspitze den 11-Tägigen bundesweiten Streik von 400 000 KollegInnen genau zu dem Zeitpunkt ab, als er massiven Druck zu entfalten begann. Statt der geforderten 9,5% gab es sogar einen Reallohnverlust.
Eine erfolgreiche Streikbewegung im öffentlichen Dienst bietet die Möglichkeit, dass ArbeiterInnen, Angestellte und BeamtInnen aus der Defensive herauskommen und andere KollegInnen Rückenwind verspüren.