Mo 29.01.2018
Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer müsste 157 Jahre arbeiten, um das Jahreseinkommen eines Dax-Vorstandsvorsitzenden zu erzielen. Das ist die Erkenntnis aus dem diesjährigen Oxfam-Bericht, in dem festgestellt wurde, dass die Zahl der Milliardäre von 2016 bis 2017 weltweit noch nie so stark angewachsen ist. Auch in Deutschland gibt es eine schreiende Ungleichheit: die reichsten 40 Personen verfügen über das gleiche Vermögen wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung. Die Bosse in der Metallindustrie freuen sich wieder einmal über Rekordgewinne. Umso dreister ihre Haltung gegenüber den Kolleginnen und Kollegen.
IG Metall und Kampf um Arbeitszeit
Die IG Metall hat mit ihren Forderungen zum ersten Mal seit langem das Thema Arbeitszeitverkürzung auf die Tagesordnung gesetzt. Das ist positiv. Allerdings ist schade, dass gerade die potenziell kampfstarke IG Metall so bescheiden an die Frage der Arbeitszeitverkürzung heran geht und die Forderung darauf begrenzt, dass es nur für einen begrenzten Zeitraum und für einen Teil der KollegInnen gelten soll. Doch die Arbeitgeber sind inzwischen so arrogant geworden, dass sie selbst hier meinen, blockieren zu müssen.
Kampfkraft ist groß
Die Ausgangsposition für Streik ist extrem gut für die Beschäftigten! Die Durchsetzung der Forderungen ist möglich. Die bisherigen Warnstreiks wurden sehr gut befolgt. Mit 24-Stunden-Warnstreiks könnte angesichts der Auftragslage und der Just-in-Time-Produktion ein großer Druck erzeugt werden. Das gilt umso mehr, wenn zu Urabstimmung und Streik aufgerufen würde.
Keine Ausweitung nach oben!
Die Verhandlungsführer der Metallarbeitgeber wollen keinen Teillohnausgleich und gleichzeitig eine flexible Verlängerung der Arbeitszeiten auf 40 Stunden pro Woche. Eine weitere Flexiblisierung nach oben wäre aber fatal. Das, was bisher mit dem Kampf um die die 35-Stunden-Woche Mitte der 80iger Jahre erreicht wurde, würde noch weiter ausgehöhlt. Schon jetzt werden laut IG Metall in Wirklichkeit 40,6 Stunden pro Woche in der Metall- und Elektroindustrie gearbeitet. Wo soll das enden, wenn jetzt noch weiter nach oben verlängert wird?!
Bei dem Lohnausgleich darf es natürlich auch kein Zurückweichen geben. Es geht schließlich nicht um die befristete Umwandlung in Teilzeit, was sich viele überhaupt nicht leisten können. Es darf also keine Kompensationen geben. Deshalb ist wichtig, dass Druck auf die IG Metallführung und Verhandlungskommissionen gemacht wird, um nicht in die Defensive zu geraten.
30-Stunden-Woche für alle?
Wenn die Arbeitgeber jetzt so mauern, sollte in der IG Metall die Diskussion aufgemacht werden, ob man stattdessen die Forderung noch ausweitet. Es ist ein Skandal, dass die Arbeitgeber, die keine Probleme haben, KollegInnen durch Fremdvergabe und Leiharbeit zu unterschiedlichen Löhnen für die gleiche Arbeit nebeneinander arbeiten zu lassen, jetzt bei der Forderung nach dem Anrecht auf Arbeitszeitverkürzung meinen, das sei unzulässig, weil Ungleichheit geschaffen würde.
Dennoch – wenn sie darauf bestehen, könnte man auch das Argument umdrehen und sagen – dann fordern wir die Arbeitszeitverkürzung für alle – bei vollem Lohn- und Personalausgleich– zum Beispiel auf 30 Stunden. Das wäre völlig gerechtfertigt, angesichts des Produktivitätszuwachses seit der letzten Arbeitszeitverkürzung.
Und es wäre eine klare Forderung, die mobilisierend auf alle Kolleginnen und Kollegen wirken würde. Die jetzige Kampfkraft sollte unbedingt genutzt werden, um in die Offensive zu kommen. Und wenn schon richtig streiken, warum dann nicht gleich so, dass es sich lohnt?!
Zusammen kämpfen!
Auch für andere Bereiche laufen Tarifrunden: öffentlicher Dienst, Post, Telekom, Bauhauptgewerbe und andere, insgesamt sind zur Zeit für sechs Millionen Beschäftigte. Die Probleme sind überall dieselben: zu viel Arbeitsdruck und zu wenig Geld. Es wäre an der Zeit, gemeinsam auf die Straße zu gehen!
Gemeinsame Proteste und Demonstrationen während der Streiks könnten ein starkes Signal setzen, dass sich gemeinsames Kämpfen lohnt.
So könnte eine gesellschaftliche Bewegung für Umverteilung von oben daraus entstehen. Das ist angesichts der Tatsache, dass CDU/CSU und SPD auf Steuererhöhungen für die Reichen verzichten wollen und gleichzeitig eine Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes anstreben, umso dringender.
„Dumm, dreist, töricht“
Mit diesen Worten bezeichnete vor gut 35 Jahren der damalige CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl die Forderung der Gewerkschaft IG Metall und der Gewerkschaft Druck und Papier nach der 35-Stunden-Woche. Die Arbeitgeber gingen zum Frontalangriff über und reagierten mit Aussperrung von einer halben Million Beschäftigten auf die Arbeitskampfmaßnahmen. Mit Streik über mehrere Wochen, begleitet von Warnstreiks und Demonstrationen, konnte der Einstieg in die 35 Stunden-Woche erkämpft werden.
Leider wurde durch verschiedene Maßnahmen das Rad der Geschichte wieder zurück gedreht. Es ist ein untragbarer Zustand, dass man kaum noch Möglichkeiten sieht, sich genug um Angehörige zu kümmern oder zu wenig Zeit für die Kinder hat. Mit der Forderung nach einer weiteren Arbeitszeitverkürzung für alle, wie der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich, könnte man zwei sinnvolle Dinge erreichen:
Erstens mehr Zeit zum Leben, Lieben, Lachen: Dieser Slogan aus den Zeiten des Arbeitskampfes um die 35-Stunden-Woche hat heute – in Zeiten von permanentem Druck sogar eine größere Bedeutung als damals.
Zweitens Verhinderung von Arbeitsplatzabbau: Wenn die Bosse damit drohen, dass mit der Digitalisierung und Automatisierung ein Teil der menschlichen Arbeitskraft überflüssig wird, muss die Gewerkschaft sagen: Wenn es technischen Fortschritt gibt, dann weil die Beschäftigten ihn geschafften haben. Entsprechend soll dieser auch für die Beschäftigten genutzt werden. Daher: Verteilung der Arbeit auf alle – ohne Lohnabstriche!
Diese Forderung muss auch da gelten, wo die Konzernchefs von Siemens, General Electrics und anderen auf einmal entlassen wollen, obwohl sie Rekordgewinne eingefahren haben. Wenn sie das nicht einsehen, sollten sie enteignet werden. Unter demokratischer Kontrolle von Beschäftigten, Gewerkschaften und Staat könnte ein Plan für sinnvolle Produktion erstellt werden – bei Erhalt aller Arbeitsplätze.