Di 01.09.1998
Anläßlich des Orgien-Mysterien-Theaters des Aktionisten Hermann Nitsch wagte sich ein reaktionärer Bodensatz ans Tageslicht, um zum Angriff zu blasen. Selten mußte der „Volksmund“ für soviel Unsinn herhalten wie in dieser Kampagne von Kronen Zeitung, Täglich Alles, katholischen Fundis und der FPÖ.
Aus der angekündigten Großdemonstration wurde ein Häufchen zwielichtiger „Tierschützer“. Brigitte Bardot - für die KRONE offenbar Vertreterin einer „ordentlichen" Kunst - jettete zur Rettung dreier Stierleben nach Österreich. Sie, glühende Unterstützerin der faschistischen Front National, fand sich in illustrer Gesellschaft wieder. Die KRONE ließ sogar einen Sportreporter schreiben: „Irgendwer findet sich immer, der Mist schönredet und alle Kritiker ins reaktionäre Eck stellt.“ Anschließend fordert der eifrige Sportfan mehr Subventionen für den Sport - und weniger für die Kunst - äh „Mist“: Im Sport sei der Wert meßbar, in der Kunst nicht. HJ Schimanek der Ältere fand es zwar furchtbar ungerecht, daß sein Sohn wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilt wurde, der Gewaltakt aber - Hausschlachtung unter tierärztlicher Aufsicht - brach ihm beinahe das Herz.
Freiheit der Kunst: Gut, aber ...
„Wir wollen sicher nicht entscheiden, was Kunst ist und was nicht. Aber das ist in den Augen der Freiheitlichen keine Kunst,..." (H.J. Schimanek, sen.). Deshalb reagierte der Landesrat und schikanierte die Veranstaltung durch Besuche der Fremdenpolizei etc.
Es ging nie um eine Auseinandersetzung mit der Kunst von Nitsch., Es ging darum, die künstlerische Avantgarde zu erschlagen. Daß man sich dafür einen längst etablierten Künstler und ein Jahrzehnte altes Theaterstück hergenommen hatte, sagte vieles über die Kunstkenntnis der rechten Kulturkämpfer und ließ erahnen, daß es um politische Manöver ging und nicht um Kunst. Dabei handelte hierbei nicht einmal um einen linken Künstler. Nitsch arbeitete in seinem Stück mit mystischen, ja esoterischen Kulthandlungen, um Selbsterfahrung - eine Rückbesinnung auf das Ursprüngliche - möglich zu machen. Gesellschaftskritik war keine zu finden. Nicht einmal in seinen Reaktionen auf die unerhörte Hetze konnte sich Nitsch dazu aufraffen, die Reaktionäre in die Schranken zu weisen.
Nahezu jegliche moderne Kunst wird von der österreichischen Rechten mit ihren Kampfblättern wie der KRONE der Linken zugeschrieben und als Mist verdammt. Jede Kritik an „Österreich“ sowie jede Ausdrucksform, die sich nicht an die eingeengten Vorstellungen der Reaktionäre hält, wird mit dem Verweis auf das Volksempfinden in Grund und Boden verdammt - oftmals werden Verbote gefordert und manchmal wurden sie durchgesetzt. Viele österreichische VertreterInnen der modernen Kunst genießen heute Weltruhm. Die meisten wanderten längst aus - vor allem seit dem Aufstieg der FPÖ.
Kunst hat im Weltbild der rechten Kulturkämpfer nur schön, gut und wahr zu sein. Was das ist, bestimmen sie selbst. Kunst hat vor allem aber unpolitisch zu sein, sie hat sich möglichst nicht mit „heißen" gesellschaftlichen Themen auseinanderzusetzen. Das Bestehende nicht zu kritisieren, heißt aber ihm zuzustimmen und ist damit nicht unpolitisch, sondern konservativ und auch dies ist politisch. Kunst kann sich der Politik nicht entziehen.
Auch das Argument, die moderne Kunst würde die Gesellschaft verrohen, ist absurd. In einer Gesellschaft, in der mensch tagtäglich mit Gewalt konfrontiert ist, kommen KünstlerInnen, die sich mit der Gesellschaft kritisch auseinandersetzen, nicht umhin, sich auch mit diesen „Gewalten" auseinandersetzen. Nicht eine verrohte Kunst fördert eine verrohte Gesellschaft, im Wechselspiel zwischen Kunst und Gesellschaft ist die Wirkung der Gesellschaft auf die Kunst um ein Vielfaches stärker als umgekehrt.
Die Linke und die Kunst
Links ist angeblich nicht mehr modern, gilt als ewiggestrig. Viele KünstlerInnen scheuen sich deshalb - trotz ihrer fortschrittlichen Überzeugung - sich selbst als politisch anzusehen. Sie beteuern, es ginge ihnen nur um die Kunst, mit Politik hätten sie nichts am Hut. Damit erleichtern sie den Rechten, das Feld zu übernehmen, weniger attackiert werden sie trotzdem nicht. Viele Linke stempeln die fortschrittliche Kunst als zu abgehoben ab. Doch sowohl die Linke als auch die fortschrittliche Kunst versuchen, ein offenes und solidarisches gesellschaftliches Klima zu schaffen. Sie gehen in die selbe Richtung, bedienen sich lediglich unterschiedlicher Kommunikatoren, die sich aber nicht konkurrieren sondern ergänzen (könnten). Das sollten beide Seiten in Betracht ziehen, wenn sie wieder einmal ihre Berührungsängste entdecken.