Di 28.06.2011
Obwohl die jüngste OECD-Prognose für Österreich ein Wirtschaftswachstum von 2,9% prophezeit, wird sich an den Arbeitslosenzahlen nicht viel ändern: So bleibt die Quote im Euro-Raum laut OECD im Schnitt deutlich über 9%. Вeschäftigungspolitik à la Hartz IV bleibt also auf der Tagesordnung. Das heißt für den Wiener (Arbeitslosen-)Rechtsanwalt Dr. Herbert Pochieser schlicht: "Restriktionen, Restriktionen, Restriktionen".
Klaus Niemeyer (Name v. d. Red. geändert) ist einer von 65.421 Menschen (Quelle: BMSAK, Stand April 2011), die als Schulungsteilnehmer des AMS Lebensbäume zeichnen, in Rollenspielen agieren und auch sonst jeden Unsinn über sich ergehen lassen müssen, den die moderne Sozialpsychologie noch nicht verboten hat. Er gilt zwar als arbeitssuchend, aber nicht als arbeitslos. Das schönt die Statistik, er selbst aber empfindet das, wie so viele - zu Recht - als Schikane: "Ich mache so einen `Kurs´ jetzt schon zum 5. Mal. Diesmal habe ich im Einzelcoaching genau den Lebenslauf bearbeiten dürfen, den ich im letzten Kurs vor sechs Monaten genau hier in diesem `Institut´ unter Anleitung geschrieben habe".
Anstatt der punktgenauen Behebung von Qualifikationsmängeln oder Defiziten dienen viele der verpflichtenden Maßnahmen schlicht dazu, Erwerbslose zu disziplinieren und ihnen eine "eigene Schuld" an ihrer misslichen Lage zu suggerieren. Man kann sich leicht ausmalen, was das für die Psyche vor allem Jugendlicher bedeutet, die noch nie im Berufsleben gestanden haben und die so den Eindruck gewinnen müssen, sie seien "nichts wert". Es ist ein Zynismus, dessen "Bösartigkeit System hat" (Pochieser).
Dazu kommen „Maßnahmen", die Arbeitslose bei Androhung einer Bezugssperre verpflichten, in sogenannten sozialökonomischen Beschäftigungsbetrieben befristet zu arbeiten. Nach sechs Monaten pilgern die Betroffenen dann wieder zum AMS, haben aber eine neue und geringere Bemessungsgrundlage und bekommen ergo in Folge noch weniger Arbeitslosengeld/ Notstandshilfe. "Das ist blanke Enteignung", empört sich Pochieser, der diese Praktik als Umgehungsgeschäft qualifiziert und dagegen beim VfGH Beschwerde eingebracht hat: Was hergehört, ist ein Rechtsanspruch auf sinnvolle Kurse.
Um sich gegen die Schikanen des AMS wirklich wehren zu können, braucht es eine effektive Arbeitslosenvertretung: Hier muss man die Gewerkschaften und die AK in die Pflicht nehmen. Denn jedeR, der/die heute noch in Lohn und Brot steht, kann morgen schon arbeitslos sein. Er/sie bleibt dennoch ArbeiterIn und hat nichts anderes zu verkaufen, als die Arbeitskraft. Es sind derzeit offiziell 320.000 Menschen, die es kämpferisch zu vertreten gilt. Es geht darum, statt der Arbeitslosen die Arbeitslosigkeit als solche zu bekämpfen - das heißt konkret: Arbeitszeitverkürzung auf 30 Wochenstunden bei vollem Lohn/Gehalt.