Do 01.07.1999
Am 6. Mai fanden erstmals Wahlen zum neuen schottischen Parlament statt. Das Komitee für eine ArbeiterInneninternationale CWI hat eine lange Tradition in Schottland - als Scottish Militant Labour (SML) und vor allem im Kampf gegen die Poll Tax (eine extrem unsoziale Kopfsteuer). Heute arbeiten die Mitglieder des CWI in Schottland in der neugegründeten Scottish Socialist Party (SSP). Sonja Grusch von der SOV führte ein Interview mit Phillip Scott, Mitglied der Leitung der SSP und des CWI in Schottland .
Vorwärts: Tommy Sheridan von der SSP wurde ins schottische Parlament gewählt - wie verträgt sich die Arbeit in einem bürgerlichen Parlament mit der Tatsache, daß Tommy revolutionärer Sozialist ist?
Phillip: Wir haben als SML, und im letzten Jahr als SSP, eine Reihe von Kampagnen durchgeführt. Daß Tommy nun ins Parlament gewählt worden ist, ist auch ein Ergebnis davon. Wir werden das Palament nutzen, um unsere Kampagnen - gegen Studiengebühren, für Freifahrt für PensionistInnen etc - einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. In einem reichen Land wie Schottland lebt eines von drei Kindern in Armut - während North Sea Oil letztes Jahr trotz niedriger Ölpreise 11 Milliarden Pfund Gewinn gemacht hat!
Tommy hat bei seiner Angelobung - bei der auf die Queen geschworen wird - mit geballter Faust klar gemacht, daß er gegen die Monarchie und gegen ein Schottland des Kapitals ist. Im Gegensatz zu allen anderen Parlamentariern behält Tommy von seinem Gehalt auch nur ca.14.000 Pfund (ca. öS 280.000) pro Jahr, der Rest wird für Kampagnen und Projekte genutzt.
V: Seht Ihr einen Widerspruch darin, daß Ihr einerseits für ein unabhängiges Schottland eintretet und andererseits Internationalisten seit?
P: Für MarxistInnen ist die nationale Frage immer eine wichtige Frage. Wir fordern ein unabhängiges, sozialistisches Schottland als Schritt zu einer Allianz sozialistischer Staaten in Britannien und in Europa.
In Schottland ist die nationale Frage mit dem Aufkommen der Schottischen Nationalpartei (SNP) noch zentraler geworden. Da ist es besonders wichtig, daß SozialistInnen eine klare Position haben, gerade um Jugendliche und ArbeiterInnen vomNationalismus wegzubrechen.
Deshalb verbinden wir Unabhängigkeit mit der Frage von Sozialismus. Wir greifen Themen auf, die für ganz Britannien wichtig sind - wie niedrige Löhne, Armut und Studiengebühren. Und wir beteiligen uns an Kampagnen über die Grenzen Schottlands hinaus wie bei der Abstimmung über den Euro und auch an gesamteuropäischen Kampagnen wie gegen Rasissmus oder an internationalen Solidaritätsaktionen. Wir sehen ein unabhängiges sozialistisches Schottland als Teil des Kampfes gegen den globalen Kapitalismus. Dem gilt es die Einheit der ArbeiterInnenklasse entgegenzustellen.
V: Die SNP ist in der Vergangenheit durch ihre sozialen Forderungen aufgefallen?
P: Die SNP ist in den letzten Jahren stark nach rechts gegangen. Vor allem in sozialen Fragen sehen wir eine ähnliche Transformation wie bei New Labour - sie sind eine offen pro-kapitalistische Partei. Verstaatlichung haben sie z.B. aus ihrem Programm gestrichen. Sie fordern daß die Einkommensteuern für niedrige Einkommen angehoben wird und wollen gleichzeitig eine Senkung der Unternehmenssteuern.
Die SNP hat bei den Wahlen 29 % der Stimmen bekommen - ein wichtiger Faktor. Trotzdem haben die meisten die SNP nicht aus nationalistischen Gründen gewählt, sondern hat sie vor allem auch von der Anti-New-Labour Stimmung profitiert.
Das zeigt sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung, vor allem in ArbeiterInnenbezirken. Obwohl das die erste Wahl zu einem schottischen Parlament seit 300 Jahren war sind fast 40 Prozent zu Hause geblieben. Wir versuchen gegen New Labour auf der einen und den Nationalismus auf der anderen Seiten eine sozialistische Alternative aufzubauen. Der Kampf für nationale Unabhängigkeit spiegelt den Wunsch nach einer Alternative zum Kapitalismus wieder, aber auch die Verwirrung darüber, wie das zu erreichen ist Gerade deshalb dürfen sich SozialistInnen auch nicht um das Thema herumdrücken.
V: Vor neun Monaten wurde die SSP gegründet - was sind die ersten Erfahrungen?
P: Die SSP hat nun über 1500 Mitglieder mit weiteren tausend, die beitreten wollen. Sie hat Ortsgruppen in allen Teilen Schottlands, und Mitglieder aus verschiedenen Zugängen - solche die früher in der Labour Party waren, Jugendliche und ArbeiterInnen, und jene aus der Gewerkschaftsbewegung. Bei den Wahlen im Mai haben wir 2 % und bei den EU-Wahlen 4 % bekommen, das ist ein dramatischer Erfolg für eine Partei, die gerade neun Monate alt ist. Wir vom CWI stellen den trotzkistischen Teil in dieser breiteren sozialistischen Organisation dar.