Di 13.12.2005
100 Prozent des ÖGB-Präsidiums (oberste Spitze), 90 Prozent des Vorstandes, aber weniger als die Hälfte der Mitglieder der Gewerkschaften fühlen sich einer der beiden grossen Fraktionen FSG (Fraktion sozialdemokratischer GewerkschafterInnen) und FCG (ChristgewerkschafterInnen) zugehörig. Doch auch fraktionsintern ist das Bild keineswegs einheitlich: Während die jeweiligen Fraktionsspitzen ein enges Verhältnis zur neoliberalen SPÖ, bzw. ÖVP-Spitze pflegen, stellen immer mehr Betriebsräte und Basisfunktionäre diese enge Bindung in Frage.
Sozialpartnerschaftliches Relikt
Die Struktur des ÖGB ist ein Überbleibsel aus der Zeit der Sozialpartnerschaft. Bis auf die "Gewerkschaft öffentlicher Dienst" waren alle Gewerkschaften seit jeher von der SPÖ dominiert, die ÖVP bekam dafür immer auch ein paar Posten (z.B. den Vizepräsidenten) und eben die Kontrolle bei den Beamten. Über die beiden Großparteien saßen zahlreiche ÖGB-Spitzenleute im Parlament. Gleichzeitig stellt der ÖGB (und die AK) bis heute über die Förderung der Gewerkschaftsfraktionen aus Mitgliedsbeiträgen einen wesentlichen Teil zur zumindest indirekten Finanzierung der Großparteien dar - vor allem natürlich der SPÖ.
Naheverhältnis zur neoliberalen SPÖ
Während früher dutzende Leute aus dem Gewerkschaftsapparat im Parlament saßen, sind es heute im Grund nur mehr Renate Csörgits (SPÖ - ÖGB-Frauenvorsitzende), Fritz Verzetnitsch (SPÖ - ÖGB-Präsident), Richard Leutner (SPÖ - leitender Sekretär) und Fritz Neugebauer (ÖVP - GÖD-Vorsitzender). Alleine daran ist zu erkennen, dass der parlamentarische Einfluss des ÖGB - vor allem im Rahmen der Wandlung der SPÖ zu einer neoliberalen Partei - in den 80er und 90er Jahren zurückgegangen ist. Umgekehrt stellt sich die Frage was der ÖGB eigentlich mit Parteien wie ÖVP und SPÖ heute zu tun und welche anderen Mittel - außer im SPÖ-Klub zu sitzen - eine Gewerkschaft noch zur Verfügung hat. Der ÖGB hat die Aufgabe konsequent für die Interessen von ArbeitnehmerInnen, Jugendlichen und auch PensionistInnen einzutreten, wenn nötig auch mit Kampfmaßnahmen wie Streiks. Die Politik der Großparteien - auch von den "ÖGB-Abgeordneten" mitgetragen - hat damit nichts zu tun. Der Sozialabbau hat nicht erst mit der schwarz-blauen Regierung im Jahre 2000 angefangen, sondern nahm seinen Anfang bereits mit der Zerschlagung der Verstaatlichten Ende der 80er Jahre. Zudem fanden diverse Sparpakete zur Erfüllung der Maastricht-Kriterien unter SPÖ-Bundeskanzlern statt. Die Bindungen zur ÖVP, aber auch zur SPÖ sind somit längst ein Hemmschuh für eine zukunftsorientierte Gewerkschaftspolitik geworden.
Wohin mit den Gewerkschaftsbeiträgen?
Die SLP ist für politische Gewerkschaften - aber für eine andere Gewerkschaftspolitik! Deshalb wollen wir eine offene Diskussion im ÖGB über die politischen Kriterien und Maßstäbe die es aus Gewerkschaftsperspektive sinnvoll machen, bestimmte politische Kräfte oder Einzelpersonen z.B. bei Wahlkämpfen zu unterstützen. Nur wer die Interessen der ArbeitnehmerInnen vertritt und selbst keine Privilegien beansprucht verdient das Geld der Gewerkschaftsmitglieder! Um eine entsprechende Verwendung zu kontrollieren, soll die Basis selbst auf örtlichen und regionalen Konferenzen darüber entscheiden können, welche politischen Kräfte oder Personen subventioniert werden sollen.