Di 21.01.2020
Sie schuf die Frankfurter Küche, die deshalb so heißt, weil Schütte-Lihotzky diese berühmt gewordene Küche im Zuge ihrer Arbeit für das Hochbauamt von Frankfurt/Main entwarf. Ihre architektonische Arbeit umfasst jedoch viel mehr: Entwürfe für Einfamilien-Reihenhäuser, Kleingarten- und Siedlungsanlagen, zahllose Vorträge und Aufsätze, Wohnungstypen für berufstätige alleinstehende Frauen, Entwürfe für Kindereinrichtungen usw. Nicht zu trennen davon ist ihr politisches Engagement: Sie ging 1930 in die Sowjetunion und arbeitete dort als Leiterin der Abteilung für Kinderanstalten. Später kam sie nach Istanbul, wo sie sich dem kommunistischen Widerstand anschloss und mithalf, die Auslandsgruppe der Kommunistischen Partei Österreichs in der Türkei aufzubauen, der sie 1939 beitrat. Zwecks Verbindung der Widerstandsgruppen kam sie 1940 nach Wien, wo sie von den Nazis verhaftet und bis Kriegsende inhaftiert wurde.
Schütte-Lihotzky beschäftigte sich intensiv mit der Rationalisierung der Hauswirtschaft. Die Frankfurter Küche, als Vorläuferin der Einbauküche, stellte eine große Veränderung für das Haushaltsleben dar: Sie war für wenig Platz geeignet und darauf ausgerichtet, die Arbeit zu erleichtern und die Wege zu verkürzen. Daraus resultiert aber eben auch die Kritik aus feministischer Sicht: Die kleine, nur einer Person Platz bietende Küche erleichtert zwar die Arbeit der Hausfrau, doch sie ändert nichts daran, dass diese sie alleine machen muss. Im Gegenteil, sie verfestigt eher die Rolle ebendieser Hausfrau und der ihr zugeschriebenen Arbeit. Das sozialdemokratische „rote Wien“ zeigte denselben Zugang in der Architektur: Die sozialdemokratischen Gemeindebauten bedeuteten zweifellos eine große Steigerung des Lebensstandards für Arbeiter*innenfamilien. Doch statt die Befreiung der Frau von der reproduktiven Arbeit zu befördern, verfestigte die Rationalisierung der einzelnen Küche die Rolle und Isolierung der Frau. Aus heutiger Sicht wäre aufgrund zunehmend prekärer Wohnverhältnisse und der damit zusammenhängenden Mobilität auch die Leistbarkeit in Zweifel zu ziehen: Eine Einbauküche lässt sich nur durch teure Fachkräfte einbauen und montieren, lässt sich kaum mitnehmen und passt nur sehr individuell in eine Wohnung.
Architektur ist wie alles von den herrschenden Gesellschaftsstrukturen geprägt und daher Klassenfrage: Wem gehört Grund und Boden, wem gehören die Produktionsmittel, wer kann also bauen - und für wen? Umgekehrt kann Architektur auch Gesellschaftsstrukturen beeinflussen. Sozialistische Architektur bedeutet, die Vergesellschaftung der Hausarbeit etwa durch Gemeinschaftsküchen und flächendeckende, hochwertige und günstige Kantinen zu fördern, was jedoch auch im roten Wien nicht durchgesetzt wurde. In der jungen Sowjetunion gab es solche Projekte, doch Bürger*innenkrieg und Stalinismus bereiteten ihnen ein frühes Ende. Der Kampf um die Vergesellschaftung der Hausarbeit ist auch heute noch ein zentraler Bestandteil des Kampfes für Frauenbefreiung.